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Damit der Zahn im Kiefer ordentlich verankert bleibt, braucht es eine starke Struktur. Dabei handelt es sich um die Zahnwurzel (Radix dentis), die vielen Kräften standhalten muss. Dieser Artikel beschäftigt sich ausführlich mit der Anatomie und Histologie der Zahnwurzel und wirft einen Blick auf die klinischen Krankheitsbilder zu diesem Thema.
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Zahnwurzel – Definition
Die Zahnwurzel, anatomisch korrekt als Radix dentis bezeichnet, beschreibt den Teil eines Zahnes, der im knöchernen Zahnfach liegt und damit funktionell die Verankerung des Zahnes im Kiefer sicherstellt. Die Wurzel liegt unterhalb der Zahnkrone, wobei der Zahn von dieser über den Zahnhals in die Zahnwurzel übergeht. Sie besteht zum Großteil aus Dentin (Zahnbein) und weist meistens eine konische Form auf.
Zahnwurzel – Makroskopische Anatomie und Topografie
Um die Orientierung in der Anatomie korrekt zu bezeichnen, nutzt man den Begriff “koronal” um die Lage zur Zahnkrone, also nach oben, zu beschreiben. Spricht man von “apikal”, meint man die Richtung zur Wurzelspitze, also nach unten.
Der Grundaufbau der Zahnwurzel ist bei allen Zähnen gleich, sie unterscheiden sich je nach Typ lediglich durch die Anzahl der vorhandenen Wurzeln. Von außen betrachtet, zeigt sich die Zahnwurzel langestreckt und in ihrem Querschnitt rundlich bis oval. Sie reicht von dem Zahnhals bis zur Wurzelspitze (Apex radicis dentis) des Zahns. Während ihres Verlaufs verjüngt sie sich zunehmend, wodurch die charakteristische konische Form entsteht.
Die Substanz der Wurzel enthält mindestens einen Wurzelkanal, es können aber auch mehrere vorliegen. Er ist mit Zahngewebe, auch Zahnpulpa genannt, ausgefüllt und stellt den Innenraum der Zahnwurzel dar. Die Zahnpulpa besteht hauptsächlich aus gallertartigem Bindegewebe, in dem sensible Nerven und Blutgefäße verlaufen. Die Nervenfasern bilden den sogenannten Raschkow-Plexus. Ihre Axone ziehen in die Kanäle des Dentins ein und enden frei, wodurch sie den Schmerz vermitteln. Die Pulpa dient der Ernährung des Zahns und ist Teil der Immunabwehr.
An der Spitze befindet sich eine kleine Öffnung, die man als Foramen apicis dentis bezeichnet. Hier treten alle Kapillaren und Nervenstränge in die Zahnpulpa ein und wieder aus. Der Wurzelkanal verläuft von der Pulpahöhle in der Zahnkrone zur Wurzelspitze. Hier erfolgt oft eine Aufspaltung in das sogenannte apikale Delta. Dabei gehen viele kleinere Seitenkanäle von dem Wurzelkanal ab, die in ihrer Gesamtheit an ein Flussdelta erinnern.
Anzahl der Zahnwurzeln und Besonderheiten nach Zahntypen
Im Gebiss unterscheidet man zwischen Schneidezähnen (Dentes incisivi), Eckzähnen (Dentes canini), vorderen Backenzähnen (Dentes praemolares) und hinteren Backenzähnen (Dentes molares). Diese variieren teilweise in ihrem Aufbau und ihrer Größe, weshalb sie auch Unterschiede in der Anzahl der Zahnwurzeln aufweisen. Die Anzahl des jeweiligen Zahntyps ist in der folgenden Tabelle übersichtlich dargestellt. Die Stelle, wo sich die Wurzeln teilen, wird als Furkation bezeichnet. Handelt es sich um einen zweiwurzligen Zahn, spricht man von einer Bifurkation, beim dreiwurzligen Zahn analog von einer Trifurkation.
Zahntyp | Anzahl der Zahnwurzeln |
Eckzähne | einwurzlig |
Schneidezähne | einwurzlig |
vordere Backenzähne | einwurzlig, Ausnahme: Erster Prämolar im Oberkiefer ist in etwa 70 Prozent der Fälle zweiwurzlig |
hintere Backenzähne | Oberkiefer: dreiwurzlig Unterkiefer: zweiwurzlig |
Je nach individueller Ausprägung kann die Anzahl bei einzelnen Personen aber von dieser Ausführung abweichen. Das trifft besonders auf die Weisheitszähne zu. Auch die Anzahl der Wurzelkanäle ist sehr unterschiedlich. Hierbei können in einem Zahn bis zu fünf Wurzelkanäle vorliegen. Die Verläufe der Wurzelkanäle können mittels der Vertucci-Klassifizierung beschrieben werden.
Die Milchzähne sind weniger variabel ausgeprägt. So sind die Vorderzähne fast immer einwurzlig, die seitlichen Zähne im Unterkiefer zweiwurzlig und im Oberkiefer dreiwurzlig ausgeprägt.
Zähne ohne Wurzeln (euhypsodonte Zähne) zeichnen sich durch unbegrenztes Wachstum aus. Sie finden sich bei vielen Nagetieren. Daneben können auch die Stoßzähne von Elefanten, Schweinen oder Walrossen wurzellos ausgeprägt sein.Wurzellose Zähne
Zahnwurzel – Histologie und Zahnhalteapparat
Dentin (Zahnbein) bildet den Hauptbestandteil der Zahnwurzel. Es wird zunächst als Prädentin von Odontoblasten gebildet, anschließend wird dem Prädentin Wasser entzogen, wodurch es zu Dentin mineralisiert. Es besteht zu 70 Prozent aus Mineralien, genauer gesagt Hydroxylapatit-Kristallen, zu 20 Prozent aus Kollagen Typ I und zu zehn Prozent aus Wasser.
Der Zahnhalteapparat (Parodontium) besteht aus Zement, das das Dentin schützt und bedeckt, dem Alveolarknochen, der Wurzelhaut (Desmodontium) und dem Zahnfleisch (Gingiva). Damit ist der Zahn im Kiefer verankert. Der Alveolarknochen bezeichnet den knöchernen Fortsatz des Kiefers, in dem der Zahn liegt, und ist stellenweise löchrig. Dieser Bereich wird als Lamina cribriformis bezeichnet und fungiert als Eintrittsstelle von Blut- und Lymphgefäßen, die sich um die Zahnwurzel herum schlingen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Gefäßen im Wurzelkanal. Zwischen der Zahnwurzel und dem Alveolarknochen spannt sich die Wurzelhaut. Sie ist durchzogen von Sharpey-Fasern, einer Form von Kollagenfasern. Sie verlaufen durch den Zement und verankern den Zahn am Alveolarknochen federnd. Das Zahnfleisch überzieht den Alveolarfortsatz und den Zahnhals. Es besteht aus mehrschichtig verhorntem Epithel, welches nicht verschieblich ist. Diese feste Verbindung zwischen der Zahnwurzel und dem Alveolarknochen mittels kollagener Bindegewebsfasern wird als Gomphosis bezeichnet, zu deutsch Einzapfung. Sie ist ein Beispiel für unechte Gelenke vom Typ der bandhaften Gelenke (Synarthrosen).
Die Funktion der Zahnwurzel ist mit dem detaillierten Aufbau nun deutlich: sie verankert den Zahn im Kieferknochen, während die Zahnpulpa die vitalen, regenerationsfähigen Bestandteile des Zahns ernährt. Dazu zählen etwa die Odontoblasten, die das Dentin bilden.
Zahnwurzel – Klinik und Erkrankungen
Ein Krankheitsbild in Verbindung mit der Zahnwurzel ist Karies. Betrifft Karies nur die Wurzel, spricht man von der sogenannten Wurzelkaries. Sie befällt das Zement und das Dentin der Zahnwurzel und tritt häufig im höheren Alter auf, woher ihr Beiname als “Alterskaries” stammt”. Die Ursache liegt in freiliegenden Wurzeloberflächen, was auf eine Parodontitis oder ein hohes Alter rückführbar ist. Weiterhin kann Karies bei mangelnder Hygiene von der Zahnkrone in tiefere Schichten wandern. Normalerweise schützt das Zement das Dentin vor Demineralisation. Ist die Zementschicht allerdings beschädigt, kann das Dentin leichter angegriffen und verletzt werden, was die Krankheitsentstehung begünstigt.
Therapeutisch kann in die Zahnwurzel beispielsweise im Rahmen einer Wurzelfüllung eingegriffen werden. Nach einer Behandlung des Wurzelkanals, bei der nekrotisches (abgestorbenes) Pulpagewebe und infiziertes Dentin entfernt wird, muss der aufbereitete Wurzelkanal wieder verschlossen werden. Für die Füllung werden meist Stifte aus Guttapercha in Kombination mit Sealern verwendet. Ziel ist der möglichst dichte Verschluss der Wurzelkanäle, damit keine Erreger eindringen können.
Außerdem kann die Wurzelspitze im Rahmen einer Wurzelspitzenresektion entfernt werden. Sie gilt als ultima ratio für den Erhalt eines Zahnes mit apikaler Parodontitis. Nach der Resektion wird meist eine retrograde Wurzelfüllung vollzogen, die auch wieder das Ziel hat, den Wurzelkanal zu verschließen. Eine Resektion kann auch bei einer sekundären Infektion des apikalen Deltas des Wurzelkanals indiziert sein. Die kleinen Seitenkanäle können bei einer Wurzelkanalbehandlung nicht gereinigt und verschlossen werden, sodass immer ein Restrisiko der Undichtigkeit besteht, über die sich Bakterien einschleusen und Infektionen auslösen können.
Infektionen der Zahnwurzel können außerdem eine chronisch spontane Urtikaria (Nesselsucht) auslösen, indem die Immunreaktion Mastzellen aktiviert, welche wiederum Histamin und andere Mediatoren ausschüttet.
Zahnimplantate
Zahnimplantate beschreiben Produkte, die dauerhaft oder provisorisch in den Kiefer eingebracht werden, wobei sie dem Ersatz der Zahnwurzel dienen. Sie ermöglichen die Verankerung von Kronen, Brücken oder Prothesen am Kiefer. Orthodontische Implantate stellen hierbei eine Ausnahme dar, da sie kieferorthopädische Strukturen befestigen, aber keine Zahnwurzeln ersetzen.
Heutzutage verwendet man fast ausschließlich enossale Implantate. Das bedeutet, dass sich die Plantate innerhalb des Knochens befinden. Man kann sie nach der Form in Zylinderimplantate, konische Implantate oder Zylinderstufenimplantate unterscheiden. Eine Art der Verankerung stellen Schraubenimplantate dar.
Für das Material nutzt man vorwiegend Reintitan, der bei Kontakt zu Sauerstoff eine Passivschicht ausbildet. Dadurch sind die Implantate hoch biokompatibel. Früher wurde häufig Keramik verwendet, die jedoch vermehrt Implantatfrakturen aufwiesen.
- Schünke M et. al., Prometheus LernAtlas der Anatomie (Kopf, Hals und Neuroanatomie), 5. Auflage, Thieme
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage, Thieme
- Zähne, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 19.08.2024)
- Allgemeine Anatomie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 19.08.2024)
- Urtikaria, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 19.08.2024)