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Eine Form, wie DNA kleinstmöglich in den Zellen des Körpers verpackt werden kann, ist Heterochromatin. Dabei ist die DNA sehr eng und fest aufgeknäult, sodass keine Enzyme die Informationen von ihr ablesen können. Dieser Artikel beschäftigt sich ausführlich mit dem Aufbau, den verschiedenen Formen und der Funktion des Heterochromatins. Außerdem geht er auf die Regulationsmöglichkeiten und den Stand der Forschung ein.
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Heterochromatin – Definition
Heterochromatin ist eine Zustandsform des Chromatins, das die Verpackung der DNA (Desoxyribonukleinsäure) in kleinste Einheiten ermöglicht. Es stellt das Gegenteil zu Euchromatin dar und ist in seinem Aufbau stark spiralisiert. Deshalb enthält es sehr wenige Gene und dient nicht der Transkription zur Produktion von Proteinen.
Heterochromatin – Grundlagen des Aufbaus
Heterochromatin ist wie das Chromatin selbst aufgebaut. Ein Histonoctamer bildet den Kern, woran sich die DNA-Doppelhelix aufspiralisiert. Dieses Konstrukt nennt sich dann Nukleosom. Histone sind spezielle Proteine, die stark negativ geladen sind und somit über elektrostatische Wechselwirkungen die positiv geladene DNA an sich binden. Man unterscheidet vier Kernhistone, H2A, H2B, H3 und H4. Jeweils zwei einer Sorte bilden dabei ein Paar, sodass für das Histonoctamer insgesamt acht Proteine vorliegen, die zu einem Komplex verbunden sind. Die DNA, die sich entlang dieser Struktur windet, ist meist etwa 150 Basenpaare lang.
Die einzelnen Nukleosomen müssen nun zu einer Kette verbunden werden. Das ist möglich durch die sogenannte Linker-DNA, welche kurze DNA-Abschnitte beschreibt mit einer Länge von etwa 50 Basenpaaren. Außen am Nukleosom ist das Histonprotein H1 angelagert. An dieses bindet die Linker-DNA und verknüpft somit zwei Nukleosomen. Dadurch entsteht im Gesamtbild die Nukleosomenkette, die sich zu Chromatinfasern verdichtet.
Beim Euchromatin liegen diese Fasern sehr locker und entspiralisiert vor. Das Heterochromatin beschreibt den gegensätzlichen Zustand. Es ist hoch kondensiert und damit auch mikroskopisch, etwa in der Giemsa-Färbung, gut sichtbar. Dadurch ist eine Unterscheidung zwischen Euchromatin und Heterochromatin möglich.
In den DNA-Abschnitten des Heterochromatins befinden sich vorwiegend sich wiederholende Sequenzen. Diese können kurze, nicht-kodierende RNA-Moleküle bilden, was bedeutet, dass diese nicht in Proteine übersetzt werden. Sie sind etwa 21 bis 28 Nukleotide lang und unter dem Namen der smallRNAs bekannt, wobei ihre Wirkweise noch nicht abschließend erforscht ist. Man vermutet, dass sie eine große Rolle beim Gene Silencing übernehmen. Damit diese nicht durchgehend transkribiert werden, sorgen unterdrückende Modifizierungen für eine dichte Verpackung des Heterochromatins. Zu finden sind diese Abschnitte besonders in der Nähe von Zentrosomen und den Telomeren, die Enden des Chromosoms.
Die Epigenetik befasst sich mit Ausprägungen, die nicht durch die Abfolge der Basen der DNA bestimmt sind. Damit stellt sie den Gegensatz zur klassischen Genetik dar. Sie beschäftigt sich einfach beschrieben mit allem, was zusätzlich zur DNA-Sequenz vorliegt, etwa der Verpackung des Genoms in Heterochromatin und Euchromatin. Die Forschung legt den Fokus auf epigenetische Veränderungen, die beispielsweise chemische Veränderungen der Histone oder der DNA umfassen.Forschung in der Epigenetik
Heterochromatin – Einteilung der Formen
Bei der Einteilung des Heterochromatins unterscheidet man typischerweise zwei Formen, das konstitutive und das fakultative Heterochromatin. Man spricht mittlerweile auch von einer dritten Art, dem funktionellen Heterochromatin.
Das konstitutive Heterochromatin, auch zentromerisches Heterochromatin genannt, findet man typischerweise im Bereich der Zentromere und Telomere. Es enthält viele repetitive DNA-Abschnitte, die nicht kodieren und deshalb keine Proteine bilden. Es liegt dauerhaft in der kondensierten Form vor. Auch wenn sie keine Proteine kodieren, bilden sie dennoch die oben beschriebenen smallRNAs für das Gene Silencing.
Beim fakultativen Heterochromatin, auch Sexchromatin genannt, handelt es sich um ein stillgelegtes X-Chromosom. Nach der Lyon-Hypothese muss im weiblichen Organismus ein X-Chromosom stillgelegt werden, da sonst die doppelte Menge an Genen exprimiert werden würde als beim männlichen Organismus. Grund dafür ist, dass das Y-Chromosom kaum Gene besitzt. Beim weiblichen Organismus entsteht dadurch das Barr-Körperchen als fakultatives Heterochromatin. Ein anderes Beispiel für den Vorgang ist die Bildung von Drumsticks bei Leukozyten. Einen Vorteil, den dieser Vorgang bringt, ist die Symptomlosigkeit von weiblichen Organismen bei einer Trisomie X. Dabei liegen pathologischerweise drei X-Chromosomen vor, von denen zwei stillgelegt werden, wodurch meist keine Symptome der Erkrankung entstehen.
Das funktionelle Heterochromatin umfasst unterschiedliche Teile der Chromosomen, die sich nach dem Zelltyp und der Zelldifferenzierung richten. Nachdem eine somatische Zelle komplett ausdifferenziert ist damit in ihrer endgültigen Form vorliegt, werden je nach Funktion dieser Zelle Teile des Chromatins stillgelegt und damit zu Heterochromatin umgewandelt
Heterochromatin – Funktion, Bildung und Regulation
Heterochromatin erfüllt verschiedene wichtige Aufgaben. Es ist wichtig für den Schutz der Integrität des Genoms und für die Stabilisierung von Abläufen der Genexpression. Die Schutzfunktion beugt übermäßige DNA-Schädigungen vor. Dafür kommen weitere Bestandteile des Heterochromatins ins Spiel. Neben den repetitiven DNA-Sequenzen finden sich spezielle epigenetische Markierungen, die DNA-Methylierung, die beschriebenen nicht-kodierenden RNAs (smallRNAs), sowie eine Anordnung von mindestens 16 Kernkomponenten.
All diese Schlüsselfaktoren stellen die Integrität des Heterochromatins sicher, wie genau die Bildung aber initiiert wird und worin der Unterschied zum Euchromatin liegt, ist noch Gegenstand der Forschung.
Transkriptionsfaktoren
Eine Form der Regulation des Heterochromatins erfolgt über Transkripitonsfaktoren. Das sind Proteine, die an die DNA-Doppelhelix binden und dadurch die Aktivität von Genen kontrollieren. Im Heterochromatin unterdrücken Faktoren wie Pax3 und Pax9 die Bildung der RNAs an sogenannten “major satellite repeats”. Das ist möglich, indem sie am perizentrischen Heterochromatin die DNA binden. Perizentrisches Heterochromatin stellt eine Sonderform des konstitutiven Heterochromatins dar, welches beidseits der Zentromere lokalisiert ist. Hier finden sich besonders viele unterdrückende (repressive) Mechanismen.
Fehlen die beiden genannten Transkriptionsfaktoren oder ihre Bindungsstellen in den repetitiven DNA-Abschnitten, so ist ein Verlust der Struktur des Heterochromatins die Folge. Neben Pax3 und Pax9 gibt es vermutlich eine Reihe von weiteren Transkriptionsfaktoren, die an Heterochromatin binden können.
Transkriptionsfaktoren spielen auch eine Rolle in der Regulation des Euchromatins, aber es gibt einige Unterschied zwischen beiden. Der größte Unterschied liegt in der Verteilung. Beim Euchromatin häufen sie sich an den Stellen, die für die Genregulation wichtig sind. Beim Heterochromatin sind sie eher zufällig angeordnet. Ein bildlicher Vergleich ist die Anordnung der Aiguilles Droites des Mont-Blanc-Massiv: Das Heterochromatin ist von vielen kleinen Gipfeln ohne tiefere Täler besetzt. Das Euchromatin gleicht eher dem Matterhorn mit einem hohen Gipfel.
Den Grund für die zufällige Anordnung sehen Forscher in der Unterdrückung der synergistischen Wirkung der Transkriptionsfaktoren aufeinander. Dadurch kann die DNA nicht schematisch abgelesen werden. Im Gesamten betrachtet überwiegen demnach beim Heterochromatin die hemmenden Einflüsse, wodurch es abgeschaltet wird. Im Euchromatin hingegen stimmen sich die Transkriptionsfaktoren aufeinander ab und können so die Genaktivität kontrollieren.
Methylierung
Die Methylierung von Histonen trägt maßgeblich zur Bildung von Heterochromatin bei. Zuständig dafür sind Histonmethyltransferasen, die die Histonproteine an verschiedenen Stellen mit Methylgruppen versehen und somit Einfluss auf die Chromatinstruktur nehmen. Zwei Enzyme, Prdm6 und Prdm16 sind dabei besonders wichtig. In der Forschung zeigte sich beim Inaktivieren dieser beiden Proteine deutlich, dass sie die Struktur des Heterochromatins aufrechthalten. Fehlen sie oder werden sie unterdrückt, bricht das Heterochromatin zusammen.
Der Mechanismus dahinter ist folgender: Die beiden Enzyme heften eine Methylgruppe an das Histonprotein H3. Dieses wird anschließend in den Zellkern importiert und in das Heterochromatin eingebaut. An das einfach methylierte Histonprotein H3 können dann weitere Methylgruppen angelagert werden, wobei andere Transferasen zum Einsatz kommen. Die Methylierung dient der Stabilisation der Struktur. Außerdem scheinen die beiden Enzyme Prdm6 und Prdm16 essentiell für die Integrität der Lamina des Zellkerns zu sein, da sie ohne die Enzyme zerstört wird. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das Heterochromatin mit der Lamininschicht unter der Kernhülle verbunden sein muss, auch wenn die Ursache für die Zerstörung nicht geklärt ist.
- Löffler/Petrides, Biochemie und Pathobiochemie, 10. Auflage, Springer
- Regulation of chromatin by histone modifications, https://www.nature.com/... , (Abrufdatum: 16.08.2024)
- Diverse heterochromatin states restricting cell identity and reprogramming, https://www.sciencedirect.com/... , (Abrufdatum: 16.08.2024)
- Epigenetic Factors that Control Pericentric Heterochromatin Organization in Mammals, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... , (Abrufdatum: 16.08.2024)