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Das Motoneuron ist entscheidend für die Steuerung von Muskelbewegungen. Als spezialisierte Nervenzellen übertragen sie elektrische Signale vom Gehirn oder Rückenmark zu den Muskeln im gesamten Körper. Ohne Motoneurone wäre die präzise und koordinierte Bewegung des Körpers nicht möglich. Dieser Artikel beschreibt den Aufbau, die Physiologie und klinische Aspekte dieser wichtigen Zellen.
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Motoneuron – Definition
Ein Motoneuron ist eine spezialisierte Nervenzelle des zentralen und peripheren Nervensystems, die für die Weiterleitung von Nervenimpulsen an Muskelfasern verantwortlich ist. Diese Neuronen spielen eine zentrale Rolle in der Steuerung der Muskelbewegungen, indem sie Signale vom Gehirn oder Rückenmark zu den Muskeln übertragen.
Motoneuron – Aufbau
Nervenzellen können anhand ihrer Funktion in sensible Neurone und Motoneurone unterteilt werden. Sensible Nervenzellen leiten die Information aus der Peripherie zum zentralen Nervensystem zur Verarbeitung und Motoneurone erhalten eine Information aus dem zentralen Nervensystem und innervieren dann die Muskulatur.
Der grundsätzliche Aufbau entspricht dem einer normalen multipolaren Nervenzelle. Große alpha-Motoneurone leiten die Signale sehr schnell (etwa 60-120 m/s), kleinere gamma-Motoneurone leiten sie wesentlich langsamer (circa 2-30 m/s).
Motoneuron – Funktion
Grundsätzlich wird die motorische Information über ein sogenanntes erstes Motoneuron vom Gehirn zum Rückenmark geleitet, wo es dann auf das zweite umgeschaltet wird, welches daraufhin das Signal an die Muskelzelle weitergibt, die dann die Bewegung ausführt. Die ersten Neurone laufen in motorischen Bahnen, von denen es die pyramidalen und extrapyramidalen gibt. Die Pyramidenbahnen kreuzen auf Höhe der Decussatio pyramidum und ziehen zu den Vorderhörnern der grauen Substanz im Rückenmark, wo die Zellkörper der zweiten Motoneurone sitzen.
Reflexe
Reflexe sind automatische, unwillkürliche Reaktionen des Körpers auf bestimmte Reize, die schon direkt im Rückenmark verschaltet werden. Sie erfolgen ohne bewusste Steuerung und dienen dem Schutz und der Aufrechterhaltung der Körperfunktionen.
Muskelspindeln in den Muskeln messen kontinuierlich seine Länge. Über afferente Fasern wird bei Dehnung der Spindel ein sensibles Signal ins Rückenmark geleitet. Dort findet eine Verschaltung zu einem alpha-Motoneuron statt, das denselben Muskel innerviert. Über dieses Neuron wird dann eine Muskelkontraktion eingeleitet. Ein solcher Reflex ist ein Eigenrerflex, da er dort, wo er aktiviert wurde, auch seine Reflexantwort ausübt. Häufig geschieht allerdings eine zusätzlich Verschaltung zu einem Neuron, das den Antagonisten des Muskels hemmen soll.
Regulation
Alpha-Motoneurone können von Interneuronen, den Renshaw-Zellen, gehemmt werden. Diese werden wiederum von denselben alpha-Motoneuronen aktiviert. Das heißt im Umkehrschluss, dass Motoneurone ihre eigene Hemmung veranlassen können. Eine solche Hemmung wird rekurrente Hemmung genannt und wird im Falle der Renshaw-Zellen über den Neurotransmitter Glycin oder auch GABA (gamma-Aminobuttersäure) vermittelt. Diese Renshaw-Zellen sitzen im Vorderhorn des Rückenmarks, wo auch die Verschaltung von erstem auf zweites Motoneuron stattfindet. Die Funktion dieser Hemmung ist es, eine überschießende Reaktion auf einen Reiz zu verhindern.
Motoneuron – Klinik
Schädigungen in den ersten Motoneuronen führen in der Regel zu spastischen Lähmungen, Hyperreflexien und positiven Pyramidenbahnzeichen. Läsionen in den zweiten Neuronen können zu eher schlaffen Lähmungen und verminderten oder nicht auslösbaren Reflexen führen.
Babinski-Reflex
Bei einem positiven Babinski-Reflex streckt sich die Großzehe und die restlichen Zehen beugen oder spreizen sich, wenn über den lateralen Fußrand gestrichen wird. Bei Säuglingen ist dieser Reflex physiologisch, ansonsten ist er normalerweise pathologisch als positives Pyramidenbahnzeichen zu bewerten.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Im US-amerikanischen Raum ist die amyotrophe Lateralsklerose auch als Lou-Gehrig-Disease bekannt, da der bekannte Baseball-Star Heinrich Ludwig Gehrig 1941 dieser Krankheit mit 37 Jahren erlag. Ein ebenfalls prominenter Erkrankter war der Astrophysiker Stephen Hawking, der 2018 an ALS verstarb und ungewöhnlich lange mit der Erkrankung lebte.
Die genauen Ursachen der ALS sind noch nicht ausreichend geklärt. Es werden viele Mechanismen diskutiert, die auf zellulärer Ebene stattfinden. Allerdings ist klar, dass es zum Untergang speziell von Motoneuronen kommt und dadurch verschiedene Bewegungen nicht mehr ausführbar sind. Letztendlich wird auch das Zwerchfell als wichtigster Atemmuskel ausfallen, was auch dafür spricht, dass die ALS nicht heilbar ist und immer zum Tod führt.
Die meisten Fälle treten sporadisch auf, nur weniger oft kommt die ALS familiär gehäuft vor. In einigen Fällen tritt auch eine Mutation des Gens der Superoxiddismutase 1 auf. Es wird als eine der zellulären Mechanismen diskutiert und aktuell erforscht. Das Enzym Superoxiddismutase 1 wandelt das reaktive und schädliche Radikal Superoxid in Sauerstoff und Wasserstoffperoxid um. Bei Fehlen könnte die Zelle unter zu viel oxidativem Stress stehen.
Therapeutisch ist eine symptomatische Behandlung und nur ein Herauszögern des Verlaufs möglich. Durch Riluzol lässt sich die Lebenszeit durchschnittlich um drei bis vier Monate verlängern. Warum dieses Medikament die Lebenszeit bei ALS verlängert, ist allerdings noch unklar.
Häufige Fragen
- Was ist das erste bzw. zweite Motoneuron?
- Wo sitzen die Motoneurone?
- Was passiert bei einer ALS?
Das erste Motoneuron bezieht sich auf ein Neuron im zentralen Nervensystem, das vom Gehirn oder Rückenmark zu einem zweiten Motoneuron”im Rückenmark oder im Hirnstamm verläuft. Das zweite Motoneuron wiederum sendet dann die Nervenimpulse zu den Muskelgruppen, die für die gewünschte Bewegung verantwortlich sind.
Motoneurone befinden sich im zentralen Nervensystem (ZNS), genauer gesagt im Rückenmark und im Hirnstamm. Die Zellkörper der Motoneurone sind in spezifischen Regionen dieser Bereiche konzentriert, von wo aus sie ihre Axone zu den Muskeln senden, um die Muskelkontraktionen zu steuern.
Bei ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) kommt es zu einem fortschreitenden Verlust der Motoneurone im zentralen Nervensystem, die für die Steuerung der Muskulatur verantwortlich sind. Dieser Verlust führt zu einer schrittweisen Degeneration der Muskelzellen, was sich durch Muskelschwäche, Muskelatrophie (Abnahme der Muskelmasse), Muskelkrämpfe und Zuckungen sowie Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken und Atmen bemerkbar macht. ALS ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der die genaue Ursache und Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind.
- Silbernagel et. al.: Physiologie, Thieme (Stuttgart: 8. Auflage, 2018)
- Lüllmann-Rauch, Renate: Taschenlehrbuch Histologie, Thieme (Stuttgart: 6. Auflage, 2019)
- Amyotrophe Lateralsklerose, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 30.06.2024)
- Amyotrophic Lateral Sclerosis, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abrufdatum: 30.06.2024)