Während des Höhepunktes der Covid-Infektionswelle im März/April waren die Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern besonders gefordert. Dabei zeigte sich einmal mehr wie wichtig eine gute Ausstattung, aber auch die personelle Besetzung in der Intensivmedizin ist.
Denn mehr als durch Räumlichkeiten und technische Geräte wird die Effizienz intensivmedizinischer Betreuung durch Quantität und Qualität des Personals geprägt. Dabei geht es nicht nur um ärztliche Kapazitäten, mindestens genauso wichtig ist die Besetzung mit ausreichend Pflegekräften. Personelle Unterbesetzungen erhöhen das Risiko, dass es zu dramatischen Verschlechterungen des Gesundheitszustands bis hin zum Tod kommt.
Ergebnisse einer Langzeitstudie an einem finnischen Krankenhaus
Genau mit dieser Problematik hat sich eine finnische Querschnittsstudie eingehend befasst. Die Langzeitstudie, die an einem finnischen Lehrkrankenhaus im Zeitraum 2008 bis 2017 durchgeführt wurde, befasst sich konkret mit dem möglichen Zusammenhang von personeller Besetzung der Intensivstation mit Krankenschwestern und der Wahrscheinlichkeit eines multiplen Organversagens von Intensivpatienten. Insgesamt konnten 10.230 Patienten in die Untersuchung einbezogen werden.
Dadurch stand für die Studie eine Datenbasis zur Verfügung, die statistisch valide Aussagen über mögliche Zusammenhänge zwischen Personalkapazität und Fälle von multiplem Organversagen ermöglicht. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden kürzlich im Journal of Advanced Nursing unter dem Titel: “The proportion of understaffing and increased nursing workload are associated with multiple organ failure: A cross-sectional study” veröffentlicht.
Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung, Kapazitäten und Organversagen
Die Methodik der Untersuchung wird in der Veröffentlichung ausführlich beschrieben. Die erfassten Patienten auf der Intensivstation waren überwiegend Männer (88,2 Prozent) mit einem Durchschnittsalter von 58,57 Jahren. Bei 15,58 Prozent der Patienten trat ein multiples Organversagen auf. Dabei handelte es sich zu zwei Dritteln um Männer. Ihr Durchschnittsalter lag bei 61,35 Jahren. Bei den insgesamt 2.026 erfassten Fällen kam es bei 1.735 (85,6 Prozent) binnen 48 Stunden nach der Einlieferung zum Organversagen, bei 291 trat die Krise erst später auf.
Diesen Fällen wurde die Arbeitsbelastung der Krankenschwestern auf der Intensivstation gegenübergestellt. Dabei wurde die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals bei Patienten mit und ohne multiplem Organversagen untersucht. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied. Bei hoher Arbeitsbelastung trat multiples Organversagen häufiger auf als bei geringer. Das gleiche Bild zeigte sich bei der Mortalitätsrate. Auch hier ließ sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und Sterblichkeit feststellen. Sind die Krankenschwestern auf der Intensivstation überlastet, ist das Risiko an multiplem Organversagen zu sterben, messbar höher.
In der Untersuchung zeigte sich, dass 22,64 Prozent der Arbeitsschichten von Krankenschwestern in dem finnischen Krankenhaus personell unterbesetzt waren, legt man das Krankenschwester-Patienten-Verhältnis als Maßstab zugrunde. Ausgehend von den Versorgungsbedürfnissen der Intensivpatienten waren sogar 44,64 Prozent der Schichten unterbesetzt. Zwischen Unterbesetzung und Be- bzw. Überlastung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Besonders ausgeprägt zeigte sich die Unterbesetzung in den Wochenendschichten. Bei einer Einlieferung am Wochenende besteht ein erhöhtes Risiko, dass es zu multiplem Organversagen kommt.
Der Wochenendeffekt und seine Ursachen
Diese Erkenntnis wird auch durch schon früher durchgeführte Studien bestätigt. Schon 2001 konnte gezeigt werden, dass Krankenhauseinweisungen am Wochenende mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden sind. Eine weitere 2017 durchgeführte Untersuchung hat versucht, diesen “Wochenendeffekt” zu messen und weist eine um 19 Prozent höhere Mortalität aus. Als Ursachen werden genannt:
- weniger qualifiziertes Personal am Wochenende im Einsatz;
- schlechtere oder verzögerte Verfügbarkeit von Spezial-Diagnosen und -Behandlungen;
- am Wochenende werden überdurchschnittlich viele “schwere Fälle” ins Krankenhaus eingeliefert.
Schlussfolgerungen aus der Studie
Die Autoren der finnischen Studie fordern vor dem Hintergrund ihrer Erkenntnisse, die Intensivstationen in Krankenhäusern müssten an sieben Tagen in der Woche mit genug Personal besetzt sein, um den Versorgungsbedürfnissen der Patienten stets gerecht werden zu können. Für Hochrisikopatienten müssten jederzeit ausreichende Kapazitäten vorgehalten werden. Systeme zur Entscheidungsunterstützung könnten dabei helfen, die benötigten Personalkapazitäten und den Personaleinsatz besser zu planen.