Die bestehenden Arzneimittel-Engpässe haben in den vergangenen Monaten bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nicht nur die von vielen Kindern in der Erkältungszeit benötigten Fiebermedikamente, sondern auch Krebsmittel und Notfallmedikamente können nicht in ausreichender Menge geliefert werden. Kurz vor Weihnachten kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Einführung verschiedener Maßnahmen an, die die Situation entschärfen sollen. Wie es zu den Arzneimittel-Engpässen kommen konnte und wie versucht wird, diese zu beheben, dazu mehr in diesem Magazin-Beitrag.
Arzneimittel-Engpässe – Die aktuelle Situation
Durch die bestehenden Arzneimittel-Engpässe erhalten viele Patienten/-innen in Apotheken zurzeit oft nur mit Schwierigkeiten bestimmte Medikamente. Die betroffenen Arzneimittel sind dabei unterschiedlichster Natur, gemein ist den meisten jedoch, dass es sich um Generika handelt, die außerhalb Europas produziert werden. Laut dem Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) handele es sich um einen Lieferengpass und keinen Versorgungsengpass, von rund 100.000 in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln sei für etwa 300 ein Lieferengpass gemeldet, rund zehn Meldungen wurden jedoch im November als versorgungskritisch eingestuft.
Im Dezember lag die Zahl schon bei 51 Arzneimitteln mit 17 Wirkstoffen. Teilweise kann auf Medikamente mit ähnlichem Wirkmechanismus ausgewichen werden, in vielen Fällen haben diese Medikamente jedoch vermehrt Wechsel- und Nebenwirkungen. Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, nennt die Lage „schlimm“ und betont, so etwas in über 30 Berufsjahren nicht erlebt zu haben.
Welche Arzneimittel sind betroffen?
In diesem Winter bemerken viele Familien die Arzneimittel-Engpässe bei Paracetamol- und Ibuprofen-Säften, die Kindern bei Fieber und Schmerzen verabreicht werden. Aber auch Krebsmedikamente wie das bei Brustkrebs eingesetzte Tamoxifen und Antibiotika wie Amoxicillin sind von Lieferengpässen betroffen. Seit Anfang des Jahres ist unter anderem das Notfallmedikament Alteplase rar. Dieses wird zur Behandlung von Schlaganfällen, Embolien und Herzinfarkten eingesetzt und ist damit lebenswichtig. Alternativen sind oft nicht verfügbar.
Eine Liste der gesamten von den Arzneimittel-Engpässen betroffenen Medikamenten kann auf der Website des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte eingesehen werden.
Arzneimittel-Engpässe – Gründe
In den letzten Jahren ist die Produktion vieler Arzneimittel in günstigere Länder wie China und Indien verlegt worden: Laut einer Studie des Pharmaverbands vfa liegen rund 68 Prozent der Produktionsorte für europäische Medikamente in Asien. Gleichzeitig wurde durch den Abschluss besonders günstiger Verträge die Medikamentenproduktion auf wenige Anbieter beschränkt, was zu einer Abhängigkeit von einzelnen Anbietern und Produktionsstellen führt.
Wenn dort Probleme bei der Produktion wie die Beschaffung der Ausgangssubstanzen, Verunreinigungen im Produktionsprozess oder Lieferkettenprobleme auftreten, zeigt sich dies in Europa durch Arzneimittel-Engpässe. Besonders ältere Medikamente, deren Produktion nicht mehr durch Patente auf einen Produzenten beschränkt ist, sind betroffen. Durch zunehmenden Ökonomisierungszwang habe sich laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine sogenannte „Discounter“-Politik in Bezug auf die Arzneimittelversorgung entwickelt, die die Bedeutung einer garantierten Versorgungssicherheit hinter die möglichst billiger Preise stelle.
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Vergütung von Medikamenten
Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten Medikamentenkosten entsprechend sogenannter Festbeträge. Diese werden in einem zweistufigen Verfahren, in das der Gemeinsame Bundesausschuss und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen involviert sind, festgelegt. Wenn die Kosten für verschriebene Medikamente über dem bestimmten Festbetrag liegen, muss der/die Patient/in die Differenz tragen.
Ein zusätzlicher Faktor in der Preisgestaltung sind Rabattverträge, die zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Medikamentenanbietern getroffen werden. Die Krankenkassen erhalten durch die Beschränkung auf ein bestimmtes Generikum teils deutlich günstigere Konditionen, im Umkehrschluss bedeutet das für die Versicherten, dass sie nur dieses Generikum erstattet bekommen.
Was ist ein Generikum?
Wird ein neues Medikament entwickelt, lassen sich Hersteller dieses im Regelfall patentieren. Die Patente, die meist 20 Jahre lang gültig sind, verbieten die Nachahmung des Produktes durch andere Hersteller. Nach Ablauf des Patentschutzes können jedoch auch andere Unternehmen den vorher geschützten Wirkstoff produzieren und vermarkten. Diese „Nachahmerprodukte“ werden auch Generika genannt und sind oft deutlich günstiger als das Originalprodukt. 2010 waren rund 71 Prozent der verschriebenen Medikamente Generika.
Arzneimittel-Engpässe – Gegenmaßnahmen
Durch die Verschärfung der Situation der Arzneimittel-Engpässe ist der Ruf nach einer innereuropäischen Arzneimittel-Produktion immer größer geworden. Von dieser erhofft man sich vor allem eine höhere Zuverlässigkeit und krisensicherere Produktionssituation. Um genügend Anreize für die Errichtung einer europäischen Produktionsstätte zu schaffen, soll das Vergütungssystem für Medikamente überarbeitet werden. Erste Versuche sollen Anfang des Jahres starten, um erst einmal die Versorgung mit pädiatrischen Medikamenten zu garantieren. Geplante Angriffspunkte sind:
- Lockerung der Preisregulierung für Kinderarzneimittel: Es sollen bis zu 150 Prozent des Festbetrages von einzelnen Medikamenten durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Hierdurch soll es mehr Alternativen geben. Außerdem sollen bei Kinderarzneimitteln keine Rabattverträge mehr angewendet werden.
- Die Produktionsstandorte von Medikamenten sollen breiter gefächert werden, um die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern zu verhindern.
- Da Lieferungen aus Asien zusätzliche Unsicherheiten bieten, sollen bei der Ausschreibung von Aufträgen durch die Krankenkassen Standorte berücksichtigt werden. Das soll neben der Höhe des Medikamenten-Preises über die Vergabe entscheiden. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sollen so zuverlässigere europäische Hersteller bevorzugt werden.
- Mit der Vergabe von Kassenverträgen werden Hersteller zur Erstellung von Medikamentenlagern von mehreren Monaten verpflichtet, um so akute Lieferengpässe abpuffern zu können.
- Mehr Freiheit für Apotheker/innen: Die Abgabe von wirkstoffgleichen Arzneimitteln oder das Ausweichen auf eine andere Darreichungsform soll erleichtert werden. „Müssen sie dafür mit dem Arzt Rücksprache halten, wird das zusätzlich honoriert.“, so Karl Lauterbach. Die Pauschale von 50 Cent wird von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände als „Frechheit“ bezeichnet.
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