Die Berliner Charité hat kürzlich eine vom GKV-Spitzenverband geförderte Studie im Bereich der Pflege und Altenpflege zum Thema Covid-19 in Pflegeheimen vorgelegt. Die Fragestellung dieser Studie war: „Wie haben die Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 in Pflegeheimen gewirkt und was kann man für die Zukunft daraus lernen?“ Die sogenannte Covid-Heim-Studie begann im Juli 2020 und lief bis Ende 2022. Als Forschungsdatenbasis der Erhebung wurden anonymisierte Abrechnungsdaten der AOK-Krankenkasse von Januar 2015 bis Juni 2021 verwendet. Zusätzlich hierzu hat man sowohl Pflegepersonen und Heimleitungen als auch Pflegebedürftige und deren Angehörige befragt.
In diesem Artikel sind die wichtigsten Erkenntnisse und Problematiken der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Pflege und Altenpflege zusammengefasst, die in der Studie festgestellt wurden.
Sterblichkeits-Entwicklungsrate in Pflegeheimen
Einer der bedeutsamsten Teile der Studie für den Bereich der Pflege und Altenpflege war die datengestützte Auswertung der Sterblichkeits-Entwicklung in Pflegeheimen im Pandemie-Verlauf. Hierbei zeigte sich eine Erhöhung der Sterblichkeits-Entwicklungsrate im Verlauf der zweiten Welle:
In der zweiten Welle (Dezember 2020 bis Februar 2021) starben im Durchschnitt wöchentlich elf von 1.000 Heimbewohnenden. Wiederum in der dritten Welle (April 2021) sank die Sterblichkeitsrate der Pflegeheimbewohnenden unter den Wert der Vorjahre, vermutlich aufgrund der priorisierten Impfungen. Von allen in diesem Zeitraum (Dezember 2020 bis April 2021) aufgrund einer Corona-Infektion in ein Krankenhaus eingewiesenen Heimbewohnenden verstarben knapp 60 Prozent innerhalb von 90 Tagen nach der Hospitalisierung. Zum Vergleich: In den gesamten Jahren 2015 bis 2019 starben durchschnittlich nur sieben von 1.000 Pflegeheimbewohner/innen.
Defizite hausärztlicher Versorgung in Pflegeheimen
Etwa ein Drittel aller Pflegeheime hatte mittlere bis schwere Defizite in der Pflege und Altenpflege sowie in der hausärztlichen Versorgung während der Hochzeiten der Pandemie. Dabei sei es teilweise zu Einschränkungen in der grundlegenden ärztlichen Versorgung gekommen: Pflegeheimbewohnende hätten z.B. teilweise aufgrund der Pandemie-Maßnahmen zeitweise keinen Zugang zu Hausärzten/-innen, Zahnärzten/-innen oder ähnlichen Fachärzten/-innen erhalten.
Die Covid-Heim-Studie deckte diese Versorgungsengpässe jedoch nicht nur auf, sondern zeigte auch Möglichkeiten zur Vorbeugung ähnlicher Zustände in der Zukunft auf. Die Fachleute der Berliner Charité gaben folgende Empfehlungen dazu, wie vulnerable Gruppen v.a. in der Pflege und Altenpflege bei künftigen Groß-Infektionsereignissen besser zu schützen sind:
- Einstellung und Implementierung von Hygienebeauftragten in Pflegeheimen als erster Schritt
- Stärkung des effektiven Infektionsschutzes in Pflegeheimen als zweiter Schritt: Einführung von Hygienemaßnahmen, Desinfektionsprotokollen, effektiver Infektionsüberwachung und -nachverfolgung, diesbezügliche Schulungen der Fachkrankenpfleger/innen bzw. Altenpfleger/innen
- Stärkung von fach- und hausärztlicher Versorgung in Pflegeheimen als dritter Schritt: Gewährleistung des Zugangs für Ärzte/-innen auch in Zeiten von Infektionsschutzmaßnahmen, ggf. durch zusätzliche Hygienemaßnahmen
Einschränkungen durch Schutzmaßnahmen in Pflegeheimen
Für die Covid-Heim-Studie der Berliner Charité wurden außerdem insgesamt 873 Heim- und Einrichtungsleitungen bezüglich der Einschränkungsmaßnahmen während der zweiten Covid-19-Welle (Dezember 2020 bis Februar 2021) befragt. Diese Einschränkungsmaßnahmen resultierten nach deren Angaben in deutlichen Reduzierungen der sozialen Teilhabe in ihren Einrichtungen der Pflege bzw. der Altenpflege:
- 85 Prozent hatten Besuche eingeschränkt
- 82 Prozent hatten den Körperkontakt zwischen allen Personen (Bewohner/innen untereinander sowie mit dem Pflegepersonal) reduziert
- Zwei Drittel hatten gemeinsame Veranstaltungen gestrichen
Neun von zehn Pflegekräften benannten direkt daraus resultierende negative Folgewirkungen dieser Schutzmaßnahmen für die Bewohner/innen, darunter vor allem Einsamkeit, Rückzug und Verwirrung. Die Studie zieht daraus folgendes Fazit:
- Die soziale Teilhabe durch den Einbezug von pflegenden Angehörigen und Ehrenamtlichen muss gestärkt werden.
- Pflegenden Angehörigen darf der Zugang zu ihren Familienmitgliedern nicht untersagt werden.
- Die soziale Teilhabe von Pflegeheimbewohner/innen muss auch unter schwierigen Bedingungen (wie z.B. bei einer Pandemie) gewährleistet sein, um v.a. Vereinsamung vorzubeugen. Als mögliche effektive Gegenmaßnahme wird der Ausbau digitaler Kontaktpflege empfohlen.
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Auswirkungen auf pflegende Angehörige
Ergänzend zur Covid-Heim-Studie der Berliner Charité fand die sog. BerTA Studie (Beratung und telefonische Therapie für pflegende Angehörige, engl. Akronym: ReDiCare) statt. Sie ermittelte zusätzlich per Befragung die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf pflegende Angehörige von Bewohner/innen. Die BerTA Studie dauerte ebenfalls bis Ende 2022 und wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert sowie vom Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart und der Friedrich-Schiller-Universität Jena geleitet.
In dieser BerTA-Studie wurde untersucht, wie pflegende Angehörige seelische Belastungen während der Corona-Pandemie, die aus der Pflege ihrer Angehörigen resultierten, erlebten. Sie kam zu zwei maßgeblichen Ergebnissen: 51 Prozent aller befragten Angehörigen gaben an, eine deutlich höhere Pflegebelastung erlebt zu haben. Diese habe nach deren Angaben maßgeblich aus dem Wegfall ergänzender Pflegeleistungen (z.B. durch ambulante Pflegedienste, Tagespflege etc.) resultiert.
Ebenfalls mehr als die Hälfte aller befragten pflegenden Angehörigen hatte nach eigenen Aussagen erheblich unter Einsamkeit und fehlenden Erholungsmöglichkeiten gelitten. Dies habe auch aus den o.g. Umständen, aber ebenfalls aus den Distanzierungs-Maßnahmen resultiert.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Gernot Kiefer fasste die Ergebnisse der BerTA-Studie in Bezug auf die Auswirkungen der Einschränkungen auf pflegende Angehörige so zusammen: „Wir müssen uns den Mehrfachbelastungen durch Pflege, Beruf und Versorgung der eigenen Kinder durch die während der Pandemie getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Pflegebedürftigen bewusstwerden. Die pflegenden Angehörigen übernehmen einen Großteil der Pflege und werden häufig in den Diskussionen um die Versorgung pflegebedürftiger Menschen vernachlässigt. Gerade deshalb ist es wichtig, Ausgleichs- und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige künftig stärker in den Blick zu nehmen.“
Corona und die Pflege – Fazit
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Gernot Kiefer subsummiert die wichtigsten Schlüsse aus allen Studienergebnissen so: „Die Covid-Heim-Studie der Charité zeigt Wege auf, wie vulnerable Gruppen besser vor Infektionskrankheiten geschützt werden können. Mit der Benennung von Hygienebeauftragten in Pflegeheimen ist ein erster Schritt getan. Neben dem Infektionsschutz sollte auch die hausärztliche Versorgung in den Einrichtungen gestärkt werden – in etwa einem Drittel der Pflegeheime gab es hier zu den Hochzeiten der Pandemie Defizite. Außerdem muss die soziale Teilhabe von Pflegeheimbewohnerinnen und –bewohnern auch unter den schwierigen Bedingungen einer Pandemie gewährleistet sein, um zum Beispiel Vereinsamung vorzubeugen. Der Ausbau digitaler Kontaktpflege kann hier ein Ansatz sein.“
Passende Stellenangebote für Pflegefachkräfte
Wer derzeit noch auf der Suche nach einem passenden Stellenangebot für Pflegefachkräfte ist, findet bei Medi-Karriere eine große Auswahl an Angeboten. Hier gibt es zum Beispiel Stellenangebote für Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, Jobs für Altenpfleger/innen sowie Stellen in der Krankenpflege allgemein.
- Zutrittsverbote für Therapeuten, https://www.tagesspiegel.de/... (Abrufdatum: 30.11.2022)
- Viele Heimbewohner waren ohne Zahnarzt und Psychotherapeuten, https://www.zm-online.de/... (Abrufdatum: 30.11.2022)