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Die weiße Substanz ist eine essenzielle Struktur des zentralen Nervensystems und spielt eine Schlüsselrolle in der Signalübertragung zwischen verschiedenen Hirnregionen sowie zwischen Gehirn und Rückenmark. Sie besteht hauptsächlich aus myelinisierten Nervenfasern, die für eine schnelle Weiterleitung elektrischer Signale sorgen. Doch was genau unterscheidet sie von der grauen Substanz, welche Funktionen übernimmt sie, und welche Krankheitsbilder sind mit ihr assoziiert? Antworten auf diese Fragen gibt es im Artikel.
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Weiße Substanz – Definition
Die weiße Substanz (Substantia alba) umfasst alle Bereiche des zentralen Nervensystems, die überwiegend aus myelinisierten Axonen bestehen und nur in geringer Anzahl unmyelinisiert vorliegen. Diese Axone sind von Myelinscheiden umhüllt, die aus Lipiden und Proteinen bestehen und eine elektrische Isolation bewirken. Dadurch werden Nervenimpulse deutlich schneller weitergeleitet als in der grauen Substanz, die hauptsächlich Nervenzellkörper enthält.
Die Bezeichnung stammt von ihrer hellen Farbe, die im Vergleich zur grauen Substanz auffällt. Diese helle Färbung entsteht durch den hohen Gehalt an Myelin, das eine lipidreiche Struktur besitzt und Licht anders reflektiert als die Zellkörper der grauen Substanz.
Unterscheidung zur grauen Substanz
Der wichtigste Unterschied zur grauen Substanz liegt in ihrer Zusammensetzung und Funktion. Während die graue Substanz überwiegend aus Zellkörpern, Dendriten und Synapsen besteht und somit vor allem für die Verarbeitung und Integration von Informationen zuständig ist, enthält die weiße Substanz vor allem lange, myelinisierte Nervenfasern, die Informationen über weite Strecken leiten. Anatomisch befindet sich die graue Substanz im Gehirn an der Oberfläche (Großhirnrinde) und in tiefer gelegenen Kerngebieten, während sie im Rückenmark zentral liegt und von weißer Substanz umgeben wird.
Weiße Substanz – Anatomie und Funktion
Die weiße Substanz setzt sich aus Millionen von myelinisierten Nervenfasern zusammen, die je nach ihrer Funktion und Verbindungsmuster in drei Hauptbahnen unterteilt werden. Assoziationsfasern verlaufen innerhalb einer Gehirnhälfte und verbinden dort verschiedene kortikale Regionen miteinander. Sie ermöglichen es, dass Informationen zwischen benachbarten oder weiter entfernten Arealen derselben Hemisphäre effizient ausgetauscht und verarbeitet werden.
Kommissurenfasern hingegen verbinden die beiden Gehirnhälften miteinander und sorgen für die Kommunikation zwischen entsprechenden Arealen der linken und rechten Hemisphäre. Die größte und bekannteste dieser Faserbahnen ist das Corpus callosum, eine dichte Struktur aus Nervenfasern. Sie dient als zentrale Verbindungsstelle und ist essenziell für eine koordinierte Verarbeitung beidseitiger Hirnaktivitäten.
Die dritte Gruppe, die Projektionsfasern, stellt die Verbindung zwischen dem Gehirn und anderen Bereichen des Nervensystems her. Diese Fasern verlaufen vertikal und leiten Signale sowohl vom Gehirn in tiefere Strukturen wie das Rückenmark und umgekehrt. Auf diese Weise ermöglichen sie die Steuerung motorischer Abläufe sowie die Weiterleitung sensorischer Informationen zur Verarbeitung im Zentralnervensystem.
Plastizität
Während lange Zeit angenommen wurde, dass hauptsächlich die graue Substanz für neuronale Anpassungen verantwortlich ist, zeigen neuere Studien, dass sich auch die weiße Substanz strukturell verändern kann. Myelinisierung, also die Bildung neuer Myelinscheiden um Nervenfasern, kann sich durch Lernen und Training verbessern. Beispielsweise konnten Forscher nachweisen, dass intensives Klavierspielen oder das Erlernen einer neuen Sprache die Dichte und Organisation der weißen Substanz positiv beeinflusst. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die Verarbeitung von Informationen, sondern auch deren effiziente Weiterleitung im Nervensystem trainierbar ist.
Vorkommen im Gehirn und Rückenmark
Im Gehirn liegt die weiße Substanz größtenteils unterhalb der Großhirnrinde. Besonders große Anteile finden sich in der inneren Kapsel (Capsula interna), die unter anderem motorische und sensorische Bahnen enthält. Auch im Corpus callosum, der größten Verbindung zwischen beiden Gehirnhälften, findet sich ein großer Anteil.
Im Rückenmark umgibt die weiße Substanz die zentrale, schmetterlingsförmige graue Substanz. Sie bildet hier aufsteigende Bahnen (afferente Fasern), die sensorische Informationen zum Gehirn leiten, und absteigende Bahnen (efferente Fasern), die motorische Signale vom Gehirn in die Peripherie übermitteln.
Damit ist die Lage der weißen Substanz genau entgegengesetzt: Im Gehirn findet man sie im Inneren, während sie im Rückenmark die äußere Schicht bildet.
Aufgaben
Die Hauptfunktion der weißen Substanz liegt in der schnellen und effizienten Weiterleitung von Nervenimpulsen. Myelinisierte Axone sorgen dafür, dass Signale mit hoher Geschwindigkeit zwischen verschiedenen Nervenzentren übermittelt werden. Dies ist essenziell für komplexe Prozesse wie Wahrnehmung, Bewegung und kognitive Funktionen.
Weiße Substanz – Klinische Relevanz
Veränderungen oder Schädigungen der weißen Substanz können gravierende neurologische Erkrankungen zur Folge haben. Einige der wichtigsten Krankheitsbilder sind folgende:
- Multiple Sklerose (MS): Bei dieser Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem die Myelinscheiden der weißen Substanz an, was zu Entzündungen, Vernarbungen (Plaques) und Funktionsausfällen führt. Typische Symptome sind Sehstörungen, Lähmungen und kognitive Einschränkungen.
- Leukoenzephalopathien: Diese Gruppe seltener Erkrankungen betrifft die weiße Substanz und kann genetisch bedingt oder erworben sein. Sie führen oft zu neurologischen Ausfällen und geistigen Beeinträchtigungen und können besonders motorische oder sensorische Funktionen betreffen.
- Vaskuläre Demenz: Durch Durchblutungsstörungen im Gehirn können Schädigungen der weißen Substanz entstehen, was zu kognitiven Defiziten und Gedächtnisproblemen führt.
- Altersbedingte Degeneration: Mit zunehmendem Alter nimmt das Volumen in bestimmten Regionen der weißen Substanz ab, was unter anderem mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht wird. Besonders betroffen sind etwa präfrontale und periventrikuläre Areale.
- Aust G et. al., Duale Reihe Anatomie (Thieme, 6. Auflage, 2024)
- Training induces change in white-matter architecture, https://www.nature.com/... , (Abrufdatum: 15.02.2025)
- Einführung in die Neuroanatomie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 15.02.2025)
- Multiple Sklerose, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 15.02.2025)
- Vaskuläre Demenz, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 15.02.2025)