Die Corona-Pandemie hat wie kaum ein anderes Ereignis ins Bewusstsein gerückt, wie gefährdet Pflegebedürftige sind. Was junge und gesunde Menschen überwiegend gut verkraften, wird für ältere anfällige Menschen – und das sind die meisten Pflegebedürftigen – schnell zur lebensbedrohlichen Erkrankung. Infektionen sind aber längst nicht die einzige Gefahrenquelle im Pflegealltag. Es gibt vielfältige Risiken. Ein konsequentes Risikomanagement mit Vorbeugung gehört zu guter Pflege dazu.
Deutlich erhöhte Sturz- und Unfallgefahr
Eine der größten Gefahrenquellen bei Pflegebedürftigen sind Stürze und Unfälle. Schätzungen zufolge stürzen mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen in Heimen mindestens einmal im Jahr. Bei älteren Menschen (jenseits der 65), die zu Hause leben, erleidet jeder dritte mindestens einen Sturz pro Jahr, bei über 80jährigen sind es sogar 40 Prozent. Gefürchtet ist der häufige Oberschenkelhalsbruch, der schwerwiegende Folgen haben kann und nicht selten dauerhafte Pflegebedürftigkeit nach sich zieht.
Die zunehmende Morbidität im Alter erhöht das Sturzrisiko signifikant und die Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Verletzung steigt. Um zu stürzen, bedarf es nicht viel – schon gar nicht einer risikoträchtigen Verrichtung. Es genügt ein Fehltritt, ein falscher Schritt auf der Treppe, eine unglückliche Bewegung in der Badewanne. Zum Glück gehen die meisten Unfälle und Stürze glimpflich aus, manchmal jedoch leider nicht. Studien zufolge führt etwa jeder zehnte Sturz oder Unfall zu behandlungsbedürftigen Verletzungen.
Gefahren durch Keime und Viren
Menschen in Alten- und Pflegeheimen sind besonders anfällig für Krankheitserreger. Viele leiden bereits an chronischen Erkrankungen, das Immunsystem ist häufig geschwächt. Der Besucherverkehr in den Heimen, aber auch der Kontakt mit Pflegekräften, Mitpatienten oder -bewohnern trägt zur Verbreitung von Infektionen bei. Ebenfalls eine Gefahrenquelle ist das “Equipment” in den Einrichtungen, angefangen von der Bettwäsche über Pflegegeschirr bis hin zu Badewannen und Duschen.
Ein weiteres, seit Jahren bekanntes Problem sind sogenannte multiresistente Keime, die auf herkömmliche Medikamente nicht mehr ansprechen und schwer in den Griff zu bekommen sind. Untersuchungen zufolge sind solche Keime in etwa ein bis zwei Prozent der Heime festzustellen. Durch Corona hat das Infektionsrisiko in Alten- und Pflegeheimen eine ganz neue Dimension erreicht – ein Erreger, für den es (noch) kein wirksames Gegenmittel gibt, der sich schnell und leicht verbreitet und gerade für ältere pflegebedürftige Menschen ein eminentes Risiko darstellt.
Ein Problem: Gewalt in der Pflege
Formen der Gewalt kommen bei älteren, pflegebedürftigen Menschen durchaus häufiger vor. Pflegebedürftige sind sehr oft körperlich schwach, mental nicht “voll da” oder können sich nicht gut artikulieren. Sie sind daher oft Gewalt schutzlos ausgeliefert und ein leichter “Angriffspunkt”. Manchmal geht Gewalt auch von Pflegebedürftigen selbst aus – gegenüber Mitpatienten bzw. -bewohnern oder dem Pflegepersonal.
Gewalt in der Pflege hat viele Facetten – physische und psychische Gewalt, Vernachlässigung, finanzielle Ausnutzung oder intime Übergriffe. Jede Form der Gewalt stellt eine unzulässige Beeinträchtigung elementarer Persönlichkeitsrechte dar, sie kann außerdem die Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen – durch Verletzungen oder als Verursacher von Erkrankungen. Während körperliche Gewalt in der Regel “offensichtlich” ist, findet psychische Gewalt oft subtil statt und ist im Pflegealltag nicht sofort zu erkennen – eine besondere Herausforderung.
Welche Gefahren drohen speziell bei häuslicher Pflege?
Räumlichkeiten und Ausstattung in Pflegeeinrichtungen sind üblicherweise auf Pflegebedürftige ausgerichtet, für Pflege zu Hause gilt dies nicht unbedingt. Hier lauern viele zusätzliche Gefahrenquellen – schlicht, weil ein Haus oder eine Wohnung nicht für Pflegebedürftigkeit gebaut und eingerichtet wurde. Besonders häufig unfallverursachend in den eigenen vier Wänden sind verstellte Wege, unzureichend abgesicherte oder ungünstig konstruierte Treppen, Schwellen und Absätze, glatte Böden und Flächen.
Bei der Einrichtung stellen nicht rutschfeste Teppiche, wackelige Möbel, herumliegende Gegenstände und Einrichtungsstücke mit scharfen Kanten und Ecken einen Gefahrenherd dar. Ebenfalls gefährlich: lose Kabel, unzureichende Beleuchtung, schwer erreichbare Steckdosen, Schalter, Griffe und Geräte. Mit der kritischste Ort im Haus ist das Bad – durch fehlende Rutschfestigkeit des Bodens bei Feuchtigkeit, häufig zu niedrige WC-Sitze für Ältere und schwer überwindbare Hürden bei Badewanne oder Dusche.
Wirksame Gefahrenprävention
Wie kann und sollte Gefahrenprävention aussehen? Hier ein Überblick:
1. Unfällen und Stürzen vorbeugen
In Pflegeeinrichtungen sind die baulichen Voraussetzungen zur Vorbeugung gegen Stürze und Unfälle meist schon gegeben. Bei Pflege zu Hause lässt sich einiges zur Prävention tun. Die Einrichtung – vom Bett über das Badezimmer bis hin zu Alltagsgegenständen – sollte konsequent dem Zustand des Pflegebedürftigen angepasst sein. Hindernisse, Hürden, Rutsch- und Stolperfallen sind zu beseitigen. Oft genügen schon systematisches Auf- und Wegräumen, sicheres Verlegen von Kabeln und gute Erreichbarkeit, um das Unfallrisiko deutlich zu mindern. Eine weitere Maßnahme ist barrierefreier Umbau – vor allem im Bad, in Sanitärräumen und bei Treppen. Wichtig ist auch, auf guten Brandschutz (u.a. durch Rauchmelder) zu achten.
2. Unerlässlich: lückenlose Pflege
Pflegebedürftige sollten die Pflege erhalten, die sie benötigen. Dieser einfache Satz ist im Pflegealltag nicht immer leicht darzustellen – sowohl bei Pflege im Heim, als auch zu Hause. Knappes oder fehlendes Personal, Arbeiten an der Kapazitätsgrenze, überforderte Angehörige – es gibt viele Gründe, warum es zu Pflegemängeln kommen kann. Mangelhafte Pflege ist nicht nur kontraproduktiv, sondern eine Gefahrenquelle an sich. Befinden und Zustand der Pflegebedürftigen können darunter nachhaltig leiden. Humane Pflege erfordert Empathie, Kompetenz und Einsatzfreude, benötigt aber auch die Rahmenbedingungen, um dies zur Geltung zu bringen. Qualitätsmanagement in der Pflege findet mit internen und externen Pflege-Audits statt, allerdings kaum bei der Angehörigen-Pflege. Audits alleine reichen aber nicht, der Rahmen für Pflegekräfte muss auch stimmen – bezüglich Arbeitsbelastung, Entwicklungsperspektiven und Vergütung. Eine langfristige Herausforderung!
3. Wie mit Gewalt in der Pflege umgehen
Gewalt in der Pflege gilt es möglichst zu unterbinden. Mit die größte Herausforderung dabei: Gewaltausübung frühzeitig und zutreffend zu erkennen. Häufig spielt sich Gewalt im Verborgenen oder zu Hause ab – ohne Beisein Dritter. Angehörige, Pflegekräfte, aber – soweit möglich – auch Pflegebedürftige selbst sollten in ihrem jeweiligen Umfeld Warnzeichen nicht ignorieren. Typische “Symptome” sind: blaue Flecken, Hautverletzungen, Verletzungen im Intimbereich, auffällige Verhaltensänderungen. Diese können zwar auch andere Ursachen haben, nicht selten ist aber Gewaltausübung die Ursache. Besteht ein Gewaltverdacht, muss dieser konsequent aufgeklärt und – sofern begründet – gegen weitere Gewaltausübung konsequent vorgegangen werden.
4. Risikomanagement in der Pflege
Last but not least geht es bei Gefahrenprävention neben Einzelmaßnahmen auch um die Etablierung und Realisierung eines übergreifenden Risikomanagements in der Pflege. Die Aufgabe dabei: systematisch und vollständig Gefahren für Pflegebedürftige zu identifizieren, zu analysieren und Maßnahmen zur Gefahrenprävention zu installieren. Risikomanagement in diesem Sinne ist keine Einmalaktion, sondern ein laufender Prozess – mit entsprechender Dokumentation und Verantwortlichkeiten.