Ab dem 1. Juli 2023 tritt für Einrichtungen der vollstationären Langzeitpflege das neue Verfahren zur Personalbemessung (PeBeM) in Kraft und löst die bisherige Fachkraftquote ab. Vor allem die Altenpflege ist von den Änderungen betroffen. Bis Dezember 2025 gilt eine Übergangsphase, spätestens dann müssen sich aber Einrichtungen in ganz Deutschland umgestellt haben. Der folgende Artikel fasst die Neuerungen zusammen.
So funktionierte die Personalbemessung in der Pflege bisher
Eine bundeseinheitliche Regelung zur Personalbemessung in der stationären Pflege gab es in Deutschland bisher nicht. In einzelnen Bundesländern richtete sich die Mitarbeiterquote nach dem Verhältnis von Bewohnern/-innen zu Pflegekräften. Darüber hinaus haben Einrichtungen der vollstationären Langzeitpflege die sogenannte Fachkraftquote zu berücksichtigen. Demnach muss es sich bei der Hälfte des Personals um Pflegefachkräfte handeln. Das sind allerdings nur Richtwerte, die von den Pflegekassen mit den Trägern der einzelnen Pflegeeinrichtungen ausgehandelt werden.
Doch während die Bevölkerung immer älter wird, fehlt es den Pflegeeinrichtungen an Fachkräften. Ein ausreichender Personalschlüssel kann nicht mehr überall gewährleistet werden. Damit eine gute und professionelle pflegerische Versorgung sichergestellt werden kann, haben die Bundesministerien für Gesundheit und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Februar 2021 eine Roadmap zur schrittweisen Einführung eines neuen Personalbemessungsverfahrens erlassen.
Grundlage für das neue System, kurz PeBeM genannt, bildet eine Studie des Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang von der Universität Bremen. Die Analyse der Daten aus 62 Pflegeeinrichtungen kommt zu dem Schluss, dass in allen Häusern ein Mehrbedarf an Pflegekräften besteht. Um den Pflegebedarf abzudecken, werden 36 Prozent mehr Beschäftigte benötigt, umgerechnet 100.000 Vollzeitstellen. Hauptsächlich fehlen qualifizierte Pflegeassistenten/-innen mit ein- oder zweijähriger Berufsausbildung. Eine weitere Erkenntnis: Pflegeeinrichtungen müssen verstärkt in die Personal- und Organisationsentwicklung investieren.
Demografischer Wandel
Der demografische Wandel bezeichnet das Altern der Bevölkerung im Verhältnis zur Geburtenrate. In Deutschland stehen jüngere Generationen der Aufgabe gegenüber, eine alternde Bevölkerung zu versorgen, wie auch deren Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt aufzufangen. In der Pflege verschärft sich dieses Phänomen, da hier beide Probleme zusammenkommen: Eine immer geringere Zahl an Pflegefachkräften trifft auf immer mehr pflegebedürftige Menschen.
Welche Änderungen bringt die PeBeM?
Im Juni 2023 ist es nun soweit und das im 11. Sozialgesetzbuch geregelte neue Verfahren zur Personalbemessung (§ 113 c SGB XI) tritt in Kraft. Die Roadmap der Bundesregierung sieht zur Umstellung eine Übergangsphase bis Dezember 2025 vor. Möchten Einrichtungen Verhandlungen mit der Pflegekasse aufnehmen, müssen sie jedoch bereits jetzt ihre Personalbemessung darlegen.
Die neuen Regelungen gelten für alle Einrichtungen der vollstationären Langzeitpflege und betreffen damit vor allem die Altenpflege. Für teilstationäre Einrichtungen und die ambulante Pflege ermittelt die Rothgang-Studie zwar ebenfalls einen Mehrbedarf an Personal, das Personalbemessungsverfahren lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres übertragen.
Welche Änderungen kommen nun konkret auf die Altenpflege zu? Der grundlegende Gedanke der Rothgang-Studie: Die Pflegeeinrichtungen sollen individuell ihren Personalbedarf und Personalmix ermitteln – den sogenannten Case-Mix.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Case-Mix statt Fachkraftquote
Anders als die seit 1993 bestehende Fachkraftquote orientiert sich der Case- oder Qualifikations-Mix an der Anzahl der Pflegebedürftigen in der jeweiligen Einrichtung sowie an deren Pflegegrad. Das Personal wird dabei in drei Qualifikationsstufen eingeteilt:
- Pflegefachkräfte
- Pflegeassistenten/-innen mit ein- bis zweijähriger Ausbildung
- Pflegehilfskräfte mit geringem Ausbildungsstand
Der Case- oder Qualifikationsmix soll den Einrichtungen dabei helfen, ihre Personalressourcen gezielt auf den Pflegebedarf der Patienten/-innen abzustimmen. Einrichtungen mit vielen pflegeintensiven Bewohnern/-innen benötigen zum Beispiel mehr Pflegefachkräfte. Seniorenwohnheime, deren Bewohner/innen einen geringen Pflegegrad aufweisen, sind dagegen eher auf Hilfs- oder Assistenzkräfte angewiesen.
Fachkraftaufgaben an Assistenz- und Hilfskräfte abtreten
Das neue Verfahren zur Personalbemessung geht Hand in Hand mit den Vorgaben gemäß § 4 Pflegeberufegesetz (PflBG). Die sehen vor, dass examinierte Pflegefachkräfte in Zukunft nur noch Aufgaben übernehmen, die tatsächlich eine Fachkraft erfordern – sogenannte Vorbehaltsaufgaben. Andere pflegerische Aufgaben werden an das Assistenz- und Hilfspersonal abgetreten. Das soll den Bedarf an Fachkräften in der Pflege senken und das vorhandene Fachpersonal entlasten.
Ausbildungsplätze als Altenpfleger/in
Wie soll der Personalbedarf gedeckt werden?
Eine Entlastung der Fachkräfte erscheint angesichts des derzeitigen Personalmangels sinnvoll. Allerdings sind nicht nur Pflegefachkräfte schwer zu finden, es mangelt auch an Assistenz- und Hilfskräften. In den Einrichtungen waren diese lange nicht gefragt, da sie viele Aufgaben nicht übernehmen durften. Dennoch sollen in naher Zukunft etwa 30 Prozent der Stellen in der Langzeitpflege durch Pflegeassistenten/-innen mit ein- oder zweijähriger Ausbildung besetzt werden.
Damit dies gelingt, sieht die Roadmap der Bundesregierung einen stufenweisen Personalausbau vor:
- Die 1. Personalausbaustufe ist bereist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Einrichtungen, welche die Voraussetzungen gemäß Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) erfüllen, finanziert die Pflegeversicherung 20.000 zusätzliche Stellen für Assistenzkräfte.
- Die 2. Personalausbaustufe tritt zum 1. Juli 2023 mit der neuen Personalbemessung in Kraft. Geplant ist die Schaffung weiterer Finanzierungsoptionen für Assistenz- und Hilfskraftstellen.
- Die 3. Personalausbaustufe ist für den 1. Januar 2025 angesetzt.
Nach Bedarf sollen anschließend weitere Personalausbaustufen evaluiert und geplant werden. Zusätzlich läuft seit 2019 ein von den gesetzlichen Krankenkassen getragenes Stellenprogramm für 13.000 Pflegefachpersonen.
Langzeitpflegeeinrichtungen können darüber hinaus eigene Maßnahmen ergreifen, um neue Assistenzkräfte zu gewinnen. Ein wichtiger Schritt besteht darin, Hilfskräfte in die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistenzkraft einzubinden. Allerdings haben viele Pflegeschulen ihre Kurse für Hilfskräfte mangels Nachfrage eingestellt und müssen diese nun schnell wieder an den Start bringen sowie den neuen Vorgaben zur generalistischen Pflegeausbildung zufolge umgestalten.
In einigen Bundesländern besteht die Möglichkeit, Hilfskräfte mit mehrjähriger Berufserfahrung über eine externe Prüfung als Assistenzkräfte zu qualifizieren. Das erfordert eine gute Vorbereitung und Begleitung durch den Arbeitgeber.
PeBeM bringt neue Herausforderungen für Einrichtungen und Pflegepersonal
Mit dem neuen Verfahren zur Personalbemessung kommen sowohl auf die Pflegeeinrichtungen als auch auf das Personal noch weitere Herausforderungen hinzu. Durch die Einführung des Case-Mixes lösen sich gewohnte und etablierte Strukturen auf, Verantwortungs- und Aufgabenbereiche ändern sich, alte Rollenmuster gelten nicht mehr. Das erfordert ein Umdenken in der Leitung und beim Personal.
Letzteres gilt insbesondere für Pflegefachkräfte. In Zukunft sollen sie die Pflege nur noch in komplexen und instabilen Situationen selbst übernehmen. In anderen Fällen bleibt die Versorgung der Pflegebedürftigen den Assistenz- und Hilfskräften überlassen. Pflegefachkräfte kümmern sich stattdessen verstärkt um steuernde und koordinierende Aufgaben. In der Praxis bedeutet dies, dass sie in jedem individuellen Fall entscheiden müssen, ob sie die Pflege delegieren oder selbst übernehmen. Delegieren sie die pflegerischen Aufgaben, müssen sie die fachlich korrekte Ausführung überwachen. Assistenz- und Hilfskräfte sind dabei auf kontinuierliche Rückmeldungen durch das Fachpersonal angewiesen.
Für die Einrichtungen bedeutet die Umverteilung der Aufgaben, dass sie ihr Fachpersonal gut vorbereiten und entsprechend schulen müssen, insbesondere in Kommunikationsaufgaben, die für viele Fachkräfte ungewohnt sein dürften.
Die neue Personalbemessung führt aber auch zu einer Aufwertung des Pflegeberufs. Pflegefachkräfte können sich künftig um Aufgaben kümmern, die ihrer dreijährigen Ausbildung angemessen sind. Assistenz- und Hilfskräfte dürfen mehr Verantwortung übernehmen. Hilfskräfte erhalten zudem mehr Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung. Die Bundesregierung hofft, den Pflegeberuf durch diese Maßnahmen attraktiver zu machen.
Passende Stellenangebote für Pflegekräfte
Wer aktuell auf der Suche nach einer Stelle als Pflegefachkraft ist, findet bei Medi-Karriere gibt es zahlreiche Stellenangebote. Hier gibt es beispielsweise Jobs als Altenpfleger/in, Pflegefachkraft-Stellen oder allgemein freie Stellen in der Krankenpflege.
- Roadmap BMG, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... (Abrufdatum: 06.06.2023)