Ende Februar hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seinen Gesetzentwurf für die Reform der Pflegeversicherung vorgelegt. Ob es sich um einen großen Wurf handelt, darf bezweifelt werden. Jedenfalls gibt es bereits reichlich Kritik und einige Fragen bleiben offen.
Tatsächlich gleicht die Reformaufgabe der berühmten Quadratur des Kreises. Auf der einen Seite sollen klaffende Deckungslücken in der Finanzierung der Pflegeversicherung geschlossen werden, auf der anderen Seite geht es um Kostenentlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Und um es vollends kompliziert zu machen, muss das Gesetz auch noch Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine stärkere Berücksichtigung von Kindern bei den Versicherungsbeiträgen umsetzen.
Prekäre Finanzlage der Pflegekassen – Milliarden-Defizite und Corona-Lasten
Doch der Reihe nach: Die Finanzlage der Pflegekassen ist prekär. Bereits im vergangenen Jahr klaffte eine Deckungslücke von 2,25 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürften es bis zu drei Milliarden Euro werden. Außerdem lasten auf den Kassen immer noch Zusatzkosten von 5,5 Milliarden Euro durch die Corona-Pandemie. Ein weitere finanzielle Bürde sind die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, die bisher ebenfalls von den Pflegekassen geschultert werden müssen.
Die Ampelparteien hatten im Koalitionsvertrag eine Finanzierung beider Ausgabenposten aus Steuermitteln vereinbart. Bisher blieb dieses Versprechen allerdings unerfüllt. Krankenkassen und Sozialverbände haben deswegen Brandbriefe an den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister geschickt, in denen die Bundeszuschüsse angemahnt werden.
Ob es etwas hilft – angesichts vieler Begehrlichkeiten und knapper Haushaltsmittel könnte das Anliegen auf der Strecke bleiben. Lauterbachs Gesetzentwurf jedenfalls schweigt sich zu dem Thema aus. Seine Lösung zur Verbesserung der finanziellen Situation der Pflegekassen sind Beitragserhöhungen. Diese sollen schon zum 1. Juli wirksam werden, weil spätestens bis zu diesem Zeitpunkt auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt sein müssen.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Pflegebeiträge sollen zum 1. Juli 2023 deutlich steigen
Lauterbachs Gesetzentwurf sieht zum 1. Juli eine allgemeine Beitragsanhebung um 0,35 Prozentpunkte vor. Kinderlose müssen zusätzlich 0,25 Prozentpunkte mehr durch die Erhöhung des “Kinderlosenzuschlags” berappen. Eltern mit mehr als einem Kind werden dagegen entlastet. Ab dem zweiten bis zum fünften Kind soll der Beitragssatz um 0,15 Prozentpunkte pro Kind sinken. Als Ergebnis bleibt: Für das Gros der Pflegeversicherten wird der Beitrag zur Pflegeversicherung teurer. Nur Kinderreiche erfahren unter Umständen eine Entlastung. Hierzu einige Beispiele:
- Für Kinderlose erhöht sich der Beitrag ab Juli von bisher 3,4 Prozent auf 4,0 Prozent (0,35 Prozent allgemeine Beitragsanhebung + 0,25 Prozent Kinderlosenzuschlagsanhebung).
- Für Eltern mit einem Kind steigt der Beitrag von 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent.
- Für Eltern mit zwei Kindern erhöht sich der Beitrag von 3,05 Prozent auf 3,25 Prozent (0,35 Prozent allgemeine Beitragssteigerung abzüglich 0,15 Prozent Beitragsentlastung für ein Kind).
- Ab dem vierten Kind wird die Pflegeversicherung sogar günstiger. Hier wären dann bei vier Kindern 2,95 Prozent statt bisher 3,05 Prozent Pflegebeitrag zu zahlen. Der allgemeinen Beitragserhöhung von 0,35 Prozentpunkten stünden nämlich Entlastungen für drei Kinder von 3 x 0,15 Prozentpunkten = 0,45 Prozentpunkte gegenüber.
Bei Arbeitnehmern/-innen trägt der/die Arbeitgeber/in die Beitragserhöhung zur Hälfte. Der Kinderlosenzuschlag muss allerdings von Arbeitnehmern/-innen alleine geschultert werden.
Entlastung bei Heimkosten und Dynamisierung der Pflegeleistungen
Auf der Entlastungsseite will Lauterbach folgende Maßnahmen per Gesetz festschreiben:
- Die zum 1. Januar 2022 eingeführten Leistungszuschläge zur Begrenzung der Eigenanteile bei den Pflegekosten sollen schon im kommenden Jahr um fünf bis zehn Prozentpunkte steigen. Pflegebedürftige im Heim mussten 2022 im Schnitt laut Ersatzkassenverband vdek 2.411 Euro monatlich aus eigener Tasche zahlen, 278 Euro mehr als im Jahr zuvor. Ob mit der Anhebung der Leistungszuschläge der Trend zu höheren Eigenanteilen gebrochen wird, muss bezweifelt werden. Denn die Leistungszuschläge beziehen sich nur auf die reinen Pflegekosten, nicht auf Kosten für Heimunterbringung und -verpflegung sowie Investitionskosten. Auch diese Kosten dürften weiter steigen.
- Für Geld- und Sachleistungen in der Pflege soll künftig eine automatische Dynamisierung gelten, die der allgemeinen Inflationsentwicklung Rechnung trägt. Die Leistungsdynamik soll in zwei Stufen zum 1.1.2025 und 1.1.2028 eingeführt werden.
- Die Zahlung von Pflegeunterstützungsgeld soll auf 10 Arbeitstage pro Kalenderjahr ausgeweitet werden. Das Geld ist für pflegende Angehörige gedacht, die sich kurzeitig für die Pflege im Beruf freistellen lassen, um Verdienstausfälle auszugleichen.
- Eine weitere Maßnahme betrifft die Zusammenlegung der Leistungsbeträge für die Verhinderungspflege und die Kurzzeitpflege, um eine flexiblere Nutzung zu ermöglichen.
- Lauterbach will außerdem mit den Zusatzeinnahmen auch innovative Projekte in der Pflege unterstützen und bestehende Förderungen verlängern.
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Ob das Kalkül aufgeht?
Die höheren Beiträge zur Pflegeversicherung sollen bereits in diesem Jahr 3,15 Milliarden Euro Mehreinnahmen bei den Pflegekassen generieren, ab nächstem Jahr sogar 6,6 Milliarden Euro. Die Mehrausgaben durch Entlastungen werden dagegen auf rund drei Milliarden Euro im Jahr beziffert. So ist zumindest die Rechnung im Gesetzentwurf. Ob das Kalkül auf dem Papier aufgeht, muss sich allerdings in der praktischen Umsetzung erst zeigen.
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- Lauterbach will die Beitragssätze in der Pflege erhöhen, https://www.faz.net/... (Abrufdatum: 11.03.2023)
- Debatte um geplante Beitragserhöhungen zur Pflegeversicherung, https://www.welt.de/... (Abrufdatum: 11.03.2023)
- Warum Lauterbachs Pflegereform Lücken hat, https://www.tagesschau.de/... (Abrufdatum: 11.03.2023)
- Lauterbach plant höhrere Beiträge in der Pflegeversicherung, https://www.handelsblatt.com/... (Abrufdatum: 11.03.2023)