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Die Bezeichnung als Dermatom lässt bereits den ersten Rückschluss auf eine Verbindung zur Haut zu. Das ist korrekt, doch was genau versteckt sich hinter dem Begriff und welchen klinischen Nutzen haben die Dermatome? Alles Informationen rund um das Thema sind hier im Artikel ausführlich beschrieben.
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Dermatom – Definition
Ein Dermatom beschreibt ein Hautareal, welches sensibel von einem Segment des Rückenmarks und dem dazugehörigen Spinalnerven innerviert und damit autonom versorgt wird. Das bedeutet, dass die Sinnesrezeptoren der Haut in diesem Abschnitt mit ihren Afferenzen zu jeweils einem Rückenmarkssegment ziehen. Dazu zählen zum Beispiel die Empfindungen für Schmerz, Temperatur, Vibration oder Druck. Die Systematisierung und Entdeckung der Dermatome gelang durch Erkrankungen wie Herpes Zoster (Gürtelrose) und anatomische Untersuchungen.
Dermatom – Funktionelle Anatomie
Die Dermatome sind streifenförmig entlang des Körpers angeordnet und entsprechen ihren dazugehörigen Rückenmarkssegmenten. Dementsprechend existieren von oben nach unten acht zervikale, zwölf thorakale, fünf lumbale und fünf sakrale Dermatome. Wegen diesem regulären Aufbau kann ein Hautareal genau zu einem Rückenmarkssegment zugeordnet werden.
Analoga für Dermatome
Analog zu den Dermatomen, die die Sensibilität der Haut repräsentieren, gibt es für die Motorik die Myotome und Sklerotome. Ein Myotom beschreibt alle Muskeln, die von einem Rückenmarkssegment innerviert werden, während ein Sklerotom alle Knochen umfasst, die mit dem zugehörigen Periost von einem Segment versorgt werden. Diese Begriffe finden ihren Einsatz allerdings meistens nur in Spezialkliniken.
Die Nerven, die das jeweilige Segment verlassen und in das Hautareal ziehen, treten in der Regel unterhalb ihres dazugehörigen Wirbelkörpers aus, mit Ausnahme der Zervikalnerven. Die ersten sieben Nervenpaare treten oberhalb des Wirbelkörpers aus. Da es allerdings acht Nerven und nur sieben Wirbel gibt, muss der achte Zervikalnerv unterhalb des siebten Halswirbels (C7) austreten. Ab diesen Punkt verlassen die darunter liegenden Nerven die Segmente ebenfalls unterhalb des Wirbelkörpers.
Embryologische Entwicklung
Die segmentale Gliederung der Dermatome beruht nach Sadler auf der Entwicklung der Somiten, den “Urwirbeln”. Aus diesen entstehen im Laufe der Entwicklung auch die Extremitäten, also Arme und Beine. Während anfangs also noch alle Dermatome strikt segmental und gerade angeordnet sind, verschieben sie sich im Laufe des Wachstums. Die auswandernden Zellen der Somiten, die die Grundlage für die Extremitäten bilden, nehmen die segmentale Innervation einfach mit, woraus sich die unsortiert wirkenden Dermatome der Extremitäten erklären.
Für ein leichteres Merken, welches Dermatom wo liegt, ist das Schema nach Mumenthaler hilfreich. Dafür stellt man sich den menschlichen Körper wie bei Beginn einer stehenden Vorbeuge im Yoga vor: Die Beine sind gestreckt, der Oberkörper ist in der Hüfte um 90 Grad nach vorne gebeugt, der Rücken gerade. Die Arme hängen parallel zu den Beinen locker zum Boden, die Handflächen zeigen nach innen. Die Dermatome in dieser Haltung erstrecken sich nun von oben nach unten segmental mit Beginn bei C2 und Ende bei S5.
Überblick des Faserverlaufs
Um Dermatome und ihre Gebiete besser verstehen zu können, lohnt sich ein Blick auf den Verlauf der sensiblen Fasern ab ihrer Entstehung. Von der Hinterwurzel (Radix posterior) ziehen die Fasern durch das Foramen intervertebrale, wo sie sich mit den motorischen Fasern vereinigen und den Spinalnerv bilden. Danach spalten sich die sensiblen Fasern in einen vorderen und hinteren Ast. Durch die embryologische Entwicklung der Extremitäten bilden sich Plexus, wo ein Faseraustausch stattfindet. Anschließend ziehen die Fasern in peripheren Nerven zu ihrem Versorgungsgebiet. Meist enden sie als rein sensible Hautnerven.
Die jetzt entstandenen Dermatome sind nicht scharf voneinander abgrenzbar, sondern gehen ineinander über. Jedes Dermatom hat demnach ein maximales Innervationsgebiet, das teilweise mit anderen Dermatomen überlappt. Die Innervation erfolgt dann von beiden.
Dennoch hat jeder Hautnerv ein eigenes Autonomiegebiet, wo er alleine innerviert. Fällt ein Segment aus, sind die Sensibilitätsstörungen am meisten ausgeprägt. Die wichtigsten Gebiete dafür sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.
Nerv | Autonomgebiet |
Nervus axillaris | Oberarm, M. deltoideus |
Nervus medianus | Palmarseite der Fingerspitzen von Zeige- und Mittelfinger |
Nervus ulnaris | Palmarseite der Fingerspitze vom kleinen Finger |
Nervus radialis | zwischen Daumen und Zeigefinger |
Nervus cutaneus femoris lateralis | Außenseite des Oberschenkels |
Nervus femoralis | Innenseite des Oberschenkels |
Nervus saphenus | Innenseite des Unterschenkels |
Nervus fibularis profundus | “Flip-Flop-Areal” zwischen erster und zweiter Zehe |
Nervus tibialis | Ferse, Fußsohle |
Dermatome – Überblick der Körperregionen
Die Dermatome des Rumpfes sind uniradikulär und unisegemental. Zu ihnen zählen die Dermatome Th1 bis Th12. Als Orientierungshilfe dient die Mammille, die das Segment Th4 kennzeichet, und der Bauchnabel, in wessen Höhe Th10 verläuft. In diesen beiden Segmenten treten auch oft Sensibilitätsstörungen auf.
Die Dermatome der Extremitäten werden aus verschiedenen Spinalnerven zusammengebaut, sind also entsprechend pluriradikulär und plurisegmental. Wichtige Plexus sind der Plexus cervicalis, Plexus brachialis und Plexus lumbalis und Plexus sacralis.
An der Oberen Extremität sind folgende Dermatome häufig betroffen und deshalb von klinischer Wichtigkeit:
- C5: Außenseite des Oberarms
- C6: Daumen
- C7: Mittelfinger
- C8: kleiner Finger
- Th1: Ellenbogen von medial (von der Mitte aus)
Analog dazu sind Kenntnisse über folgende Dermatome der Unteren Extremität von Vorteil:
- L1: Leiste
- L2: Innenseite des Oberschenkels
- L3: Innenseite des Knies
- L4: Innenseite des Unterschenkels
- L5: große Zehe
- S1: Rückseite des Oberschenkels und Unterschenkels, Ferse
Dermatom – Nutzen in der Klinik
Klinische Erkrankungen, die das System der Dermatome nutzen sind beispielsweise die Gürtelrose (Herpes zoster) oder der Bandscheibenvorfall. Die Gürtelrose bekommt ihren Namen durch ihr typisches Erscheinungsbild: ein Dermatom, meistens einseitig in der Region des Gürtels ist von einem Hautausschlag mit Bläschen befallen.
Das verursachende Virus zeigt sich in seiner Erstinfektion als Windpocken. Nach dem Abklingen dieser Phase dringt das Virus von der Haut in die Spinalganglien ein und verbleibt dort das gesamte Leben. Bei einer Immuninsuffizienz wird es reaktiviert. Das Virus gelangt über die sensiblen Nerven an die Haut und löst im entsprechendem Dermatom die Symptome aus. Momentan ist noch nicht geklärt, warum von dieser Reaktivierung nur bestimmte Dermatome betroffen sind.
Bei einem Bandscheibenvorfall tritt der Nucleus pulposus, der innere gallertartige Kern der Bandscheibe, aus seiner Begrenzung heraus und drückt auf umgebende Strukturen. Das kann entsprechend auch die sensiblen Fasern betreffen. Es kommt zu Sensibilitätsstörungen in Form von Missempfindungen, Kribbelparästhesien oder Taubheitsgefühlen im betroffenen Dermatom. Anhand dieser Symptome lassen sich auch teilweise Rückschlüsse auf die wahrscheinlich betroffene Bandscheibe ziehen. Treten beim Patienten Schmerzen oder Störungen der Sensibilität im Bereich des Halses und der Schulter auf, so weißt das auf ein C3/4-Syndrom hin.
Head-Zonen
Schmerz kann von den inneren Organen auf die Haut übertragen werden, was als übertragener oder reflektierter Schmerz bezeichnet wird. Die Schmerzen und viszerosensiblen Empfindungen der inneren Organe werden ebenfalls entlang der Spinalnerven zur Großhirnrinde geleitet. Dort haben sie aber keinen festen Platz und können nicht genau zugeordnet werden. Deshalb werden sie in das sensible Hautareal (Dermatom) des gleichen Spinalnerven geleitet.
Prominente Beispiele dafür sind die ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm bei einem Herzinfarkt oder Angina pectoris oder Schulterschmerzen bei einer Entzündung der Gallenblase.
Die Head-Zone beschreibt ein sehr empfindliches Hautareal, dem ein bestimmtes Organ zugeordnet ist. Sie kann sich auch über mehrere Dermatome erstrecken. Ein Überblick der wichtigsten Head-Zonen erfolgt in dieser Tabelle. Analog für die Myotome gelten die MacKenzie-Zonen.
- Schünke M et. al., Prometheus LernAtlas der Anatomie (Allgemeine Anatomie), 5. Auflage, Thieme
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage, Thieme
- Dermatom, https://www.pschyrembel.de/... , (Abrufdatum: 24.06.2024)
- Schmerztherapie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 24.06.2024)
- Herpes Zoster, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 24.06.2024)
- Bandscheibenprolaps, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 24.06.2024)