Pflegekräfte werden in ihrem Job häufiger Opfer von Gewalt als andere Berufsgruppen. Sie tragen oft die Hauptlast, da sie am meisten mit den Patienten und Angehörigen interagieren. Während viele Angriffe keine körperlichen Verletzungen verursachen, sorgen sie dennoch für seelische Wunden – besonders, wenn ihnen verbal gedroht und sie beschimpft werden. Es gibt aber auch Vorfälle, bei denen Pflegekräfte schon Knochenbrüche und andere Schäden erlitten haben. Gewalt gegen Pflegende ist häufig immer noch ein Tabuthema, das unterschätzt und stiefmütterlich behandelt wird. Woran das liegt, warum es zu steigender Gewalt kommt und was Arbeitgeber und Pflegekräfte tun können, um sich davor zu schützen, zeigt der folgende Beitrag.
Verschiedene Formen von Gewalt
Es gibt eine weit verbreitete Gewalt gegen medizinische Berufsgruppen – dort, wo Gesundheitsversorgung erbracht wird. Pflegekräfte erleben bei der Arbeit Patienten, die fluchen, schreien, sie beschimpfen, treten, bespucken, schubsen, zupacken, drohen, ihnen etwas anzutun oder sie sexuell belästigen. Mobiliar und Geräte werden zerstört, Glasscheiben eingeschlagen oder mit Gegenständen geworfen. Beschäftigte im Gesundheitswesen werden immer wieder zum Gegenstand von Wut, Aggression, Verwirrung und Angst von Patienten.
Ursachen und Gründe
Besonders durch den Personalmangel und die anzeigende Anzahl an Patienten nimmt die Gewalt auf Stationen, in Ambulanzen und Notaufnahmen zu. Den Frust über das Gesundheitssystem bekommen Gesundheits- und Krankenpfleger und Krankenschwestern als Erstes ab, aufgeheizte Stimmungen müssen sie oft aushalten und alleine tragen – Beschimpfungen und angestaute Wut wegen verlängerter Wartezeiten, verschobener Operationen und unbehandelter Zustände müssen sie abfangen, rechtfertigen und oft deeskalierend entgegenwirken.
Sind bestimmte Gruppen häufiger gewalttätig?
Das lässt sich nicht pauschal sagen, aber Menschen unter Alkohol- und Drogeneinfluss verhalten sich oftmals hemmungsloser und aggressiver gegenüber Pflegepersonal – besonders dann, wenn sie nicht sofort behandelt werden. Notaufnahmen sind drastisch unterfinanziert und immer mehr Patienten belagern die Ambulanzen wegen Kleinigkeiten – speziell am Wochenende und in der Nacht. Oftmals sind es ja nicht nur die Patienten, sondern auch deren Angehörige, die aggressiv werden, wenn sie Angst um ihr Familienmitglied haben und erleben, dass es nicht sofort verarztet werden kann. In kleineren Krankenhäusern beispielsweise sind die Notaufnahmen in der Nacht oftmals nur mit einer Person besetzt – Pflegekräfte sind also ganz alleine, wenn Patienten und Angehörige in die Notaufnahme kommen.
Psychiatrische Pflegekräfte sind ebenfalls häufiger der Gefahr ausgesetzt ein Opfer von Gewalt zu werden, doch auch in anderen Bereichen gibt es immer wieder Patienten, die ausrasten – besonders, wenn sie sich hilflos fühlen und unter starken Schmerzen leiden, aber auch, weil sie beispielsweise eine Kur verschrieben haben möchten und Ärzte keine Indikation dafür sehen – diesen angestauten Frust lassen sie dann häufig das Pflegepersonal spüren.
Was Pflegekräfte tun können
Gewalt sollte kein Teil des Pflegejobs sein. Jede andere Annahme ist falsch – wenn bei der Arbeit etwas passiert, das sonst in der Freizeit unerträglich wäre, würde man sich ebenso wehren oder an die Polizei wenden. Pflegekräfte müssen deshalb Gewalt nicht aushalten, schön reden, verschweigen oder sich deswegen schuldig fühlen.
Pflegekräfte sollten in der Lage sein, sich selbst zu schützen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Leben in Gefahr ist. Nachdem sie angegriffen oder bedroht wurden, können Pflegekräfte Folgendes tun:
- Fluchtversuch: Wenn man nicht entkommen kann, sollte man laut genug schreien, um Hilfe zu bekommen.
- eine Barriere schaffen: etwas zwischen sich und die angreifende Person stellen
- sich verteidigen: den Angreifer mit gleicher Kraft zum Stoppen bringen
- Vorfall melden: den Vorgesetzten über den Vorfall in Kenntnis setzen
- Beurlaubung: Nach einem ernsten Angriff sollte man sich eine kleine Auszeit nehmen, denn man ist möglicherweise nervös und emotional zu angeschlagen, um sofort wieder zurück zur Arbeit zu gehen.
- Hilfe und Unterstützung holen: sich mit Menschen umgeben, denen man vertraut, eventuell auch eine Traumaberatung in Erwägung ziehen
- Selbstpflege: sich gut um sich kümmern
- mit Kollegen sprechen und Erfahrungen austauschen
Was Arbeitgeber tun können
Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter ernst nehmen und ihnen das Gefühl geben, dass sie ihnen glauben und man sich jederzeit vertrauensvoll an sie wenden kann. Betroffene, die Opfer von Gewalt wurden, sollten keine zusätzliche Angst haben, von ihren Arbeitgebern beschuldigt zu werden, etwas falsch gemacht zu haben und folglich diszipliniert oder entlassen zu werden – das ist genau der falsche Weg und lässt Hemmungen und Angst eher ansteigen, sich überhaupt zu trauen, darüber zu reden.
Gewalttätige Angriffe müssen als Straftat behandelt werden. Es muss ein Schutz gegen solche Vorfälle vorhanden sein, damit Pflegekräfte nach den gleichen Grundrechten wie jedes andere Opfer eines Angriffs behandelt werden. Mit dem Thema muss offen umgegangen werden – Supervisionen, Fortbildungen, Schulungen, Gesundheitsförderungen, psychologische Unterstützungen sollten selbstverständlich sein und zur Philosophie des Hauses dazugehören. So kommt man als Arbeitgeber der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach und behandelt sie wertschätzend.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schulung aller Pflegekräfte im Umgang mit gewalttätigen Situationen. Dafür können Deeskalationstraining und Selbstverteidigungskurse angeboten werden, um besser gewappnet zu sein und im Notfall Angriffe abwehren zu können.
In immer mehr Einrichtungen werden Sicherheitsdienste beauftragt, damit sich Pflegekräfte wohler fühlen. Besonders für die Nachtschichten in Notfallambulanzen stehen sie den Mitarbeitern schützend zur Seite.
Außerdem können sogenannte Panikknöpfe in der Pflegeeinrichtung angebracht werden, damit Pflegekräfte jederzeit um Hilfe bitten können, wenn sie sich in einer gefährlichen Situation befinden.
Es ist außerdem ratsam, dass Patienten mit Anzeichen von Aggression oder Unruhe schon vorab als risikoreich eingestuft werden, um eine Gewalttat zu verhindern.
Auswirkungen von Gewalt am Arbeitsplatz
Gewalt gegen Pflegekräfte ist oft noch ein tabuisiertes Thema, dabei gehört es für Pflegekräfte zum Alltag dazu, mit missbräuchlicher Sprache, Bedrohungen und Gewalt umzugehen. Etwas, das viele schwer belastet und sich traumatisierend auswirken kann. Daher ist eine zeitnahe Hilfe sehr wichtig, bevor sich solche Erlebnisse manifestieren und im Burnout oder schweren Depressionen enden. Wenn Gewalt ein täglicher Begleiter wird, geht man mit einem unguten Gefühl zur Arbeit, aber auch in der Freizeit kann man diese Erlebnisse nur schwer verarbeiten und loslassen. Das kann zu massivem Unwohlsein, ständiger Anspannung, Unzufriedenheit, Angst und permanentem Druck führen.
In einer generell schon oft angespannten, arbeitsintensiven Atmosphäre müssen Pflegekräfte dazu also auch immer mit dieser Gefahr rechnen. Und dann kommt hinzu, dass viele Betroffene nicht darüber reden wollen, aus Angst, dass sie in Schwierigkeiten geraten könnten, wenn sie es bei der Arbeit ansprechen. Daher sollten Pflegeeinrichtungen eine Vertrauenskultur schaffen, in der sich jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin gut aufgehoben fühlt.
Hilfetelefone für Frauen und Männer
Wer Gewalt erlebt hat und sich jemandem anvertrauen will, kann das auch außerhalb des Arbeitsplatzes oder des Freundeskreises tun und sich beispielsweise an das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen oder das Hilfetelefon Gewalt an Männern wenden.
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