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So klein die Schilddrüse ist, so essenziell ist die bedarfsgerechte Bildung der Schilddrüsenhormone für nahezu alle Vorgänge innerhalb des Körpers. Ernährungsbedingte Jodmangelzustände und autoimmune Erkrankungen sind die häufigsten Auslöser von Hormonentgleisungen. Der folgende Artikel beschreibt den Aufbau und die Funktion der Schilddrüse und stellt typische Schilddrüsenerkrankungen vor.
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Schilddrüse – Definition
Bei der Schilddrüse (Latein: Glandula thyreoidea) handelt es sich um eine kleine Hormondrüse mit einem Gesamtvolumen von etwa 18 bis 25 Millilitern, die Hormone zur Aktivierung des Stoffwechsels produziert. Ihre Aktivität wird von der Hirnanhangsdrüse gesteuert und an den aktuellen Bedarf des Körpers angepasst, wobei dieser Regelkreis wiederum durch die Höhe der im Blut zirkulierenden Hormone beeinflusst wird.
Schilddrüse – Aufbau und Lage
Die Schilddrüse liegt knapp unterhalb des Kehlkopfes vor der Luftröhre. Sie besteht aus einem linken und einem rechten Lappen, die über eine schmale Gewebebrücke in der Mitte, den Isthmus, verbunden sind, wodurch eine charakteristische Schmetterlingsform entsteht. Innerhalb der Schilddrüsenlappen befinden sich viele kleine Läppchen, die wiederum flüssigkeitsgefüllte Binnenräume besitzen. In diesen Follikeln finden die Produktion und Speicherung der Hormone statt.
Schilddrüse – Funktion und Aufgaben
Unter dem Einfluss der Hirnanhangsdrüse bildet die Schilddrüse Hormone, die sowohl den Körperstoffwechsel aktivieren und Wachstum generieren als auch den Knochenaufbau fördern. Hierdurch werden Zucker- und Fettreserven mobilisiert, die Empfindlichkeit der Herzmuskelzellen, der Skelettmuskulatur und des Nervengewebes steigen an und die Körpertemperatur wird erhöht. Vor allem in der Neugeborenenphase und der frühen Kindheit ist eine regelrechte Schilddrüsenfunktion entscheidend für die geistige Reifung und die körperliche Entwicklung. Daher wird in Deutschland wenige Tage nach der Geburt bei allen Kindern ein Screening auf Erkrankungen der Schilddrüse durchgeführt.
Klinik: Kinderwunsch und Schwangerschaft
Bei unerfülltem Kinderwunsch und Zyklusstörungen sollte eine unerkannte Schilddrüsen-Unterfunktion als mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Während der Schwangerschaft wird zudem bei Risikopatientinnen mit bekannter oder familiärer Funktionsstörung der Schilddrüse aktiv nach einem Hormonmangel gesucht, da dieser zu Fehlgeburten und Frühgeburten führen kann und darüber hinaus schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind hat.
Schilddrüsenhormone
In den Zellen der Schilddrüse werden mithilfe von aus der Nahrung aufgenommenem Jodid zwei Vorläufer-Hormone gebildet, die sich zu den beiden „peripheren“ (im Blut zirkulierenden) Schilddrüsenhormonen L-Trijodthyronin (T3) und L-Thyroxin (T4) zusammenlagern. Mehrere Ketten dieser Hormone schließen sich wiederum unter Einwirkung der Thyreoperoxidase (TPO) zum Thyreoglobulin (TG), der Speicherform in den Follikeln der Schilddrüse, zusammen. Dieser Prozess wird durch die Ausschüttung von Schilddrüsen-stimulierendem Hormon, dem TSH, aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) angeregt.
Kleinere Zelleinheiten, die C-Zellen, liegen eingestreut im Schilddrüsengewebe und bilden Calcitonin. Dieses Hormon fördert die Aufnahme von Calcium und Phosphat in den Knochen, sowie die Calciumausscheidung, wodurch der Blutspiegel stabil gehalten wird.
Veränderung im Alter
Im Alter werden Stoffwechsel und Wachstum verlangsamt, wodurch der Hormonbedarf sinkt. Entsprechend wird bei einer reduzierten Schilddrüsenfunktion beim älteren Menschen die Hormonersatztherapie eher zurückhaltend eingesetzt, um den Körper nicht durch ein Zuviel an Hormon zu belasten.
Schilddrüse – Funktionsstörungen und Erkrankungen
Erkrankungen mit Auswirkung auf die Schilddrüsenhormonspiegel können sich sowohl innerhalb des Organs als auch im Bereich der Hirnanhangsdrüse abspielen. Häufig ergibt sich aus der Konstellation der zentralen und peripheren Hormone im Blut ein erster Hinweis auf die mögliche Ursache. Ein normwertiger TSH-Wert (ohne Einnahme einer Hormonersatztherapie) schließt eine Funktionsstörung der Schilddrüse nahezu aus.
Zu beachten ist, dass bei jedem Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung unbedingt auf die Gabe eines jodhaltigen Röntgenkontrastmittel verzichtet werden muss, da ansonsten das Risiko einer exzessiven Hormonproduktion droht. Hieraus kann eine lebensbedrohliche thyreotoxische Krise mit Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems entstehen, die in bis zu 20 Prozent der Fälle tödlich verläuft.
Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
Eine Schilddrüsenüberfunktion, Hyperthyreose, führt zu einer Überproduktion der peripheren Schilddrüsenhormone, welche den Grundstoffwechsel des Körpers mehr als nötig anregt. Die Körpertemperatur steigt stark an, es kommt zu vermehrtem Schwitzen, gesteigerten Reflexen mit Erschöpfung der Muskulatur im Verlauf der Erkrankung und einem beschleunigten Herzschlag. Das Risiko schwer kontrollierbarer Herzrhythmusstörungen ist hierunter deutlich erhöht.
Die Hyperthyreose entsteht häufig durch autoimmune Erkrankungen der Schilddrüse, allen voran dem Morbus Basedow und der frühen Phase der Hashimoto-Thyreoiditis. Hierbei bildet der Körper fälschlicherweise Antikörper gegen Thyreoglobulin (Anti-TG), die Thyreoperoxidase (Anti-TPO) oder den TSH-Rezeptor (TRAK). Lassen sich diese im Rahmen der Diagnostik einer Schilddrüsenüberfunktion nachweisen, so sollten weitere Untersuchungen zur Diagnosefindung erfolgen. Hierzu zählen die Sonographie (Ultraschall) und eine Szintigraphie,.
Ursachen für eine Hyperthyreose können darüber hinaus eine übermäßige Jodzufuhr und Schilddrüsenautonomien sein. Therapeutisch wird meist versucht, die Schilddrüsenüberfunktion mit sogenannten Thyreostatika zu unterbinden. Wenn dies nicht erfolgreich ist, bei einer großen Knotenstruma mit Autonomie und bei Verdacht auf eine bösartige Erkrankung muss die Schilddrüse teilweise oder ganz entfernt werden.
Schilddrüsenautonomie
Die Schilddrüsenautonomie führt zu einer unkontrollierten Hormonproduktion. Autonomiegebiete lassen sich meist gut mittels Szintigraphie nachweisen. Bei großen Autonomiegebieten besteht ein erhöhtes Risiko der akuten exzessiven Hormonfreisetzung unter Jodgabe, daher sollte ein Kontrastmitteleinsatz zur Diagnosestellung vermieden werden.
Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Eine Schilddrüsenunterfunktion, Hypothyreose, hat vor allem bei Neugeborenen dramatische Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung und muss unbedingt sofort behandelt werden. Daher erfolgt bei Neugeborenen am dritten Lebenstag eine TSH-Spiegel-Bestimmung, mit der die Hormonlage beurteilt werden kann.
Im weiteren Verlauf des Lebens ist die häufigste Ursache der Schilddrüsenunterfunktion die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis, seltener kommen Operationen an der Schilddrüse, eine Radiojodtherapie und vereinzelte Medikamente als Auslöser in Betracht. Neben gesteigerter Kälteempfindlichkeit und niedriger Körpertemperatur, trockener und blasse Haut sowie brüchigen Haaren bestehen bei der Hypothyreose träge Reflexe, eine verlangsamte Darmaktivität mit Verstopfung, ein langsamer Herzschlag sowie psychische Auffälligkeiten im Sinne depressiver Verstimmungen.
Struma
Bei der Struma handelt es sich um eine Vergrößerung der Schilddrüse, die mit einer normalen Hormonproduktion einhergeht. Nahezu jeder dritte Mensch in Deutschland ist von dieser Erkrankung betroffen, die sich als ausschließlich mit Ultraschall darstellbare Gewebezunahme, aber auch als gigantische Knotenstruma mit Verdrängung der umliegenden Gewebe präsentieren kann.
Die häufigste Ursache der Struma ist ein Jodmangel, dieser löst einen Wachstumsreiz mit Zellvermehrung und Vergrößerung der Schilddrüse aus. Die Gabe von Jod und peripheren Schilddrüsenhormonen kann zu einer Rückbildung der Struma um bis zu 20 Prozent führen. Bei Autonomieentwicklung, kalten Knoten oder Symptomen durch den Druck auf die Nachbarstrukturen kann unter Umständen eine operative Entfernung notwendig werden.
Zysten und Knoten in der Schilddrüse
Bei Zysten handelt es sich um in der Regel harmlose, flüssigkeitsgefüllte Binnenräume, Knoten hingegen können sowohl stoffwechselinaktiv als auch hormonproduzierend sein. Sie werden im Rahmen der Szintigraphie weiter abgeklärt. Dabei stellt sich das Gewebe im Bereich des Knotens bei einem warmen Knoten stärker dar als die Umgebung, bei einem heißen Knoten ist die restliche Schilddrüse meist kaum noch abbildbar. In warmen und heißen Knoten findet eine deutlich gesteigerte Hormonproduktion statt, es handelt sich jedoch in der Regel um gutartige Veränderungen, die durch eine thyreostatische Therapie oder Operation kontrollierbar sind. Kalte Knoten mit Binnenstruktur speichern kaum oder gar kein Radionuklid. Sie sind hochgradig verdächtig auf das Vorliegen einer Krebserkrankung.
Schilddrüsenentzündung
Entzündungen der Schilddrüse können sowohl infolge bakterieller Infekte der Ohren oder des Rachens als auch bei Viruserkrankungen auftreten, die Therapie richtet sich dann nach dem Auslöser. Die häufigste Ursache ist allerdings die autoimmun bedingte, also nicht-infektiöse, Hashimoto-Thyreoiditis. Im akuten Schub kann sie mit einer Überfunktion der Schilddrüse einher gehen, im Verlauf kommt es jedoch stets zu einer Unterfunktion, das Gewebe brennt regelrecht aus und die Hormonproduktion versiegt fast vollständig. Durch eine Hormonersatztherapie, deren Wirkung zunächst alle vier bis sechs Wochen überprüft werden muss, kann die Funktion der Schilddrüse ersetzt werden und eine normale Lebenserwartung erzielt werden.
Schilddrüsenkrebs
Schilddrüsenkrebs entsteht zumeist durch frühere Einwirkung radioaktiver Strahlung auf die Betroffenen (daher sollte beispielsweise das OP-Team neben Röntgenschürzen auch stets einen Schilddrüsenschutz anlegen, wenn Röntgenbilder im OP gemacht werden). Autonomien und große Strumen können ebenfalls zu Tumoren der Schilddrüse führen.
Den überwiegenden Anteil der Krebserkrankungen an der Schilddrüse machen die sogenannten gut differenzierten Karzinome aus, das papilläre und das follikuläre Karzinom. Beide nehmen noch am Jodstoffwechsel teil und können hierdurch mittels Radiojodtherapie behandelt werden. Zunächst erfolgt die vollständige operative Entfernung der gesamten Schilddrüse. Hiernach wird mittels einer Szintigraphie und der Laborchemie geprüft, ob noch Restgewebe oder Absiedlungen vorhanden sind, und diese dann durch die Aufnahme eines radioaktiven Jodpräparates vor Ort zerstört. Im Anschluss erfolgt eine hoch dosierte Hormonersatztherapie mit dem Ziel, mögliche Restzellen lebenslang zu unterdrücken.
C-Zell-Karzinome beziehen sich auf den Calcitonin-Stoffwechsel, sie werden primär operativ behandelt. Anaplastische Tumore der Schilddrüse sind so weit entartet, dass sie nicht mehr an der Hormonproduktion beteiligt sind und sich somit ebenfalls nicht für eine Radiojodtherapie eignen. Sie sind selten, gehen jedoch auch mit der schlechtesten Prognose einher.
Häufige Fragen
- Was sind heiße und kalte Knoten in der Schilddrüse?
- Warum entstehen kalte Knoten in der Schilddrüse?
- Sind kalte Knoten in der Schilddrüse bösartig?
- Wie entfernt man kalte Knoten in der Schilddrüse?
Der Begriff des heißen und kalten Knotens in der Schilddrüse entstammt der Szintigraphie-Untersuchung. Kalte Knoten nehmen dabei kaum oder gar kein radioaktives Material (Marker) auf und sind meist nicht mehr am regulären Stoffwechsel beteiligt. Umgekehrt sind warme und heiße Knoten Bereiche eines massiv gesteigerten Stoffwechsels.
Kalte Knoten entsprechen häufig Zysten der Schilddrüse, die ohne besonderen Anlass während des regulären Schilddrüsenstoffwechsels entstehen, gelegentlich auch infolge abgelaufener Entzündungen. Krebserkrankungen der Schilddrüse resultieren vor allem aus einer früheren Strahleneinwirkung oder entwickeln sich aus einer Struma heraus.
Die Wahrscheinlichkeit eines bösartigen Befundes ist grundsätzlich bei kalten Knoten deutlich höher als bei warmen oder heißen Knoten. Allerdings ist eine definitive Aussage ausschließlich auf der Basis einer Szintigraphie unmöglich, daher müssen stets weitere Untersuchungen und bei Verdacht auf Schilddrüsenkrebs auch die mikroskopische Abklärung angestrebt werden.
Bei einem kalten Knoten mit Binnenstruktur besteht immer der Verdacht auf eine Krebserkrankung der Schilddrüse. In diesem Falle ist eine operative Entfernung der gesamten Schilddrüse mit anschließender Radiojodtherapie notwendig.
- Herold, G. (2019). Schilddrüse. In G. Herold, Innere Medizin (S. 751-768). Köln: Herold, Gerd