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Das Nebennierenmark produziert wichtige Katecholamine für den Stoffwechsel des Menschen. Dazu zählen unter anderem die bekannten Vertreter Adrenalin und Noradrenalin. Dieser Artikel beschäftigt sich eingehend mit der Histologie und der Funktion des Nebennierenmarks und geht am Ende auf die klinische Bedeutung und Pathologien des Bereichs ein.
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Nebennierenmark – Definition
Das Nebennierenmark (Medulla glandulae suprarenalis), kurz NNM, befindet sich in der Nebenniere (Glandula suprarenalis), welche sich wie ein Hütchen auf die Niere selbst setzt. Es bildet den kleinsten Anteil in der Mitte der Nebenniere. Im Unterschied zur Nebennierenrinde handelt es sich beim Mark um ein sympathisches Paraganglion, welches aus den charakteristischen chromaffinen Zellen besteht. Diese bilden die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin.
Ein Paraganglion beschreibt eine Ansammlung von epithelähnlichen, endokrin aktiven Parenchymzellen, welche sich funktionell zwischen dem endokrinen System und dem vegetativen Nervensystem befinden. Das Nebennierenmark ist das größte Paraganglion im menschlichen Körper.
Nebennierenmark – Embryologie und Anatomie
Nebennierenmark und Nebennierenrinde übernehmen unterschiedliche Funktionen. Während die Rinde für die Synthese von Mineralocorticoiden, Glucocorticoiden und Sexualhormonen zuständig ist, übernimmt das Mark die Aufgabe der Katecholaminproduktion. Dieser Unterschied begründet sich in der embryologischen Entwicklung. Die Rinde entwickelt sich aus dem Mesoderm, während das Mark wie die Neuralleiste aus dem Ektoderm stammt. Das Ektoderm beschreibt das äußere Keimblatt der Keimscheibe.
Die Entwicklung des NNM schließt sich an die Rindenentwicklung an. Nach deren Differenzierung wandern Sympathicoblasten in die Rindenanlage ein. Sie differenzieren sich im Verlauf zu chromaffinen Zellen mit der Fähigkeit, Katecholamine zu produzieren. Aufgrund der Einwanderung der Sympathicoblasten besteht eine Verwandtschaft zu den sympathischen Paraganglien, was die Zuordnung erklärt.
Die Nebenniere im Allgemeinen findet sich beidseits auf dem oberen Nierenpol der beiden Nieren. Sie liegt innerhalb der Nierenfettkapsel und primär retroperitoneal. Die kleine Markzone findet sich im inneren der Nebenniere. Die Innervation erfolgt über die präganglionären sympathischen Nervenfasern des Nervus splanchnicus major und minor. Diese aktivieren durch die Ausschüttung von Acetylcholin die nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren, welche sich an den chromaffinen Zellen befinden.
Nebennierenmark – Histologie
Grundlage des Nebennierenmarks bilden die modifizierten zweiten Sympathikusneuronen. Diese werden von den ersten Sympathikusneuronen des Rückenmarks mittels cholinerger Synapsen innerviert.
Histologisch betrachtet besteht das Mark neben den modifizierten Sympathikusneuronen aus Nervenfasern und Gliazellen. Nervenfasern beschreiben das Axon eines Neurons, welches von einer Gliascheide umhüllt ist. Sie sind sogar lichtmikroskopisch erkennbar. Außerdem enthält das Mark Bindegewebe.
Weiterhin weist das Nebennierenmark einige histologische Zellmerkmale auf. Dazu zählen große, chromaffine Zellen, welche zahlreiche Sekretgranula zur Katecholaminspeicherung besitzen. Die Bezeichnung als “chromaffin” entsteht durch die Anfärbbarkeit mit Chromsalzen. Ein anderes wichtiges Merkmal sind die Drosselvenen. Darunter versteht man Venen mit Muskelpolstern unter der Intima-Schicht. Diese können kontrahieren und damit aktiv eine Änderung des Gefäßvolumens herbeiführen. Das wiederum führt zu einer Erhöhung des Strömungswiderstandes und damit zu einer Drosselung des Blutflusses. Die Funktion dieser Drosselvenen ist noch nicht ganz geklärt, allerdings vermutet man, dass damit die Passagezeit des Blutes durch das Kapillarbett verlängert werden soll. Damit kann der Übertritt der Katecholamine vom Mark in das Blut gesteigert werden.
Betrachtet man die chromaffinen Zellen genau, so kann man zwei Typen unterscheiden:
- Typ 1 (A-Zelle oder Epinephrocytus): Diese Zellen besitzen große chromaffine Granula mit einem Durchmesser von etwa 100 bis 300 Nanometern. Sie enthalten Adrenalin und bildet etwa 80 Prozent der chromaffinen Zellen.
- Typ 2 (N-Zelle oder Norepinephrocytus): Hier zeigen sich kleine und sehr dichte Granula, welche Noradrenalin enthalten. Sie machen etwa 20 Prozent der chromaffinen Zellen aus.
Die chromaffinen Zellen ordnen sich in Bündeln oder Zellsträngen um die erweiterten Kapillare oder Venolen an. Zusätzlich ist das Mark stark durchblutet, wodurch ein schneller Übergang der Katecholamine ins Blut sichergestellt wird. Das Blut gelang über Sinusoide von der Rinde ins Mark. Interessanterweise erhält das Blut deshalb unter anderem das Stresshormon Cortisol, welches so die Ausschüttung der Katecholamine beeinflussen kann.
Nebennierenmark – Katecholamine
Katecholamine umfassen im Allgemeinen Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Dopamin und Noradrenalin wirken beide vorwiegend als Neurotransmitter, weshalb sie in den entsprechenden Neuronen gebildet werden. Dazu zählen bei Dopamin die dopaminergen Neuronen, etwa die Substantia nigra. Noradrenalin kann sowohl im zentralen Nervensystem als auch in postganglionären Neuronen des Sympathikus gebildet werden. Nur ein kleiner Teil entfällt auf das Nebennierenmark. Wenn die Bildung dort stattfindet, wirkt es als Hormon über das Blut und nicht als Neurotransmitter.
Adrenalin und Noradrenalin werden vorwiegend bei psychischen und physischem Stress ausgeschüttet. Sie halten den Kreislauf aufrecht durch eine Steigerung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Das begründet den häufigen Einsatz dieser Stoffe auf Intensivstationen bei Kreislaufinstabilität.
Synthese der Katecholamine
Ausgangsstoff für die Synthese der Katecholamine ist Phenylalanin, eine essentielle Aminosäure. Als Schlüsselenzym dient Tyrosinhydroxylase. Die Synthese findet auf das Nebennierenmark bezogen in den chromaffinen Zellen statt. Im ersten Schritt wandelt sich Phenylalanin zu Tyrosin um, welches neben der Katecholaminsynthese auf als Ausgangssubstanz für die Synthese von Melanin und von Schilddrüsenhormonen genutzt wird. Tyrosin wird dann weiter zu DOPA (3,4-Dihydroxyphenylalanin) durch das Schlüsselenzym umgewandelt. DOPA wird anschließend zu Dopamin decarboxyliert. Im nächsten Schritt entsteht aus Dopamin Noradrenalin. Dafür brauchen die Zellen Vitamin C. Noradrenalin kann dann zu Adrenalin methyliert werden.
Zusammengefasst entsteht aus den Aminosäuren zunächst DOPA, dann Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin. Letztere beide können dann in den Granula der chromaffinen Zellen gespeichert werden. der Fokus des Marks liegt dabei auf dem Adrenalin.
Vitamin C ist essentiell für die Katecholaminsynthese. Ohne das Vitamin kann kein Noradrenalin und damit auch kein Adrenalin produziert werden. Aus diesem Grund findet sich im Nebennierenmark eine der höchsten Konzentrationen an Vitamin C im menschlichen Körper.Vitamin C
Stoffwechsel der Katecholamine
Über Exozytose können die Hormone bei Bedarf in das Blut abgegeben werden. Dort sind sie frei löslich und besitzen eine Halbwertszeit von etwa einer bis drei Minuten. Die Sympathikusaktivierung (Fight or flight Modus) stimuliert das Mark über die cholinergen Synapsen an den chromaffinen Zellen. Diese aktivieren die ersten Schritte der Synthesekette. Cortisol kann den Stoffwechsel auch stimulieren. Es wird aus der Nebennierenrinde freigesetzt und feuert ebenfalls die Enzyme zur Synthese an. Gleichzeitig hemmen sich Adrenalin und Noradrenalin über negative Rückkopplung selbst.
Adrenalin sorgt dabei im Allgemeinen für eine sehr schnelle Bereitstellung von Energiereserven und besitzt die kürzeste Halbwertszeit im Blut.
Nebennierenmark – Klinik und Pathologien
Das Phäochromozytom ist eines der wichtigsten Pathologien des Nebennierenmarks. Darunter versteht man einen hormonell aktiven Tumor, der zu über 80 Prozent im Bereich des Nebennierenmarks auftritt. Er produziert Katecholamine, besonders Adrenalin und Noradrenalin, und setzt diese unkontrolliert frei. Etwa 85 Prozent der Tumore sind benigne (gutartig), nur ein geringer Teil ist maligne (bösartig).
Die Symptome ergeben sich aus der Überproduktion der Katecholamine und deren Wirkung auf die einzelnen Organe. Dabei treten die Symptome eher anfallsartig auf. Patienten und Patientinnen präsentieren sich häufig mit Hypertonie (Bluthochdruck) oder hypertensiven Kriesen, sowie Tachykardie (Herzrasen) und Palpitationen. Außerdem sind Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Unruhe und Angst typisch. Seltener zeigt sich ein Tremor, Blässe im Gesicht, Gewichtsverlust und Übelkeit. Außerdem kann der Kohlenhydratstoffwechsel, beispielsweise im Sinne von Hyperglykämien, gestört sein und auch zu einem Diabetes mellitus führen. Selten treten auch Kardiomyopathien auf.
Bei operablen Tumoren entfernt man den Tumor, vorzugsweise laparoskopisch. Bei inoperablen benignen Tumoren gibt man dauerhaft Phenoxybenzamin, einen Alphablocker. Ist der Tumor inoperabel und maligne, erfolgt bei Möglichkeit eine MIBG-Therapie.
Neuroblastom
In dem Nebennierenmark kann auch ein Neuroblastom auftreten. Darunter versteht man maligne, embryonale Tumore des peripheren sympathischen Nervensystems. Sie zählen nach den ZNS-Tumoren zu den häufigsten malignen Erkrankungen in der Pädiatrie.
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage, Thieme
- Neuroblastom, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Phäochromozytom, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Nebenniere, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 28.10.2024)