Weniger Papierkram und mehr Zeit für die Pflege – die Pflegedokumentation galt längst als zeit- und nervenraubender Prozess. Durch die Strukturierte Informationssammlung (SIS) soll die Pflegedokumentation nun entbürokratisiert werden. Doch wie funktioniert das neue System und worin liegen die Vorteile der vereinfachten Pflegedokumentation?
Pflegedokumentation bisher
Die Dokumentation nimmt in der Pflege eine bedeutende Rolle ein, denn der Austausch relevanter Informationen zwischen Kolleginnen und Kollegen ist der Schlüssel für eine funktionierende Pflege und die Vermeidung von Pflegefehlern. Ziel der Pflegedokumentation ist die vollständige schriftliche Dokumentation sämtlicher Pflegeschritte einschließlich ermittelter Messwerte sowie pflegerelevanter Befunde und geplanter Maßnahmen. Bisher stellte die Pflegedokumentation jedoch eher einen zeit- und nervenraubenden Prozess dar.
Noch vor einigen Jahren waren laut dem Statistischen Bundesamt rund 20 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen ausschließlich mit der Dokumentation und nicht mit pflegerischen Tätigkeiten beschäftigt. Vor den Pflegefachkräften türmten sich immer höhere Papierstapel – zum Leidwesen der Patienten.
Die Dokumentation im Pflegebereich setzte sich nachdem bisher gängigen „AEDL-Modell“ von Monika Krohwinkel aus 13 Kategorien zusammen, in welche die Bedürfnisse der Patienten eingeteilt wurden. Zu den gängigen Kriterien zählten unter anderem wie die Patienten kommunizieren, sich bewegen, sich kleiden, essen und trinken, ruhen und schlafen, sich beschäftigen oder sich pflegen. Obwohl die Anzahl der Formulare verglichen mit dem Vorgänger-Modell „ATL“ bereits reduziert wurde, blieben den Pflegekräften noch immer mehr als 15 Seiten zur Bearbeitung.
Wechsel der Pflegedokumentation
Viele Betroffene forderten eine Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, denn in den vergangenen Jahren hatten viele Pflegeeinrichtungen ihre Pflegedokumentation zunehmend ausgeweitet. Nicht zuletzt aus dem Motiv heraus, bei den Pflege-Qualitätsprüfungen „auf der sicheren Seite“ zu stehen. Doch der dabei entstandene Umfang der Dokumentation ging zum Teil weit über das erforderliche Maß hinaus.
Neben dem zeitlichen Aufwand schlug die Pflegedokumentation auch in finanzieller Hinsicht besonders zu Buche. So lagen die jährlichen Kosten der Dokumentation im Jahre 2009 laut dem Statistischen Bundesamt bei rund 2,7 Milliarden Euro. Die Pflegedokumentation war also für rund 14 Prozent aller Ausgaben der Pflegeversicherung verantwortlich.
Strukturierte Informationssammlung (SIS) – Aufgaben und Funktion
Die Strukturierte Informationssammlung (SIS) ist Teil eines Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation. Es wurde von dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, der ehemaligen Ombudsfrau Elisabeth Beikirch, und dem Projektbüro „Ein-STEP” erarbeitet und ist eines von vier Stufen im Strukturmodell.
Die Strukturierte Informationssammlung ist notwendig um einzuschätzen, wie hoch die Pflegebedürftigkeit eines Patienten ist. Sie lässt sich ohne viel Aufwand an dessen Situation anpassen. In der Regel erfolgt die SIS im Rahmen eines Aufnahme- oder Erstgesprächs mit dem Pflegebedürftigen und/oder dessen Angehörigen. Dabei bezieht sich die Strukturierte Informationssammlung auf die fünf Themenfelder Kognition und Kommunikation, Mobilität und Bewegung, krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen, sowie Selbstversorgung und Leben in sozialen Beziehungen.
Mittels SIS erfragen Altenpflegerinnen und Altenpfleger die Wahrnehmung und Erwartungen des Patienten erfragt und notieren diese in genauem Wortlaut sowie in der Ich-Form. Während das AEDL – Modell vielmehr eine Anleitung für Pflegekräfte darstellte, fordert und fördert das Strukturmodell somit vor allem die Kommunikation. Die Pflegefachkräfte können den gesamten Pflegeprozess kann mit dem Betroffenen und den Angehörigen gemeinsam planen.
Strukturierte Informationssammlung (SIS) – Vorteile
Ziel der Strukturierten Informationssammlung ist es, die Pflegedokumentation zu entbürokratisieren, indem bürokratische Maßnahmen deutlich vereinfacht werden. Unnötige und vor allen Dingen zeitraubende Dokumentationsschritte sollen nunmehr der Vergangenheit angehören. Zu den zahlreichen Vorteilen der strukturierten Informationssammlung gehört vor allem die Entlastung der Pflegekräfte. Im Rahmen des Strukturmodells werden ausschließlich Informationen dokumentiert, die eine Pflegeeinrichtung für relevant hält. Lediglich ein verbindlicher Rahmen ist vorgegeben.
Die Pflegekräfte können sich nunmehr ganz auf ihre fachliche Kompetenz als Pflegefachkräfte konzentrieren und gewinnen aufgrund der erheblichen Arbeitsentlastung mehr Zeit für die Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner. Gleichzeitig ist die Strukturierung der neuen Pflegedokumentation so gestaltet, dass der Fokus auf Abweichungen und tagesaktuelle Ereignisse im Berichteblatt liegt. Veränderungen im Hinblick auf erhöhten Hilfe- und Pflegebedarf der Bewohner können somit von allen Pflegern frühzeitig erkannt werden.
Des Weiteren rückt der Patient aufgrund der verbesserten persönlichen Kommunikation nun vielmehr in den Vordergrund. Auch die Erfahrungswerte und das Fachwissen der Pflegekräfte fördert die Strukturierte Informationssammlung.
Patienten stehen im Vordergrund
Die Befragung im alten System war regelrecht statisch und unpersönlich. Die Strukturierte Informationssammlung hingegen zeichnet sich vor allem durch ihre Personenzentriertheit aus. Mittels des Erstgespräches mit Pflegern, Angehörigen und Pflegebedürftigen erfragt man die Wünsche und Bedürfnisse und notiert sie im genauen Wortlaut sowie in der Ich-Form. Das Wohlbefinden der Patienten rückt aufgrund der verbesserten Kommunikation in persönlichen Gesprächen in den Vordergrund.
Mehr Zeit für Pflege
Verglichen mit dem ABEDL- bzw. AEDL-Modell sind für die Pflegeplanung der Strukturierten Informationssammlung nur noch fünf statt 13 Themenfelder relevant, um den Hilfe- und Pflegebedarf eines Patienten einordnen zu können. Laut einer Umfrage des Projektbüros Ein-STEP geben rund 79 Prozent der Pflegedienstleitungen und 74,4 Prozent der Pflegefachkräfte in Pflegeheimen an, eine deutliche Zeitersparnis aufgrund der Entbürokratisierung zu verzeichnen. Auf die Frage, wofür sie die eingesparte Zeit nutzen, antworteten die Befragten mehrheitlich mit der Angabe „individuelle Pflege“.
System fordert Pflegfachkräfte
Während die Einschätzung zur Pflege eines Patienten im ABEDL-Modell auf einer großen Anzahl von Informationen aus verschiedenen Quellen basierte und das Fachwissen der Pflegekraft lediglich eine zweitrangige Rolle spielte, fördert SIS die Erfahrungswerte der Pflegekräfte deutlich mehr. Der Pfleger lernt die Sichtweise und Wünsche des Patienten kennen und gibt eine Einschätzung anhand von Fachwissen und Erfahrung ab.
Strukturierte Informationssammlung (SIS) – Ausblick
Bisher ist die Einführung der strukturierten Informationssammlung in der Pflege nicht verpflichtend. Die Vorteile des liegen jedoch auf der Hand: mehr Zeit für die Pflege, weniger Papierkram und eine Verbesserung der Kommunikation. Während im Jahr 2016 nur 40 Prozent der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen das vereinfachte Dokumentationssystem nutzten, liegt die Zahl nach Einschätzung der Trägerverbände derzeit bei rund 80 Prozent.
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