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Multimorbidität stellt in der alternden Gesellschaft eine zunehmende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Insbesondere bei Versorgung der Betroffenen durch verschiedene ärztliche Fachdisziplinen besteht ein hohes Risiko für Polypharmazie, also die Einnahme von mindestens fünf verschiedenen Medikamenten. Diese können sich wiederum gegenseitig beeinflussen, was die Gesamtsituation weiter verschlechtern kann.
Dieser Artikel erläutert die Entstehung der Multimorbidität, gibt Tipps zur Prävention und zeigt Wege auf, von Multimorbidität Betroffene bestmöglich zu versorgen.
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Multimorbidität – Definition
Multimorbidität wird definiert als das gleichzeitige Vorliegen von mindestens drei Erkrankungen, die den Gesundheitszustand einer Person dauerhaft beeinträchtigen. Dabei können die Krankheitsbilder in einem ursächlichen Zusammenhang stehen oder auch isoliert auftreten.
Multimorbidität betrifft nach dem fünfzigsten Lebensjahr etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Jenseits der 60 Jahre ist bereits jeder Vierte von Multimorbidität betroffen. Diese besteht oft jahrzehntelang bis zum Lebensende, wobei über die Jahre weitere Krankheiten hinzukommen. Dies belastet nicht nur die Kranken selbst, sondern auch das Gesundheitssystem, das vielfache Arztkontakte, die Pflege der Betroffenen und deren medikamentöse Versorgung finanzieren muss.
Multimorbidität – Begünstigende Faktoren
Begünstigend für die Entwicklung einer Multimorbidität sind Verhaltensweisen und Lebensumstände, die das Entstehen einer oder mehrerer Erkrankungen fördern. Während sich genetische Veranlagungen, beispielsweise für rheumatische Erkrankungen, nicht beeinflussen lassen, kann man durch einen gesunden Lebensstil vielen Erkrankungen vorbeugen, die sowohl unabhängig als auch in wechselseitiger Beeinflussung auf den Körper wirken.
Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen begünstigen beispielsweise die Entstehung von Zuckerkrankheit, Bluthochdruck und Gefäßverkalkung. Während diese Krankheiten grundsätzlich unabhängig voneinander auftreten können, verstärken sie sich untereinander und bringen weitere Komplikationen mit sich. Dazu gehören beispielsweise Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle und Organinfarkte. Diese bergen wiederum das Risiko für Nierenschäden, Demenz und Pflegebedürftigkeit.
Für viele weitere Krankheiten bestehen ähnliche Kausalitätsketten, denn der menschliche Körper ist ein komplexes System und die meisten Prozesse wirken sich auf den gesamten Organismus aus.
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Multimorbidität – Formen
Bei der Multimorbidität kann man eine abhängige von einer unabhängigen Form unterscheiden. Eine klare Trennung beider Formen ist essenziell, denn sie wirken sich auf die individuelle Therapie- und Versorgungsplanung aus.
Abhängige Multimorbidität liegt vor, wenn sich die Krankheitsbilder aufeinander auswirken. Dies ist beispielsweise bei Erkrankungen von Herz und Niere der Fall, denn beide Systeme arbeiten eng zusammen.
Bei der unabhängigen Multimorbidität besteht kein Zusammenhang zwischen den Krankheitsbildern. So kann bei einem Patienten eine hochgradige Trübung der Augenlinsen gleichzeitig mit einer Demenz vorliegen, ohne dass hierbei ein Zusammenhang besteht.
Multimorbidität – Symptome
Charakteristische Symptome für das Vorliegen einer Multimorbidität gibt es nicht. Aufgrund der Fülle verschiedener Erkrankungen, die in beliebiger Kombination auftreten können, weist jeder multimorbide Patient einen individuellen Komplex von Beschwerden und Beeinträchtigungen auf. Zudem entscheiden die Grundvoraussetzungen, die jeder Betroffene mitbringt, über das Ausmaß der Symptome.
Multimorbidität – Therapie
Da sich Multimorbidität sehr individuell gestaltet, muss das behandelnde medizinische Personal für jeden Betroffenen eine Therapie oder Pflege entwickeln, die bestmöglich an die vorliegenden Erkrankungen angepasst ist.
Ein häufiges Problem dabei ist die Notwendigkeit der Einnahme vieler verschiedener Medikamente, die sich wechselseitig beeinflussen. Durch diese Polypharmazie können im schlimmsten Fall Symptome auftreten, die das Vorliegen weiterer Erkrankungen vortäuschen. Sie können außerdem zu einer fehlerhaften Anordnung zusätzlicher Medikamente führen. Auch eine nicht ärztlich abgesprochene Einnahme frei verkäuflicher Präparate aus Drogerie oder Apotheke steigert das Risiko für ungewollte Wechselwirkungen und Nebenwirkungen.
Polypharmazie und fehlerhaft verordnete Medikamente
Nicht nur die Einnahme zu vieler Medikamente kann sich schädlich auf die Gesamtprognose auswirken und zu Komplikationen bei multimorbiden älteren Menschen führen. Auch der Einsatz ungeeigneter Medikamente bei Senioren ist problematisch und sollte möglichst vermieden werden. Hierzu werden regelmäßig Listen wie die PRISCUS-Liste herausgegeben und aktualisiert. Sie stellen eine wertvolle Unterstützung bei der Behandlung multimorbider Patienten dar.
Die beste Therapie ist diejenige, die auf einer gründlichen Diagnostik der ursprünglich vorliegenden Erkrankungen beruht und diese adressiert. Denn insbesondere bei der abhängigen Multimorbidität können sich therapeutische Maßnahmen gegen eine Krankheit günstig auf alle Folgekrankheiten auswirken.
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Multimorbidität – Beispiel
Ein in der Praxis häufig anzutreffendes Beispiel für Multimorbidität ist das gleichzeitige Vorliegen von demenziellen Veränderungen der Betroffenen, eingeschränkter Nierenfunktion, Herzschwäche und diabetischer Stoffwechsellage. Alle Krankheiten gehen an sich mit einer eingeschränkten Langzeitprognose der Betroffenen einher, wobei die Herzschwäche besonders dringlich behandelt werden muss.
Im genannten Beispiel besteht eine abhängige Multimorbidität. Häufig liegt bei dieser Kombination von Erkrankungen eine Überwässerung des Körpers vor, die das Herz zusätzlich schwächt. Durchblutungsstörungen der verkalkten Gefäße im Gehirn, schwankende Blutzuckerspiegel und eine Anhäufung harnpflichtiger Stoffe, die eigentlich von Leber und Niere aus dem Körper eliminiert werden sollten, verstärken die Demenzsymptomatik.
Eine elegante Methode ist hierbei die Anwendung von Medikamenten, die den Blutzucker über eine vermehrte Zuckerausscheidung in der Niere senken, gleichzeitig dem Körper überschüssiges Wasser entziehen und somit das Herz-Kreislauf-System entlasten. Dies führt zu einer effizienteren Pumparbeit des Herzens, die auch die Versorgung des Gehirns verbessert und somit im günstigsten Fall die Symptome der Demenz milden kann.
Multimorbidität – Lebenserwartung
Wie stark die Multimorbidität das Gesamtüberleben beeinflusst, hängt von der Art der vorliegenden Erkrankungen ab. Dabei ist oft zu beobachten, dass die Prognose bei Kombination abhängiger Erkrankungen deutlich schlechter ist als beim isolierten Vorliegen der einzelnen Krankheiten. Dies ist unter anderem durch eine erhöhte Rate an Komplikationen zu erklären.
Multimorbidität – Empfehlung
Multimorbidität ist ein vielschichtiges Geschehen und verläuft sehr individuell. Grundsätzliche Empfehlungen zielen auf eine möglichst gesunde Lebensweise und die Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen und Check-ups ab. Je besser den einzelnen Krankheitsbildern vorgebeugt wird, desto eher kann das Eintreten einer Multimorbidität verhindert werden.
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Häufige Fragen
- Was ist der Unterschied zwischen Multimorbidität und Komorbidität?
- Was bedeutet Multimorbidität im Alter?
- Was ist der häufigste Faktor der Multimorbidität im Alter?
- Was ist psychische Komorbidität bei Multimorbidität?
Im Falle der Multimorbidität liegen mehrere Krankheiten bei einer Person parallel vor und wirken sich gleichrangig auf deren Gesamtzustand aus. Dagegen bedeutet Komorbidität das Bestehen einer Haupterkrankung (Indexerkrankung) und mehrerer Begleiterkrankungen, die durch die Indexkrankheit verursacht sind.
Multimorbidität im Alter ist sehr häufig zu beobachten und mit vielen Problemen assoziiert. Je nach Muster der vorliegenden Erkrankungen sind die Betroffenen mehr oder weniger beeinträchtigt, benötigen oft regelmäßige Arztkontakte und in vielen Fällen auch Pflege. Die Behandlung multimorbider Patienten ist dabei sehr komplex und erfordert das Vorliegen von Erfahrung und Wissen über die bestehenden Krankheiten. Bei zunehmender Alterung der Bevölkerung und Personalknappheit im Bereich der hausärztlichen Versorgung und der Pflege ergeben sich neben den Kosten logistische Herausforderungen in allen Bereichen.
Während das Alter an sich ein wesentlicher Risikofaktor für das Entstehen von Multimorbidität ist, scheint es viele weitere Einflüsse zu geben, deren Zusammenhänge teils noch unverstanden sind. Somit ist es kaum möglich, einen einzelnen Faktor auszumachen, der isoliert oder hauptsächlich die Multimorbidität bedingt. Im Hinblick auf demenzielle Entwicklungen wirken sich häufig soziale Isolierung und eine eingeschränkte Resilienz nachteilig aus. Es ist anzunehmen, dass einige Faktoren bereits in Kindheit und Jugend geformt werden und über die Jahre die Entwicklung einer Multimorbidität begünstigen oder verhindern.
Psychische Komorbidität bei Multimorbidität bedeutet das Auftreten von krankhaften emotionalen Auswirkungen als Reaktion auf die körperlichen Erkrankungen. Dies können unter anderem Ängste vor einer Verschlimmerung der Krankheitssymptome oder dem Voranschreiten einer unheilbaren Erkrankung, Gefühle von Ohnmacht, Hilf- und Hoffnungslosigkeit oder auch depressive Verstimmungen sein. Diese Komorbiditäten, die als Folge der Grunderkrankungen auftreten, führen wiederum zu Komplikationen und können im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.