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Was ist Pharmakovigilanz? Die Bedeutung der Arzneimittelsicherheit hat für die Gesundheit der Bevölkerung hohen Stellenwert. Pharmakovigilanz, also die Überwachung von Medikamenten und Impfstoffen spielt dabei eine wichtige Rolle. Was Pharmakovigilanz bedeutet, welche Personen und Instanzen einbezogen sind und welche Bedeutung das für das Gesundheitswesen hat, beschreibt der folgende Artikel.
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Pharmakovigilanz – Definition
Pharmakovigilanz setzt sich aus dem griechischen pharmakon (Heilmittel, Gift) und dem lateinischen vigilantia (Wachsamkeit, Fürsorge) zusammen. Es bedeutet also so viel wie „Wachsamkeit über Arzneimittel“. Unter dem Wort werden jegliche Aktivitäten zur Erkennung und Abwehr von Risiken von Arzneimitteln zusammengefasst, wobei der Prozess in der letzten, klinischen Phase der Arzneimittelzulassung beginnt und über die Markteinführung hinaus weitergeht.
Verdachtsfälle bezüglich der Sicherheit von Arzneimitteln muss man an die Arzneimittelkommissionen der Ärzte- und Apothekerschaft, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) melden.
Pharmakovigilanz – Bedeutung
Spätestens seit den 60er-Jahren ist durch den damaligen Contergan-Skandal (Thalidomid-Tragödie) die Bedeutung der ständigen Überwachung von Arzneiwirkungen, auch über die Zulassung hinaus, allgemein bekannt.
Zwar entwickelt sich die Medikamentensicherheit, unter anderem durch ausgedehnte Pharmakovigilanz, stetig weiter, dennoch ist die aktuelle Situation noch nicht zufriedenstellend. So kommt es immer wieder vor, dass Arzneimittel mit Nebenwirkungen, die heutzutage eine Zulassung verhindern würden, dennoch auf dem Markt bleiben.
Der Contergan-Skandal
Das Medikament Contergan galt in den 60er-Jahren als besonders sicher. Es diente zur Beruhigung und sollte bei Schwangerschaftsübelkeit helfen. So nahmen es besonders viele schwangere Frauen ein. Erst viel zu spät bemerkte man, dass das Medikament das Wachstum der Föten beeinflusste und Fehlbildungen verursachte. Anschließend wurde es vom Markt genommen.
Pharmakovigilanz – Aufgaben
Pharmakovigilanz ist vor allem Datenerfassung und -auswertung. Grundlage dieser Daten bieten oft klinische Studien, die noch vor der Zulassung eines Medikaments durchgeführt werden. Ist die Arznei erst auf dem Markt, werden diese Informationen ständig durch Meldungen von Nebenwirkungen ergänzt.
Unternehmen sind dabei verpflichtet, Meldungen in der Sprache der Nutzer/innen zu ermöglichen und haben meist in jedem Land, in dem das Medikament oder der Impfstoff angeboten wird, eigene Abteilungen mit geschultem Fachpersonal. Die gesammelten Daten leitet man wiederum an zuständige Gesundheitsbehörden weiter, mit deren Zusammenarbeit das Unternehmen nötige Maßnahmen aus den Informationen zieht (also, dass ein Medikament beispielsweise vom Markt genommen werden muss).
Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen
Fallen bei der Anwendung von Medikamenten unerwünschte Nebenwirkungen (sogenannte UAWs) auf, kann man diese je nach Quelle über verschiedene Pharmakovigilanz-Systeme melden:
- Das Spontanmeldesystem erfasst dabei die unerwünschten Wirkungen, die bei der Anwendung von Medikamenten und Impfstoffen auffallen. Dies geschieht meist durch die zuständigen Ärzte/-innen oder anderes medizinisches Personal. Obwohl diese Art der Erfassung eine besonders große Basispopulation abdeckt, wird sie häufig kritisiert. Die Erfassungen sind unvollständig und nur wenige Mediziner/innen kommen ihrer Meldepflicht nach, häufig aus Zeitmangel oder unklaren Kausalzusammenhängen. Deswegen fordern Kritiker/innen bereits seit längerem ein reformiertes Meldesystem.
- Um letzteres System zu ergänzen, gibt es die sogenannte intensivierte UAW-Erfassung. Hierfür überwachen geschulte Fachkräfte eine meist große Population über einen festgelegten Zeitraum und ergänzen die Datenbank.
- Das Prescription-Event-Monitoring (PEM) ist eine ausführlichere Variante des Spontanerfassungssystems. Hierbei melden Mediziner/innen die auftretenden Nebenwirkungen der ersten 10.000 behandelten Patienten/-innen. Bei der großen Zahl der Erfassten fallen meist auch sehr seltene Nebenwirkungen auf. Das Vorgehen dieses Pharmakovigilanz-Systems wird beispielsweise in Großbritannien angewandt.
- Ein Beispiel für die Meldung an nationale Pharmakovigilanzzentren bietet das Meldesystem der Schweiz. Das Meldezentrum des Schweizer Heilmittelinstituts (Swissmedic) nimmt Meldungen medizinischer Fachpersonen von UAWs direkt auf. Auch die Pharmaunternehmen leiten die eingehenden Meldungen an Swissmedic weiter. Das nationale Pharmakovigilanzzentrum arbeitet wiederum Hand in Hand mit dem internationalen Zentrum für Arzneimittelsicherheit der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) zusammen.
Signalerkennung und -management
Die WHO definiert ein Signal als die dokumentierte Information über einen möglichen Kausalzusammenhang zwischen einer Wirkung und einem Medikament, wobei der Zusammenhang zuvor unbekannt oder unvollständig dokumentiert war. Abhängig von der Schwere des Vorfalls sind normalerweise mehrere Meldungen nötig, um ein Signal auszulösen.
Wird ein Signal erkannt, ist der erste Schritt die Priorisierung, also die Entscheidung, wie ernst dieses Signal im Sinne der Pharmakovigilanz genommen werden muss. Wurde nach diesem Filter aussortiert, wird das aufgetretene Signal evaluiert. Dafür stellt man sich folgende Fragen:
- Besteht die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen Vorfall und Medikamentengabe?
- Ist das Signal ein Hinweis auf ein potenzielles Risiko? Wie lässt sich das aufgetretene Risiko qualitativ und quantitativ beschreiben?
- Welche Schritte müssen zur Kommunikation des Risikos eingeleitet werden? Welche Konsequenzen müssen aus dem Risiko gezogen werden?
Nun werden die Optionen analysiert, anhand der Höhe des Risikos Konsequenzen gezogen und das Risiko kommuniziert. Im letzten Schritt wird eine Empfehlung zum Umgang mit dem Risiko gegeben. Alle genannten Schritte fasst man unter dem Begriff Signalmanagement zusammen.
Pharmakovigilanz – Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage zur Pharmakovigilanz bietet §63b des Arzneimittelgesetzes (AMG), das seit 2001 durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ergänzt wird. Danach sind Unternehmen der Pharmaindustrie zur systematischen Überwachung ihrer Arzneimittel verpflichtet.
Auch Ärzte/-innen und Apotheker/innen sind rechtlich zur Unterstützung der Pharmakovigilanz verpflichtet, indem sie beispielsweise unerwartete Nebenwirkungen von Impfungen an die zuständige Arzneimittelkommission melden müssen. Lediglich Patienten/-innen sind nicht zur Meldung verpflichtet, können aber unerwartete auftretende Nebenwirkungen auf freiwilliger Basis melden. Informationen dazu finden sich meist in der Medikamentenbeschreibung.
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Pharmakovigilanz in der EU
EU-weit ist das System der Meldungen von UAWs durch viele unterschiedliche Arzneimittelbehörden recht vielschichtig. Eine einheitliche Datenerfassung und -auswertung ermöglicht aber das Netzwerk EudraVigilance, welches eine wichtige Grundlage zur frühzeitigen Detektion möglicher Vorkommnisse bildet. Jeweils eine Datenbank für human- und veterinärmedizinische Vorkommnisse liegt so zentral archiviert vor. Die Terminologie und die Form der Datenübermittlung ist standardisiert.
Pharmakovigilanz und Pharmaunternehmen
Auch Pharmaunternehmen sind verpflichtet, einen Teil zur Pharmakovigilanz beizutragen. Dabei müssen sie nicht nur die ihnen gemeldeten Fälle dokumentieren, sondern haben darüber hinaus auch sogenannte Monitoring-Pflichten, die von der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in der „Guideline on good pharmacovigilance practices“ festgehalten sind. Demnach müssen Pharmaunternehmen regelmäßig das Internet und Netzwerke nach Meldungen über Nebenwirkungen durchsuchen.
Pharmakovigilanz – Arbeitgeber
Die Fachkräfte, die im Dienst der Pharmakovigilanz arbeiten, werden als Pharmakovigilanten/-innen bezeichnet. Sie sind für die Auswertung von UAW-Meldungen verantwortlich. Wer als Pharmakovigilant/in arbeiten möchte, sollte eine naturwissenschaftliche Ausbildung und ein entsprechendes Studium abgelegt haben, am besten im Bereich Pharmazie, Medizin oder Chemie.
Die Spezialisten/-innen arbeiten im öffentlichen Dienst, bei Gesundheitsämtern, dem PEI oder BfArM, oder direkt bei den Pharmaunternehmen. Sie können im human- oder tiermedizinischen Bereich der Pharmakovigilanz arbeiten.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pharmakovigilanz ein wichtiger Baustein im Bereich der Arzneimittelsicherheit ist, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren voraussichtlich noch weiterwachsen wird. Schon jetzt sind viele Instanzen, Ämter, Unternehmen und Fachpersonal in die Pharmakovigilanz einbezogen.
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Häufige Fragen
- Was versteht man unter Pharmakovigilanz?
- Wo meldet man Nebenwirkungen?
- Warum ist Pharmakovigilanz wichtig?
- Was zählt zu den Routineaufgaben der Pharmakovigilanz?
Pharmakovigilanz ist ein zusammengesetzter Begriff, der so viel bedeutet wie „Wachsamkeit über Arzneimittel“. Unter dem Wort werden jegliche Aktivitäten zur Erkennung und Abwehr von Risiken von Arzneimitteln zusammengefasst, wobei der Prozess in der letzten, klinischen Phase der Arzneimittelzulassung beginnt und über die Markteinführung hinaus weitergeht.
Fällt einem als Endverbraucher eine ungewöhnliche Nebenwirkung eines Medikaments oder Impfstoffes auf, findet man häufig die nötigen Informationen, um den Vorfall zu melden, bei der Medikamentenbeschreibung. Fachpersonal hingegen ist verpflichtet, einen Vorfall bei der zuständigen Arzneimittelkommission der Ärzte- oder Apothekerschaft zu melden.
Pharmakovigilanz hat eine große Bedeutung für die Sicherheit von Medikamenten und Impfstoffen und damit einen direkten Einfluss auf die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung. Ein klassisches Beispiel, wann Pharmakovigilanz besonders wichtig ist, ist der Contergan-Skandal aus den 60ern. Dieser hatte zur Folge, dass viele Kinder mit Behinderungen zur Welt kamen, weil deren Mütter das Medikament während der Schwangerschaft eingenommen und es für unbedenklich gehalten hatten.
Pharmakovigilanz besteht zu großen Teilen aus der Dokumentation und der Auswertung von aufgetretenen Vorfällen. Wird eine Wirkung bemerkt, die möglicherweise mit dem Arzneimittel im Zusammenhang steht (sogenanntes Signal), tritt das Signalmanagement in Kraft. Es wird nach einem bestimmten Schema evaluiert und wenn notwendig, werden Konsequenzen aus dem auftretenden Risiko gezogen.
- Hein, Taschenatlas Pharmakologie, Thieme (Verlag), 8. Auflage, 2019
- Practical Aspects of Signal Detection in Pharmacovigilance, Report of CIOMS Working Group VIII, 2010
- Pharmakovigilanz, https://www.pei.de/... (Abrufdatum 01.01.2023)