Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. In kaum einem anderen Bereich ist der Reformbedarf aktuell so groß wie in der Pflege – das hat nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt. Welche Pläne verfolgen die großen deutschen Parteien, um die Arbeitssituation in der Alten-, Kranken- und Gesundheitspflege zu verbessern? Wie stehen sie zur Ausgestaltung der Pflegeversicherung, zu einem einheitlichen Tarifvertrag und zu Fallpauschalen? Hier gibt es die relevanten Aussagen aus den Parteiprogrammen im Überblick.
Pflegeversicherung
Ein besonders großer Streitpunkt vor der Bundestagswahl ist der zukünftige Charakter der Pflegeversicherung. So stellen sich die Parteien die Ausgestaltung vor:
CDU und FDP halten am Nebeneinander von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung mit Teilkasko-Charakter fest. Die Union möchte zusätzlich die betriebliche Zusatzversicherung fördern und den Pflegevorsorgefonds bis 2050 verlängern.
Die FDP setzt auf ein Drei-Säulen-Modell aus Pflegeversicherung, privater und betrieblicher Vorsorge. Darüber hinaus plädiert sie für die Einführung eines “liberalen Pflegebudgets”, in das alle Leistungsansprüche einfließen und über das Pflegebedürftige unbürokratisch verfügen können. SPD, Grüne und Die Linke streben eine einheitliche Pflegebürgerversicherung an. Die AfD möchte die gesetzliche Pflegeversicherung mit der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenlegen.
Arbeitszeiten
Lange Arbeitszeiten stellen eine hohe Belastung für Pflegekräfte dar und schrecken Berufseinsteiger ab. Konkrete Aussagen zu Arbeitszeiten treffen jedoch nur zwei Parteien: Die CDU hält attraktive Arbeitsbedingungen für wichtig, insbesondere verlässliche Dienstpläne.
Die Grünen möchten die im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich enthaltenen Ausnahmen einschränken, um der Überlastung des Pflegepersonals vorzubeugen. Zusätzlich fordern sie neue Arbeitszeitmodelle, beispielsweise eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Ausbildung und Akademisierung
Drei Parteien beziehen sich in ihren Programmen zur Bundestagswahl konkret auf die Pflegeausbildung. Die CDU stellt vor allem die Ausbildung zur Pflegeassistenz in den Mittelpunkt ihres Wahlprogramms. Diese soll bundesweit vereinheitlicht und vergütet werden.
Die FDP plädiert für mehr leistungsgemäße Durchlässigkeit in der Pflegeausbildung. Zudem möchte sie die pflegerische Kompetenz stärken. Die Ausbildung soll neben Fachkenntnissen Empathie, soziale Kompetenz und technologische Fähigkeiten vermitteln. Weiterhin spricht sie sich dafür aus, Auszubildende nicht mehr zur Berechnung des Pflegeschlüssels heranzuziehen. Die FDP geht auch auf die Akademisierung der Pflege ein und will sich für eine Ausweitung der Pflegewissenschaften an den Hochschulen einsetzen.
Die AfD stellt sich gegen die generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann und befürwortet eine Rückkehr zur getrennten Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege.
Die Grünen gehen in ihrem Wahlprogramm zwar nicht auf die Ausbildung ein, versprechen jedoch Unterstützung für die Studiengänge der Pflegewissenschaften und Pflegepädagogik sowie pflegerische Forschungsvorhaben.
Digitalisierung
Die CDU verspricht, 500 Millionen Euro in die Robotik und Digitalisierung der Pflege fließen zu lassen. Für die FDP ist die Digitalisierung ein Kernthema. Sie möchte digitale Anwendungen, die Automatisierung pflegerischer Arbeitsabläufe sowie die Robotik vorantreiben.
Fallpauschalen-/ DRG-System
Im Jahr 2004 lösten die Fallpauschalen die bis dahin gültigen Tagessätze ab. Aus den Fallpauschalen werden auch die Personalkosten finanziert. Für Pflegekräfte blieb oft nur wenig Geld übrig. 2018 führte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) daher ein eigenes Budget für Pflegepersonalkosten ein – ein erster Schritt, der das DRG-System ins Wanken brachte.
Die Fallpauschalen sind Wahlkampfthema für zwei Parteien. Die SPD verspricht, das DRG-System nach der Bundestagswahl auf den Prüfstand zu stellen und die Pauschalen wo nötig abzuschaffen. Die Linke fordert die komplette Abschaffung der Fallpauschalen und eine Refinanzierung der Betriebskosten durch die Krankenkassen.
Gehälter und Tarifverträge
Alle Parteien gehen in ihren Wahlprogrammen auf die Relevanz angemessener Gehälter in den Pflegeberufen ein. Die SPD fordert Branchentarifverträge, Die Linke einen allgemeinverbindlichen Flächentarifvertrag, der auch für private und kirchliche Arbeitgeber gilt. Die SPD möchte zudem eine weitere Erhöhung der Mindestlöhne anstreben, Die Linke fordert konkret 500 Euro mehr Grundgehalt pro Pflegekraft. Auch die AfD strebt einen Flächentarifvertrag an.
Die FDP verspricht zwar eine angemessene Bezahlung, macht aber keine Aussagen hinsichtlich Tarifverträgen. Die Grünen wollen die soziale Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die ihre Beschäftigten nach Tarif entlohnen – so steht es allerdings bereits im Juni 2021 verabschiedeten Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG).
Personalbemessung
In ihren Programmen zur Bundestagswahl sprechen sich alle großen Parteien für eine Abkehr von den reinen Pflegepersonal-Untergrenzen und für eine bedarfsgerechte, bundesweit einheitliche Personalbemessung aus. Konkrete Zahlen nennt Die Linke: Um den Personalmangel zu beheben, möchte sie je 100.000 mehr Pflegekräfte in die Krankenhäuser und in die Pflegeheime bringen.
Häusliche Pflege
Die CDU möchte pflegende Angehörige unterstützen und die ambulante Pflege verbessern. Das soll unter anderem durch wohnortnahe, gezielte und flexible Angebote geschehen. Außerdem sollen die Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie Betreuungsleistungen zu einem Budget zusammengefasst werden.
Die SPD fordert, dass pflegende Angehörige 14 Monate Anspruch auf Lohnersatz erhalten. Die Linke möchte, dass sich berufstätige Pflegende bis zu sechs Wochen lang bei vollem Lohnausgleich freistellen lassen können. Professionelle Tages- und Kurzzeitpflegeangebote sollen Angehörige unterstützen. Außerdem soll die Pflegearbeit in Privathaushalten nach Tarif bezahlt werden.
Die Grünen möchten vor allem Angebote von ambulanten Pflegediensten in den Wohnquartieren stärken. Berufstätige, die pflegebedürftige Angehörige betreuen, sollen sich über die PflegezeitPlus für drei Monate freistellen lassen können.
Die FDP möchte pflegende Angehörige durch mehr Kurzzeitpflegekräfte, bessere Beratungsangebote und Telepflege entlasten.
Politische Mitsprache
Die FDP verspricht, das politische Mitspracherecht der Pflegekräfte zu stärken und ihre Expertise bei politischen Entscheidungen zur Pflege zu berücksichtigen. CDU und Grüne sprechen sich für die Einrichtung einer Bundespflegekammer aus, um die Selbstverwaltung der Pflegeberufe zu stärken. Die Grünen möchten den Pflegeberufen zudem Mitspracherechte im Gemeinsamen Bundesausschuss und weiteren politischen Entscheidungsgremien einräumen. Die Linke und AfD lehnen eine Bundespflegekammer ab.
Eigenverantwortung
Die Grünen gehen in ihrem Programm zur Bundestagswahl konkret darauf ein, dass sie Pflegekräfte mit mehr Eigenverantwortung ausstatten möchten. Nichtärztliche Gesundheits- und Pflegeberufe sollen demnach mehr Tätigkeiten übernehmen und eigenverantwortlich Hilfsmittel und pflegenahe Produkte verordnen dürfen. Weiterhin plädiert die Partei für die Einrichtung regionaler Gesundheitszentren, in denen alle Gesundheitsberufe auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Privatisierung
Der Anteil privater Träger in der Pflege ist hoch, bei den Altenpflegeheimen beträgt er sogar 42 Prozent. Wie stehen die Parteien zur Privatisierung der Alten- und Krankenpflege?
Die CDU sieht die Trägervielfalt aus Ausdruck einer pluralen Gesellschaft und möchte sie erhalten. Ganz anders äußern sich die Grünen, die SPD und Die Linke. Die Grünen schreiben in ihrem Parteiprogramm, dass sie den Trend zur Privatisierung umkehren möchten. Die SPD wünscht sich ausdrücklich, dass der Staat mehr Einfluss auf den Anbietermarkt in der Altenpflege nimmt. Die Linke möchte Krankenhäuser, die sich aktuell in privater Trägerschaft befinden, in die kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Hand überführen. Zudem fordert die Partei, dass kommunale Krankenhäuser das Outsourcing patientenferner Dienstleistungen wie Reinigung und Küche wieder zurücknehmen.
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