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Als posttraumatische Belastungsstörung – kurz PTBS – bezeichnet man einen Zustand der menschlichen Psyche, der nach einem traumatischen Erlebnis auftreten kann. Manchmal geschehen im Leben schreckliche Dinge – Kriegsereignisse, sexueller Missbrauch, eine drastische medizinische Diagnose. Die Psyche des Menschen kann diese Ereignisse nicht immer gut verarbeiten, weshalb viele eine posttraumatische Belastungsstörung (englisch: post traumatic stress disorder) entwickeln.
Der folgende Artikel beschäftigt sich grundlegend mit den medizinischen Hintergründen und den allgemeinen Folgen und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankungen.
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Posttraumatische Belastungsstörung – Definition
Unter der Posttraumatischen Belastungsstörung versteht man eine verzögerte (protrahierte) Reaktion, welche innerhalb der ersten sechs Monate nach einem traumatischen und emotional belastenden Ereignis auftreten kann. Damit zählt die PTBS zu den spezifischen Traumafolgestörungen.
Sie kennzeichnet sich durch eine starke Erschütterung des Selbst- und Weltbildes, sowie durch Leitsymptome wie Flashbacks.
Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS)
Die komplexe PTBS zeigt grundsätzlich die gleichen klassischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, zu denen die Wiedererinnerung, das Vermeidungsverhalten und Hyperarousal zählen.
Zusätzlich präsentieren betroffene Personen allerdings auch Veränderungen in der Affektregulation und Impulskontrollstörungen. Sie neigen zu gewaltsamen emotionalen Ausbrüchen und selbst-schädigendem Verhalten. Außerdem zeigt sich ein negatives Selbstkonzept mit quälenden Schuldgefühlen und es entwickeln sich Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die kPTBS wird durch schwere, wiederkehrende Traumata verursacht, zu denen etwa sexueller Missbrauch, Menschenhandel oder Folter zählen. Patienten und Patientinnen zeigen ein komplexes Symptommuster, welches eines höheren Therapie- und Behandlungsaufwands bedarf.
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Posttraumatische Belastungsstörung – Symptome
Die Symptomatik einer PTBS kann sich vielfältig zeigen. Nicht alle Betroffenen zeigen alle Symptome, denn die Ausprägung und Schwere der Erkrankung kann sehr unterschiedlich ausfallen.
Die Wiedererinnerung ist eins der Leitsymptome der Krankheit. Sie wird häufig durch einen sogenannten “Trigger” ausgelöst, beispielsweise Gerüche oder der Rückkehr an den Ort des Traumas. Sie kann sich in zwei Formen äußern, durch Intrusionen oder Flashbacks. Intrusionen beschreiben das eindringliche und ungewollte Erinnern und das Wiedererleben des Ereignisses, gleichzeitig ist die Realitätskontrolle aber erhalten. Flashbacks sind die Steigerung dieses Phänomens, bei dem keine Realitätskontrolle mehr erhalten ist. Dadurch durchleben Betroffene das Ereignis noch einmal viel intensiver. Auch Albträume können eine Form der Wiedererinnerung sein.
Vermeidungsverhalten ist das zweite Leitsymptom. Es gilt als dysfunktionaler Bewältigungsversuch, mit dem Betroffene versuchen, ihre Symptomatik zu lindern. Allerdings trägt man dadurch eher zur Chronifizierung bei. Betroffene vermeiden Gespräche oder Situationen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen und zeigen emotionale Taubheit (Numbing). Außerdem kann eine partielle Amnesie, eine Beeinträchtigung der Erinnerung an das traumatische Ereignis, auftreten.
Als drittes Leitsymptom gilt Hyperarousal. Darunter versteht man einen Zustand der psychischen und vegetativen Überregung. Psychisch äußert sich das zum Beispiel durch Reizbarkeit, erhöhte Anspannung, Schlafstörungen, Wutausbrüche oder Konzentrationsschwierigkeiten. Die vegetative Überregung präsentiert sich mittels Tachykardie, also Herzklopfen oder Herzrasen, Atembeschwerden oder Zittern. Der Körper ist in einem Zustand der “Alarmbereitschaft”.
Weiterhin können sich Depressivität, dissoziative Symptome wie Derealisation oder Depersonalisation oder anhaltende negative Einstellungen und verzerrte Kognitionen zeigen. Zusätzlich liegt oft eine erhöhte Suizidalität vor. PTBS-Betroffene zeigen eine achtfach erhöhte Rate an Suizidversuchen.
Etwa 80 Prozent der Betroffenen leiden zusätzlich an weiteren psychischen oder somatischen Störungen. Dazu zählen psychisch zum Beispiel Suchterkrankungen oder Psychosen, somatisch etwa Bluthochdruck oder chronische Schmerzsyndrome.
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Posttraumatische Belastungsstörung – Ursachen
Die genauen Ursachen sind momentan noch Gegenstand der Forschung. Allerdings ist sicher, dass hinter der Erkrankung eine multifaktorielle Genese steckt, bei dem das Trauma nicht den einzigen Auslöser darstellt, sondern im Kontext betrachtet werden muss.
Grundlegend muss die Person ein traumatisches Ereignis erlebt oder beobachtet haben. Dabei unterscheidet man zwischen Typ-1-Traumata und Typ-2-Traumata. Typ 1 beschreibt Traumata mit einem kurzfristen, plötzlichen Auftreten, etwa Naturkatastrophen, Autounfälle oder eine schwere Erkrankung. Typ-2-Traumata treten andauernd und mehrfach auf, zum Beispiel Kriegshandlungen oder wiederholter sexueller Missbrauch. Entscheidend sind neben der Schwere des Traumas auch die subjektive Bewertung und der erlebte Kontrollverlust.
Einige Personengruppen zählen zu den Risikogruppen, welche einer besonders hohen Gefahr der Entwicklung einer PTBS unterliegen. Dazu zählen insbesondere Berufsgruppen, die besonders gegenüber Traumatisierungen exponiert sind. Beispiele sind zum Beispiel das Militär, die Feuerwehr, der Rettungsdienst oder die Polizei.Risikogruppen
Risikofaktoren begünstigen die Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung. Man unterteilt sie in prätraumatisch (vor dem Ereignis), peritraumatisch (während des Ereignisses) und posttraumatisch (nach dem Ereignis). Prätraumatische Faktoren umfassen unter anderem traumatische Kindheitserinnerungen sowie psychische Erkrankungen. Peritraumatisch begünstigen zum Beispiel ein als hoch empfundener Autonomieverlust, ein plötzliches Auftreten des Ereignisses und zwischenmenschliche Gewalt (“Man-made-Trauma”) die Entstehung von PTBS. Posttraumatische Faktoren sind eine mangelnde soziale Unterstützung, anhaltender Stress, eigene Schuldzuweisungen oder auch Alkoholmissbrauch.
Auch die Neurobiologie hat Einfluss auf die Entstehung einer PTBS. Begünstigende Faktoren sind zum Beispiel ein Serotoninmangel oder erhöhte Katecholaminwerte. Eine Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse spielt ebenfalls eine Rolle. Durch verschiedene Mechanismen erfolgt eine verminderte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Die Genetik und strukturelle Veränderungen des Gehirns sind ebenfalls an der Entstehung beteiligt.
Ein Modell, welches die Entstehung von PTBS zusammenfasst, ist das integrative biologische Erklärungsmodell. Es basiert auf der Aussage, dass die Verarbeitung von angstauslösenden Stimuli im Gehirn verändert abläuft. Der normale Weg zur Verarbeitung läuft vom Thalamus zum Assoziationskortex, von dort zum orbitofrontalen Kortex und den Hippocampus zum Endziel der Amygdala. Dadurch kann die Person das Erlebte im Gesamtzusammenhang interpretieren und bewerten. Der Weg ist bei PTBS-Patienten vermutlich verkürzt. Die Informationen gelangen direkt vom Thalamus zur Amygdala, wodurch die kortikale und hippokampale Verarbeitung fehlt. Es bildet sich ein sogenanntes Traumagedächtnis aus, welches vermutlich die Ursache der Flashbacks ist.
Das Gegengewicht zu den Risikofaktoren stellen die Schutzfaktoren dar, welche individuell verschieden ausfallen können. Peritraumatisch kann eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung schützend wirken, da der subjektive Kontrollverlust vermindert wird. Posttraumatisch schützend wirkt vor allem soziale Unterstützung, aber auch ein hohes Kohärenzgefühl.
Posttraumatische Belastungsstörung – Spätfolgen
Prognostisch dauert eine PTBS-Erkrankung mit Behandlung etwa ein bis zwei Jahre. Bei der Hälfte der Betroffenen tritt innerhalb der ersten drei Monate eine vollständige Remission ein. Die Symptome entwickeln sich meist innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten zurück, sodass etwa 80 bis 90 Prozent der Fälle in Remission treten. Im Allgemeinen bedeutet das, dass PTBS gute Heilungschancen hat, solange sie rechtzeitig gezielt behandelt wird. Etwa die Hälfte der Patienten wird sogar ohne Behandlung gesund.
Allerdings kann es in etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle zur Chronifizierung der Erkrankung kommen, bei der die Symptome anhalten. Bei etwa sieben Prozent entwickelt sich die verzögerte posttraumatische Belastungsstörung nach über sechs Monaten zum ersten Mal. Weiterhin ist der Übergang in eine andauernde Persönlichkeitsstörung möglich.
Posttraumatische Belastungsstörung – Behandlung und Hilfe
Allgemein liegt der Schwerpunkt der Behandlung auf traumafokussierten psychotherapeutischen Interventionen, die sich die Verarbeitung des Traumas als Ziel setzen. Weitere Ziele umfassen das Aushalten der belastenden Erinnerung, die Reduktion von Vermeidungsverhalten und die Integration der traumatischen Inhalte in einen sinnvollen Kontext.
Psychotherapeutisch ist die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie die Methode der Wahl. Auch die Methode der Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EDMR) steht zur Auswahl. In einem multimodalen Behandlungsplan dürfen adjuvante Therapien, wie Ergo-, Kunst- oder Musiktherapie, nicht fehlen. Auch eine Rehabilitation ist im Anschluss an die Akutbehandlung zur beruflichen und gesellschaftlichen Reintegration mehr als sinnvoll.
Bei Suizidalität, psychotischen Symptomen oder Substanzmissbrauch zum Beispiel sollte die Traumabearbeitung überdacht werden.
Unterstützend wirken kann auch eine Pharmakotherapie mit Antidepressiva wie Sertralin oder Paroxetin. Der therapeutische Effekt tritt jedoch mit deutlicher Verzögerung auf. Hierfür sind Psychiater zuständig.
Bei akuten Problemen steht die Telefonseelsorge immer zur Verfügung. Sie vermittelt auch weitere Hilfen. Außerdem gibt es eine Vielzahl an weiteren Beratungs- und Hilfestellen sowie Selbsthilfegruppen. Sie unterstützen nicht nur die Patienten selbst, sondern auch die Angehörigen im Umgang mit der Erkrankung. Über die Bundespsychotherapeutenkammer kann man die Therapeutensuche starten. Traumatherapeutinnnen und -therapeuten findet man auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie.
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Häufige Fragen
- Was ist typisch für eine posttraumatische Belastungsstörung?
- Wie erkennt man eine posttraumatische Belastungsstörung?
- Wie lange hat man eine posttraumatische Belastungsstörung?
- Wer diagnostiziert eine posttraumatische Belastungsstörung?
Typische Leitsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind die Wiedererinnerung, das Vermeidungsverhalten und Hyperarousal. Die Wiedererinnerung umfasst Intrusionen oder Flashbacks des Ereignisses, welche durch einen “Trigger” ausgelöst werden. Dabei erleben Betroffene das Trauma in unterschiedlichem Umfang erneut. Vermeidungsverhalten beschreibt die Vermeidung von allem, was mit dem Ereignis in Verbindung steht sowie eine gewisse emotionale Taubheit dem Thema gegenüber. Unter Hyperarousal versteht man eine “Alarmbereitschaft” des Körpers, welche psychische Symptome, wie Schlafstörungen oder Wutausbrüche sowie vegetative Übererregung wie Herzrasen oder Atembeschwerden verursacht.
Patienten mit PTBS begeben sich meist wegen anderer Symptome, etwa Depression oder somatischen Beschwerden, in Behandlung. Der Hausarzt ist dabei oft die erste Anlaufstelle. Bei Vorstellung sollte auf die Leitsymptome der Wiedererinnerung, das Vermeidungsverhalten und Hyperarousal geachtet werden. Personen zeigen sich häufig unruhig, reizbar, schlaflos und auch plötzlich aggressiv. Aus Scham wird das Thema des Traumas häufig nicht von selbst angesprochen.
In der Regel dauert mit adäquater Therapie etwa ein bis zwei Jahre, ohne Therapie deutlich länger. Dabei bestehen grundlegend gute Heilungschancen, etwa die Hälfte der Patienten genesen sogar ohne Therapie. Allerdings kann es bei lang anhaltenden Symptomen in etwa 20 Prozent der Fälle zu einer Chronifizierung der Erkrankung kommen.
In der Regel findet ein Erstgespräch mit dem Verdacht beim Hausarzt statt, der anschließend an einen Psychiater oder Psychotherapeuten überweist. Sowohl Ärzte als auch Psychotherapeuten, bestenfalls mit Erfahrung in der Traumatherapie, können mittels ausführlichen Gesprächen, standarisierten Fragebögen und der Selbsteinschätzung des Patienten die Diagnose stellen. Für die Diagnosestellung sind die Kriterien nach ICD maßgebend.
- S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung, https://register.awmf.org/... , (Abrufdatum: 27.10.2024)
- Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 27.10.2024)