Qualitative und bedarfsgerechte Pflege braucht starke Interessenvertretungen. In Deutschland sind Gewerkschaften, Berufsverbände und Pflegekammern mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben und Zielen für die Stärkung der Berufsgruppe professionell Pflegender verantwortlich. Was Pflegekammern leisten und worin sich die Bundespflegekammer von den Kammern der Bundesländer unterscheidet, behandelt dieser Artikel.
Was sind Pflegekammern?
Pflegekammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese Bezeichnung gibt an, dass der Staat bestimmte hoheitliche Aufgaben an die Berufsgruppe abgibt. Unter dem Schirm der Pflegekammer übernehmen die Pflegefachkräfte daher selbst die Verwaltung und Aufsicht über die professionell Pflegenden ihres jeweiligen Bundeslandes. Die Verantwortung für gute Pflege liegt somit in den Händen der beruflich Pflegenden selbst — der Pflegeberuf erhält eine gestärkte Position als selbstbewusste Profession im Gesundheitswesen.
Damit diese Selbstverwaltung funktioniert, sind alle Pflegefachpersonen mit staatlich anerkannter Ausbildung zur Mitgliedschaft verpflichtet. Wie in anderen Heilberufekammern (z.B. Psychotherapeuten– oder Ärztekammer) sind die Mitgliedsbeiträge abhängig vom Einkommen.
Das große Potential der Pflegekammern für die Autonomie und Emanzipation der Pflegeberufe zeigt ein Blick auf die Zahlen:
- In Deutschland sind 1,2 Millionen Pflegefachpersonen beschäftigt.
- Die erbrachten pflegerischen Dienstleistungen nehmen jährlich 20 Millionen Pflegeempfänger in Anspruch.
- Und am wichtigsten: Eine hohe Pflege- und Versorgungsqualität kommt allen Menschen in Deutschland direkt oder indirekt zugute.
Welche Pflegekammern gibt es in Deutschland?
Vier der 16 deutschen Bundesländer haben bereits eigene Pflegekammern gegründet oder befinden sich gerade im Gründungsprozess. Ihnen steht auf Bundesebene die Bundespflegekammer gegenüber, der die Aufgabe zukommt, die Landespflegekammern auf Bundesebene zu vertreten.
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Die erste Pflegekammer Deutschlands berief am 25. Januar 2016 ihre konstituierende Sitzung ein, im März desselben Jahres wurde der Vorstand gewählt. Mitglieder können sich ehrenamtlich in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsgruppen (z.B. Langzeitpflege, Öffentlichkeitsarbeit, Berufsfeldentwicklung) einbringen. Berufsstarter haben in der Arbeitsgruppe “Junge Kammer” die Möglichkeit, sich über berufspolitische Themen auszutauschen. Die Wahl der Vertreterversammlung findet alle fünf Jahre statt.
Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein
Mit der konstituierenden Sitzung im April 2018 wurde die zweite Pflegekammer Deutschlands auf den Weg gebracht. Für die 27.000 registrierten Pflegefachpersonen (und gemeinsam mit ihnen) definiert die Pflegekammer ethische und berufsrechtliche Grundlagen für die professionelle Pflege. Auch die Entwicklung und Zertifizierung von Weiterbildungen sowie die aktive Mitgestaltung von Pflege-Themen in der Politik gehört (wie in allen Pflegekammern) zu ihren Aufgaben. Im Mai 2021 beschloss der Landtag in Schleswig-Holstein jedoch ein Gesetz zur Auflösung der Pflegeberufekammer. Im März hatten die Mitglieder der Pflegeberufekammer mit großer Mehrheit für deren Auflösung gestimmt.
Pflegekammer Niedersachsen
Im Juni 2018 wurde in Niedersachsen eine weitere Landespflegekammer gegründet, die sich in der Kammerversammlung als zentrales Organ und daraus gebildeten Ausschüssen, Gruppen und einer Ethikkommission organisierte. Im April 2021 wurde die Pflegekammer Niedersachsen nach einer vorhergegangenen Mitgliederbefragung aufgelöst. Kritisiert wird die Auflösung deshalb, weil der Pflegekammer Niedersachsen zu Beginn keine Anschubfinanzierung gewährt wurde und sie zu wenig Rückhalt durch die Landesregierung erhielt. Diese Tatsachen könnten sich in der Mitgliederbefragung negativ ausgewirkt haben.
Pflegekammer Nordrhein-Westfalen
Noch nicht ganz am Ziel aber bereits seit September 2020 auf dem Weg, befindet sich die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen gerade mit dem Errichtungsausschuss in der Vorbereitung der ersten Kammerversammlung. Durch diese soll bis Frühjahr 2022 die Wahl des ersten Vorstandes erfolgen. Von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen erhält die Pflegekammer eine Anschubfinanzierung in Höhe von fünf Millionen Euro, bevor sich die Kammer durch Mitgliedsbeiträge selbst finanzieren kann.
Bundespflegekammer
Gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) haben die Landespflegekammern im Jahr 2019 die Bundespflegekammer ins Leben gerufen, die für die Vertretung der berufspolitischen Interessen der Pflegefachberufe auf Bundesebene zuständig ist. Anders als die Landespflegekammern ist die Bundespflegekammer ein eingetragener Verein und keine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Als zentrales Vernetzungsorgan übernimmt sie folgende Aufgaben:
- Interessenvertretung aller Pflegefachpersonen auf Bundesebene
- Ansprechpartner für Politik und Selbstverwaltung
- Koordination und Kommunikation der länderübergreifenden pflegepolitischen und -fachlichen Fragestellungen
- Etablierung von Rahmenordnungen, die z.B. der Vereinheitlichung von länderspezifischen Weiterbildungsordnungen dienen
- Vernetzung der Aktivitäten bestehender Landespflegekammern
Aufgaben von Pflegekammern
Die Aufgaben der auf Länderebene etablierten Pflegekammern gehen weit über die Interessenvertretung hinaus. Die Übernahme verschiedener hoheitlicher Aufgaben verleiht Pflegekammern auf Länderebene weitreichende Befugnisse im Bereich der Berufsordnung und -aufsicht.
Zu diesen gehören:
- Definition ethischer Richtlinien, beruflicher Pflichten und Qualitätsstandards in einer Berufsordnung
- Registrierung aller professionell Pflegenden im jeweiligen Bundesland
- Ausübung der Berufsaussicht und damit Schutz des Berufsansehens in der Öffentlichkeit
- Prüfungsabnahme und Regelungen über Weiterbildungen
- Mitbeteiligung bei der Ausgestaltung gesetzlicher Bestimmungen, die Bereiche wie Curricula, Pflegeausbildung und die Pflege im Gesundheitssystem betreffen
Vorteile der Pflegekammern für Pflegefachkräfte
Viele politische Entscheidungen, die den Bereich der professionellen Pflege angehen, wurden in der Vergangenheit getroffen, ohne auf berufsfachliche Instanzen zurückzugreifen. Aufgaben und Ziele der Pflege wurden nicht durch die Pflegenden selbst definiert. Gerade weil Angehörigen anderer Heilberufe (wie etwa Apotheker/innen und Ärzt/innen) das Recht zugestanden wird, berufliche Inhalte selbst zu bestimmen und weiterzuentwickeln, ist es Zeit, Professionalisierungsprozesse für den Pflegeberuf anzustoßen.
Die Übernahme bestimmter hoheitlicher Aufgaben verschafft den Pflegekammern die nötige Autonomie, um selbst Aufgaben- und Kompetenzprofile für klar definierte Bereiche der Berufsausübung festzulegen.
Durch die große Menge an Pflegefachpersonen könnte die Bundespflegekammer die größte Heilberufekammer in Deutschland werden. Der somit gewonnene Einfluss bietet die Chance auf mehr Mitspracherecht und Einbezug der pflegerischen Perspektive bei politischen Entscheidungen, die die Pflege selbst betreffen.
Zusammenspiel der Pflegekammern mit Gewerkschaften und Berufsverbänden
Tarifverhandlungen, Altersversorgung oder Qualitätsprüfungen am Arbeitsplatz gehören nicht in den Aufgabenbereich der Pflegekammern. Die verschiedenen Interessen professionell Pflegender werden außerdem durch Berufsverbände und Gewerkschaften wahrgenommen.
- Gewerkschaften setzen sich für eine angemessene Vergütung und gute Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte ein. Sie arbeiten Tarifverträge mit Arbeitgebern aus und organisieren z.B. Streiks, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.
- Berufsverbände vertreten in erster Linie die Interessen selbstständiger Pflegekräfte. Ihr Ziel ist es, durch arbeitsrechtliche und fachliche Beratung für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Durch den Fokus auf Fachlichkeit und die Übernahme verbandspolitischer Aufgaben soll das Ansehen der Pflege erhöht werden.
Fazit
Unabhängigkeit, Autonomie und eine Stellung auf Augenhöhe mit anderen Heilberufen sind gute Gründe für Pflegekammern. Bisher haben jedoch erst vier Bundesländer den Schritt gewagt, eigene Pflegekammern zu etablieren. Das Beispiel Niedersachsen zeigt dabei, dass eine angemessene Starthilfe vonseiten der Landesregierung womöglich die Scheidelinie zwischen langfristigem Erfolg und Misserfolg definiert.
Mehr politischer Einfluss und die selbstständige Festlegung der eigenen Berufsordnung und ethischen Pflichten sind die Hauptargumente für die Pflegekammer. Letztlich sollten sich Kammern, Gewerkschaften und Berufsverbände gegenseitig ergänzen, um das Ansehen des Pflegeberufs in der Öffentlichkeit zu stärken.
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