Medizinische Fachangestellte sind die wertvollste Ressource für den Erfolg, allerdings leiden vor allem sie chronisch an hohen Stresspegeln und damit verbundenen Begleiterscheinungen. Nicht nur seit dem Start der Impfkampagne arbeiten viele MFA am Limit und kämpfen mit Erschöpfungszuständen und Stress. Was Mitarbeiter und das Arbeitsklima besonders belastet und wie Ärzte Abläufe und Kommunikation so verbessern können, dass der Stress nicht überhandnimmt, haben wir hier zusammengefasst.
Stressige Situationen für MFA
Eine Befragung von 900 Medizinischen Fachangestellten ergab, dass das Stressniveau in der Praxis außerordentlich hoch ist. Medizinische Fachangestellte haben vielfältige Aufgaben, die gleichzeitig Konzentration und Freundlichkeit verlangen. Egal ob häufige Telefonanrufe, Überstunden, ungeduldige oder aufgebrachte Patienten oder ein genervter Hausarzt – die MFA muss jederzeit den Überblick bewahren. Dieser anhaltende Stress schadet jedoch dem Arbeitsklima in der Praxis. Ruhig zu bleiben fällt da oftmals schwer.
Was Stress im Körper auslöst
In Belastungssituationen setzt der Körper die Stresshormone Adrenalin und Kortisol frei, welche den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereiten. Die Bronchien weiten sich, wodurch die Atmung schnell und flach wird. Das Herz schlägt schneller und stärker, wodurch der Blutdruck steigt und sich Blutgefäße verengen. Die Muskeln werden besser durchblutet und spannen sich stärker an und mehr Zucker wird ins Blut abgegeben. Die Verdauung wird verzögert und die Schmerzempfindlichkeit nimmt ab. Ist die Gefahrensituation vorüber, nimmt die Hormonproduktion wieder ab und der Körper beruhigt sich; bei Dauerstress entfällt diese Entspannungssituation jedoch und der Körper befindet sich ununterbrochen in diesem Erregungszustand, was mit der Zeit zu Erschöpfung oder körperlichen und seelischen Problemen führt.
Risiken durch langfristig andauernden Stress
Stress kann ernsthafte psychische und physische Folgen haben und krank machen. Dies ist besonders knifflig, wenn Betroffene den Zusammenhang zwischen Gemütslage und Dauerüberlastung nicht erkennen: Magen-Darm-Beschwerden können als Folgen von zu fettigem Essen und Reizbarkeit als Reaktion auf Unfreundlichkeit fehlinterpretiert werden. Dies führt dazu, dass Betroffene keine Gegenmaßnahmen zum Stressabbau einleiten, und dies kann ernsthafte Folgen haben: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, erhöhte Leberwerte, Hautausschläge, Magen-Darm-Erkrankungen, Burnout und Depression.
Körperliche Warnsignale
Chronischer Stress versetzt den Körper in ständige Alarmbereitschaft und macht sich durch eine Reihe von körperlichen und psychischen Symptomen bemerkbar. Typische Stresssymptome sind innere Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit, Verspannungen, erhöhter Puls, Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, verminderte Libido oder Erektionsstörungen sowie höhere Infektanfälligkeit.
Stress in der Praxis vorbeugen
Vorbeugen ist besser als heilen, besonders wenn es um Stress geht. Vor allem Gesundheitsprofis wie MFA und Ärzte sollten hier Vorbilder sein, denn wer Patienten rund um das Thema Gesundheit berät, sollte selbst gesund, belastbar und motiviert sein. Das Thema sollte daher anhand dieser Orientierungsfragen in der nächsten Teambesprechung diskutiert werden: Ist unsere Praxis eine gesunde Praxis? Wie können wir mehr Gelassenheit in den Arbeitsalltag bringen? Warum gibt es Stresssituationen und wie können wir sie vermeiden?
Arbeitsabläufe umstrukturieren
Der wichtigste Schritt bei der Stressbekämpfung in der Praxis ist die Umstrukturierung der stressbelasteten Arbeitsabläufe. Diese sollte in vier Schritten erfolgen:
- Hektik stoppen: In einer akuten Stresssituation sollte sekundenlang pausiert werden. Ein bisschen Schulterkreisen, tiefes Luftholen oder kurzes Augenschließen genügen oft schon.
- Problem zerlegen: Hohes Arbeitsaufkommen kann als Ganzes betrachtet wie ein Berg wirken. Diesen sollte die MFA in seine Bestandteile zerlegen: Erst Überweisungen schreiben, dann Rezepte ausdrucken, dann Laborwerte bereitlegen, usw.
- Szenarien durchdenken: Ein Worst-Case-Szenario wird weniger stressbeladen, wenn man es bis zum Ende durchdenkt, denn dann kann man sich damit abfinden und hat eine Motivation, diesen Ausgang zu verhindern.
- Arbeit zurücklassen: Selbst bei der Arbeit gibt es Momente, in denen man Ruhe erleben kann. Der Gang in die Kaffeeküche oder zur Toilette kann z.B. zu einer zweiminütigen Auszeit werden.
Probleme ansprechen
Treten gewisse Stressoren immer wieder auf und kann die Ursache dafür klar eruiert werden, sollte das auch angesprochen werden. Wenn z.B. eine MFA immer Chaos im Labor hinterlässt, das von den nachfolgenden Medizinischen Fachangestellten beseitigt werden muss, sollte das offen thematisiert und geklärt werden. Und kleine Gefälligkeiten können arbeitserleichternd wirken: Wenn der Arzt oder die Ärztin z.B. deutlicher schreibt, können die eingesparten zehn Minuten angestrengtes Lesen sinnvoller verwendet werden.
Freizeit zur Entspannung nutzen
Die besten Stresskiller sind ausreichende Bewegung und soziale Kontakte. Sport unterstützt den Körper beim Abbau der durch den Stress freigesetzten Energiereserven und der Austausch mit Freunden, Kollegen oder Familie vermittelt positive Gefühle, die den Körper aus seinem Alarmzustand holen. Hobbys können den Geist ablenken und Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga oder Meditation bieten über die Anwendungszeit hinaus den Zusatznutzen, dass sie den Körper grundsätzlich weniger stressanfällig machen. Darüber hinaus gilt: Alles, was Spaß macht, hilft.
Was Praxisleitungen tun können
Ärztinnen und Ärzte können ihre Medizinischen Fachangestellten aktiv bei ihrer Arbeit unterstützen und damit stressentlastend auf den gesamten Praxisbetrieb einwirken. Eine Kultur des Empowerments zu pflegen zeigt nicht nur der MFA, dass sie als Arbeitnehmerin geschätzt wird, sondern auch, dass der Arzt Vertrauen in ihre Fähigkeiten hat. Die aktive Ermutigung der MFA zu eigenständigem, spontanem Handeln wirkt wertschätzend und eliminiert kleine Alltagsstressoren durch die Ausräumung von Unsicherheiten. Bauchgefühle sind oft intelligent und korrekt und sollten innerhalb eines zuvor festgesteckten Handlungsrahmens ermutigt werden.
Verbesserungsvorschläge des Teams anhören und umsetzen
Kommunikation ist das oberste Gebot für Ärzte. Sie sollten Problemsituationen nicht ignorieren, sondern offen kommunizieren, damit sich kleine Angelegenheiten nicht zu großen Problemen aufbauschen. Der offene Gesprächsaustausch mit dem Team über Ängste und Bedürfnisse und das Annehmen von Verbesserungsvorschlägen sind Gold wert.
Gemeinsame Rituale für ein verstärktes Wir-Gefühl einführen
Team-Rituale stärken den Zusammenhalt und erhöhen die Produktivität. Ärzte sollten ihren MFA Freiräume schaffen, in denen sie nicht „der Chef“ sind. So wird das Teamwork gestärkt und eine Atmosphäre geschaffen, in der Probleme unverkrampft und auf dem kurzen Dienstweg angesprochen und gelöst werden können. Zum Beispiel ein monatliches Feierabendbier oder eine halbe Stunde gemeinsames Walking jeden Mittwoch nach Feierabend kann Wunder wirken.
Wertschätzung und Feedback
Wertschätzung ist für eine gute und stressfreie Arbeitsatmosphäre unverzichtbar. Ärzte sollten daher den Austausch mit ihren Mitarbeitern suchen und kultivieren. Wenn es eine brenzlige Situation gab, sollte diese schuldzuweisungsfrei besprochen und nach Lösungen gesucht werden. Auch die Feedback-Kultur sollte gepflegt werden: Positives Feedback ist ein Muss und sollte wenn möglich wöchentlich erfolgen, auch wenn es nur fünf Minuten in der Kaffeeküche sind.
Wenn der Stress zu groß wird – Hilfe annehmen
Bei allen guten Vorsätzen und einem noch so ausgeklügelten Praxis-System kann es doch vorkommen, dass manche Medizinische Fachangestellte bereits zu vorbelastet sind und diese stressentlastenden Eingriffe in den Praxisalltag sie nicht mehr erreichen. Hier sollte nicht noch länger gezögert und professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Psychologen, Therapeuten und Coaches können gezielte Hilfestellung geben und in schwerwiegenden Sonderfällen können Psychiater gegebenenfalls durch Medikamente den akuten Stress abmildern. Welcher Weg gewählt wird, sollte mit allen Beteiligten vorurteilsfrei gemeinsam entschieden werden.
Passende Stellenangebote für Medizinische Fachangestellte
Wer aktuell noch auf der Suche nach einem passenden Stellenangebot ist, findet bei Medi-Karriere eine große Auswahl, wie zum Beispiel zahlreiche Jobs für Medizinische Fachangestellte.