“Studieren, um Bettpfannen zu wechseln?” So oder so ähnlich lautet manches Vorurteil, dem das Pflegestudium hierzulande immer noch begegnet. Dabei wäre mehr akademisch ausgebildeter Nachwuchs in der Pflege dringend nötig. Nicht nur wegen gestiegener Pflegeanforderungen, sondern auch um Aufstiegsperspektiven zu eröffnen und den Pflegeberuf insgesamt attraktiver zu machen. Allerdings leidet das Pflegestudium selbst an mangelnder Attraktivität. Die vorhandenen Studienplätze sind nur zum geringeren Teil belegt.
Christine Vogler, die Vize-Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), hat kürzlich darauf hingewiesen, dass bislang weniger als die Hälfte der angebotenen Studienplätze für das Studienfach Pflege tatsächlich in Anspruch genommen wird. Gähnende Leere in Hörsälen – nicht nur wegen Corona – im Pflegefach ist das Realität. Das mag auch daran liegen, dass das Pflegestudium in Deutschland Neuland ist. 2017 besaß weniger als ein Prozent der Pflegefachkräfte eine pflegewissenschaftliche Ausbildung. Einen eigenständigen gesetzlich geregelten Studiengang gibt es erst seit 2020. Vorher konnte das Studium nur im Rahmen von Modellvorhaben und Aufbaustudiengängen realisiert werden.
Duales Pflegestudium seit 2020 möglich
Eine Änderung hat hier das Mitte 2017 verabschiedete Pflegeberufegesetz gebracht. Es ist Anfang 2020 in Kraft getreten. Das Gesetz hat nicht nur die Pflegeausbildung grundlegend reformiert, indem man die bisher getrennten Ausbildungsgänge für unterschiedliche Pflegebereiche zusammenführte. Es wurde auch ein neuer Pflegestudiengang etabliert, der als duales Studium angelegt ist. Er soll Wissenschaft und Praxis stärker miteinander verknüpfen. Deshalb besteht das Studium aus theoretischen Teilen mit klassischen Lehrveranstaltungen und außerdem aus umfangreichen Praxisteilen. Für die praktischen Einheiten sollen die anbietenden Hochschulen entsprechende Kooperationen mit ausbildenden Einrichtungen abschließen. Das Studium endet mit der Bachelorarbeit und der Abschlussprüfung. Bei erfolgreicher Absolvierung erwirbt man den akademischen Grad “Bachelor of Science” und zugleich die Berufszulassung für die Arbeit als Pflegefachkraft wie bei einer abgeschlossenen Berufsausbildung mit Berufsschulbesuch.
Pflegestudium – Experten sehen Handlungsbedarf
Das Konzept des Pflegestudiums klingt gut und der Ansatz ist sicher zu begrüßen. Die Umsetzung lässt aber zu wünschen übrig, was auch an unzureichenden Regelungen des Pflegeberufegesetzes liegt. Darauf hat DPR-Vizepräsidentin Christine Vogler in einem gemeinsamen Statement mit der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. aufmerksam gemacht. Es bestehe eine prekäre Situation, die akademische Ausbildung der Pflege drohe dramatisch einzubrechen und es müsse unverzüglich gegengesteuert werden. Es sind vor allem drei Punkte, bei denen nach Ansicht von Pflegerat und Pflegewissenschaft dringend Handlungsbedarf besteht.
Vergütung für Praxiseinsätze der Studierenden
Bisher ist für die im Studium vorgeschriebenen umfangreichen Praxisteile keine Vergütung vorgesehen – anders als in der Ausbildung über die Berufsschule. Dadurch leidet die Attraktivität des Pflegestudiums im Verhältnis zur Pflegeausbildung erheblich. Gefordert werden ähnliche finanzielle Rahmenbedingungen wie im Hebammenreformgesetz für das Hebammenstudium, das die klassische Ausbildung zur Hebamme bald vollständig ersetzt.
Refinanzierung der Praxisanleitung
Es findet bisher keine Refinanzierung der notwendigen Praxisanleitung für Studierende statt, die die Ausbildungseinrichtungen zu erbringen haben. Diese müssen die Finanzierung selbst “aus Bordmitteln” stemmen, was die Bereitschaft zur Kooperation mit Hochschulen nachhaltig beeinträchtigt. Die Zusammenarbeit ist aber für die Organisation des Pflegestudiums unverzichtbar. Es wird gefordert, den Ausbildungsfonds für die Refinanzierung einzusetzen. Der Ausbildungsfonds wurde im Rahmen des Pflegeberufegesetzes geschaffen, um ein Finanzierungsverfahren mit Ausgleichen für finanzielle Mehrbelastungen durch die neue Pflegeausbildung zu ermöglichen.
Bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen
Die finanzielle Ausstattung der Hochschulen zur Einrichtung und Durchführung von Pflegestudiengängen ist nach Auffassung der beiden Statement-Protagonisten unzureichend. Bund und Länder müssten finanzielle Bedingungen schaffen, die es ermöglichten, Studiengänge personell und materiell angemessen auszustatten. Ungeachtet der bisher nur verhaltenen Annahme des Studienangebots wird in Zukunft ein deutlich größerer Bedarf an Studienplätzen gesehen. In den nächsten zehn Jahren seien 10.000 zusätzliche Plätze nötig.
Pflegestudium – Mehr akademische Qualifizierung dringend nötig
Ohne grundlegende Verbesserungen droht der guten Absicht des dualen Pflegestudiums das Scheitern. Dabei ist mehr akademische Qualifizierung in der Pflege dringend nötig. Denn die Ansprüche sind gestiegen – nicht nur quantitativ durch mehr Pflegebedürftige, sondern auch qualitativ durch die Pflegeinhalte. Pflegekräfte müssen heute über pflegewissenschaftliche, medizinische, psychologische sowie soziale Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen. Dazu bedarf es eines entsprechenden theoretischen Rüstzeugs, wie es ein Pflegestudium vermittelt.
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