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Muttermilch ist seit jeher die natürliche Ernährungsquelle für Neugeborene und Säuglinge und wird oft als “flüssiges Gold” bezeichnet. Ihre komplexe Zusammensetzung, die sich dynamisch den Bedürfnissen des wachsenden Kindes anpasst, bietet nicht nur essenzielle Nährstoffe, sondern auch eine Vielzahl von immunologischen und biologischen Komponenten, die das Wachstum und die Entwicklung des Kindes unterstützen. In den letzten Jahrzehnten haben wissenschaftliche Studien immer mehr über ihre einzigartigen Vorteile und die potenziellen Herausforderungen aufgedeckt. Dieser Artikel untersucht die Eigenschaften und Zusammensetzung der Muttermilch, ihre Bedeutung für die frühkindliche Entwicklung und Gesundheit sowie die verschiedenen medizinischen Aspekte und potenziellen Beschwerden, die im Zusammenhang mit dem Stillen auftreten können.
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Muttermilch – Definition
Muttermilch (lac maternum) ist das Sekret, das von den weiblichen Brustdrüsen produziert wird und dient als Hauptnahrungsquelle für Neugeborene und Säuglinge. Sie enthält eine Mischung aus Proteinen, Fetten, Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen, die speziell auf die Bedürfnisse eines Säuglings abgestimmt sind. Muttermilch enthält auch Antikörper und lebende Zellen, die das Immunsystem des Säuglings unterstützen. Zudem sind Verdauungsenzyme, hormonelle Bestandteile und bioaktive Moleküle enthalten, die die Entwicklung des Kindes fördern. Die Zusammensetzung der Muttermilch passt sich im Laufe der Zeit den sich verändernden Bedürfnissen des wachsenden Kindes an.
Muttermilch und Frauenmilch
Die Begriffe „Muttermilch“ und „Frauenmilch“ werden häufig synonym verwendet. Während Muttermilch das Sekret ist, was von der Mutter für das eigene Kind produziert wird, ist Frauenmilch unabhängig vom Kind als Sekret der weiblichen Brustdrüse definiert. Deswegen ist letzterer eigentlich der neutralere Begriff.
Muttermilch – Zusammensetzung und Nährwerte
Die Zusammensetzung der Muttermilch ändern sich mit der Zeit nach der Geburt. Zunächst entsteht eine fettarme und proteinreiche Vormilch (Kolostrum), die unmittelbar nach der Geburt (3 bis 5. Tag post partum) produziert wird. Sie zeichnet sich durch die besonders hohe Zahl immunkompetenter Zellen und Antikörper (IgA) aus. Es folgt über eine Spanne von etwa drei Wochen die Übergangsmilch, die vor allem durch ihren hohen Fettgehalt ausgezeichnet ist. Erst dann entwickelt sich die reife Frauenmilch, die bis zum 4. bis 6. Lebensmonat die optimale Nahrungszusammensetzung für die Versorgung und Entwicklung des Säuglings darstellt.
Proteine
Der Proteingehalt menschlicher Muttermilch liegt deutlich unter dem von der Milch geläufiger Nutztiere wie Ziege, Schaf oder Kuh. Den Hauptteil nehmen Kasein und alpha-Laktalbumin ein. Von ihnen spricht man auch als nutrive oder verdauliche Proteine. Darüber hinaus befinden sich funktionale (nicht verdauliche) Enzyme in der Muttermilch, die Laktoferrin, IgA und Lysozym, aber auch beispielsweise Harnstoff und Taurin einbeziehen.
Kohlenhydrate
Der Hauptenergielieferant in der Muttermilch ist Laktose. Dieser Milchzucker macht, gemeinsam mit anderen Polysacchariden und weiteren Zuckerverbindungen, bei ausgereifter Milch etwa 7 Prozent aus und deckt 40 Prozent des Energiebedarfs des Neugeborenen.
Lipide
Auch die Lipide in der Muttermilch decken 40 Prozent des Energiebedarfs des Säuglings. Um die Bildung von Prostaglandinen, Thromboxanen und Leukotrienen zu unterstützen, finden sich viele ungesättigte Fettsäuren in der Milch, aber auch Cholesterin, Phospholipide und fettlösliche Vitamine.
Mineralien
Mineralstoffe, wie Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Phosphor, Zink und Mangan kommen ebenfalls in der Muttermilch vor. Auch hier liegt der Anteil deutlich unter dem Gehalt in der Milch von Nutztieren.
Eine Frage des Bedarfs
Menschliche Säuglinge haben ein deutlich größeres Zeitfenster in dem sie wachsen können, als die Kinder von beispielsweise Kühen. Das wirkt sich auf die Zusammensetzung der Milch aus, die bei ihnen mehr Proteine und Mineralien, die das Wachstum unterstützen, enthält.
Schadstoffe
Schadstoffe aus dem Blut der Mutter können über die Muttermilch auf den Säugling übertragen werden. Dies betrifft vor allem Toxine, die durch den Konsum von Nikotin, Alkohol und anderen Substanzen ins Blut gelangen, aber auch Medikamente und Erreger. Auch aus dem Fettgewebe lösen sich in der Stillzeit vermehrt schädliche Substanzen und gelangen ins Blut. Aus diesem Grund müssen Stillende besonders auf eine ausreichende Energiezufuhr achten.
Nährwerte
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Nährwerte der menschlichen Muttermilch im Vergleich zu Kuhmilch:
Protein in g/100 ml | Lipide in g/100 ml | Kohlenhydrate in g/100 ml | Mineralstoffe in g/100 ml | Energie in kcal/100 ml | |
Muttermilch | 0,9 – 1,0 | 3,5 – 4,0 | 7,0 | 0,2 | 67 – 70 |
Kuhmilch | 3,3 | 3,5 | 4,8 | 0,7 | 66 |
Quelle: Duale Reihe Pädiatrie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018
Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzungen – gerade wegen der Auswirkung des Proteins auf die Nieren – ist Kuhmilch keine geeignete Alternative zur Muttermilch.
Wie entsteht Muttermilch?
Für die Entstehung der Muttermilch sind drei wesentliche Vorgänge verantwortlich:
- Galaktogenese
- Galaktopoese
- Galaktokinese
Die Galaktogenese bezeichnet dabei die Milchproduktion, die vor allem durch die Ausschüttung des Hormons Prolaktin begünstigt wird. Letzteres schüttet der Körper ab der 8. Schwangerschaftwoche aus. Der Milcheinschuss beginnt meist um den 3. Tag post partum und kann in Kombination mit (schmerzhaft) geschwollener Brust mit deutlicher Venenzeichnung und knotiger Brustdrüse, manchmal in Kombination mit erhöhten Temperaturen, auftreten.
Stillen
Das erste Anlegen des Neugeborenen an die menschliche Brust erfolgt nach Leitlinien innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt. Der Milcheinschuss erfolgt meist aber erst um den dritten nachgeburtlichen Tag. Deswegen ist es nicht verwunderlich, das Säuglinge, die natürlich gestillt werden, in den ersten Tagen post partum zunächst etwas stärker abnehmen als solche, die Muttermilchersatznahrung erhalten.
Prolaktin ist auch an der Galaktopoese beteiligt, dem Milchbildungsreflex. Für die Glaktokinese – die Milchausschüttung oder auch Milchflussreflex – ist vor allem Oxytocin verantwortlich. Es wird beim Saugen des Kindes an der Brustwarze ausgeschüttet und stimuliert die Muskelzellen der Drüsengänge der Milchdrüse. Diese sorgen für die Milchejektion. Die Ausschüttung des Oxytocin beim Säugen sorgt auch für Nachwehen, die die Heilung und Rückbildung des Uterus fördern.
Muttermilch – Erkrankungen und Beschwerden
Muttermilch kann in seltenen Fällen mit bestimmten Erkrankungen und Beschwerden in Verbindung gebracht werden. Mastitis, eine Brustentzündung, tritt auf, wenn Milch in den Brustdrüsen zurückgehalten wird und sich Bakterien vermehren, was zu Schmerzen und Fieber führt. Einige Säuglinge können allergisch auf Proteine in der Muttermilch reagieren (Galaktosämie oder hereditäre Laktoseintoleranz), insbesondere wenn die Mutter bestimmte Nahrungsmittel konsumiert, was zu Symptomen wie Hautausschlag, Magen-Darm-Beschwerden oder Atemproblemen führen kann.
Viren wie HIV und Hepatitis B können durch Muttermilch übertragen werden, weshalb infizierten Müttern von Ärzten oft geraten wird, nicht zu stillen. Weitere Kontraindikationen für das Stillen sind:
- weitere Infektionen, wie Lues
- Mastitis/Abszesse
- schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter
- Medikamente, vor allem Antibiotika, Kumartine, Thyreortatika, Antiepileptika, Psychopharmaka und Opioide
- Anatomische Fehlbildungen beim Säugling (beispielsweise Lippen-Kiefer-Gaumenspalte)
Insgesamt hat Stillen jedoch positive Auswirkungen auf Mutter und Kind und senkt beispielsweise das Brustkrebsrisiko, das Risiko des plötzlichen Kindstods und verbessert die Bindung zwischen Mutter und Kind.
- Ackermann H, Aden K, Aurich M, Becker G, Bley C, Centgraf M, Dettenkofer M, Dörges S, Ebner W et al. Muttermilch. In: Ackermann H, Aden K, Aurich M, Becker G, Bley C, Centgraf M, Dettenkofer M, Dörges S, Ebner W et al., Hrsg. AllEx – Alles fürs Examen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2014
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- Ernährung des Säuglings, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum 24.06.2024)