
Autogenes Training ist eine Entspannungstechnik, die ein Gefühl der inneren Ruhe auslöst und dadurch körperliche Symptome von Stress und Ängsten reduzieren kann. Es hilft bei der Stressbewältigung und kann sich positiv auf die Bewältigung von angstauslösenden Situationen auswirken. Ziel ist es, natürliche Entspannungsreaktionen des Körpers wie z.B. tiefe Atmung, Senkung des Blutdrucks und Entspannung der Muskulatur auszulösen.
Eine Studie des National Center for Complementary and Integrative Health (USA) aus dem Jahr 2008 bewies, dass Autogenes Training bei richtiger Anwendung nachweisbar und dauerhaft körperliche Symptome von Angststörungen, Depressionen, Panikstörungen und Schlaflosigkeit reduzieren kann. Es kann aber auch bei alltäglicher Stressbewältigung oder Muskelverspannungen in Folge von Stress helfen.
Wie funktioniert Autogenes Training?
Autogenes Training folgt einem strengen Ablauf, der für den Erfolg des Trainings eingehalten werden muss. Es empfiehlt sich, für die ersten Trainingseinheiten die Hilfe eines professionellen Lehrers, Arztes oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen, da es für die Wirksamkeit essenziell ist, dass das Autogene Training korrekt durchgeführt wird.
- Vorbereitung: Hierfür sollte man sich einen ruhigen, gemütlichen Ort zum Entspannen suchen und sich hinlegen oder setzen. Eine Brille, fest sitzende Kleidung, Schmuck oder Schuhe sind dabei hinderlich und sollten deshalb abgelegt werden.
- Atmung: Als nächstes geht es weiter mit dem Vertiefen und Verlangsamen der Atmung. Zur Vereinfachung kann man z.B. bei jedem Ein- und Ausatmen auf 4 zählen, um einen Rhythmus zu finden. Hat man seine Atmung unter Kontrolle, sagt man anschließend zu sich selbst die Formel: „Ich bin vollkommen ruhig.“
- Entspannung: Als nächsten Punkt fokussiert man die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper. Es bietet sich an, mit dem rechten Arm zu beginnen und die Formel „Mein rechter Arm ist schwer. Ich bin vollkommen ruhig.“ zu wiederholen. Das tut man so lange, bis der rechte Arm entspannt ist, und verfährt ebenso mit dem linken Arm, rechten Bein, linken Bein, Bauch, Brust und Kopf.
- Aufmerksamkeitslenkung: Nun sollte man die Aufmerksamkeit dem Herzschlag zuwenden und dabei für sich selbst sechsmal die Formel „Mein Herzschlag ist ruhig und regelmäßig. Ich bin vollkommen ruhig.“ wiederholen. Das tut man dann so lange, bis man spürt, dass sich die Herzfrequenz verlangsamt hat. Einige Minuten verharrt man anschließend in diesem Entspannungszustand.
- Rücknahme: Zum Schluss lenkt man die Aufmerksamkeit wieder zurück in die „reale Welt“ und spricht laut die Formel „Arme fest! Atmung tief! Augen auf!“ aus. Das Autogene Training beendet man mit mehrmaligem tiefem Ein- und Ausatmen sowie aktivem Recken und Strecken aller Körperteile.
Körperliche Reaktionen durch Gedanken
Bei richtiger Anwendung des Autogenen Trainings können körperliche Reaktionen gezielt beeinflusst werden. So kann man z.B. durch die Formel „Mein Nacken ist entspannt. Mein Kopf ist leicht.“ die körperlichen Symptome von Spannungskopfschmerzen reduzieren. Die Formel „Mein Bauch ist entkrampft.“ kann zur Linderung der Schmerzen von z.B. Menstruationsbeschwerden oder Bauchweh führen. Und zu hoher Blutdruck kann durch die Formel „Mein Herz schlägt langsam. Mein Blut fließt ruhig.“ gesenkt werden.
Steuerung des autonomen Nervensystems
Der Körper kommuniziert ähnlich wie ein Computer mit seiner Umwelt. Er empfängt Nachrichten mit seinem sensorischen Nervensystem (z.B. Geräusche, Gerüche) und reagiert darauf mit seinem motorischen Nervensystem (z.B. in die Sonne blinzeln, Zittern bei Kälte). Diese Prozesse unterliegen zum Teil unbeeinflussbaren Reflexen (z.B. Kniesehnenreflex) und zum Teil der willkürlichen Kontrolle.
Das vegetative Nervensystem regelt lebenswichtige Funktionen des Kreislaufs (z.B. Verdauung, Körpertemperatur) und unterliegt nicht der direkten Kontrolle. Es wird deshalb auch als autonomes Nervensystem bezeichnet, da es eigenständig agiert und nicht auf einen Befehl des Bewusstseins angewiesen ist. Seine Aufgabe ist u.a. die Bereitstellung von Energie für plötzliche Flucht- oder Abwehrreaktionen. Hier greift das Autogene Training, da es autonome Reaktionen wie z.B. Angstschweiß oder Zittern reduzieren kann.
Autogenes Training – Selbsthypnose
Wer einen Hypnotiseur in Aktion gesehen hat, weiß, dass das Mantra heißt: „Ihr Körper wird schwer, Sie fühlen sich ruhig und warm.“ Da Autogenes Training eine Form der Selbsthypnose ist, gilt beim Training wie bei der Hypnose: Ruhe, Schwere und Wärme. Diese drei Grundübungen können leicht zuhause durchgeführt werden, allerdings sollte man die Grundlagen unter fachlicher Anleitung eines Arztes erlernen, damit sich keine Fehler einschleichen. Ansonsten können Audioanleitungen, Podcasts oder YouTube-Videos einen Einstieg bieten.
Grundübungen
Die Grundübungen des Autogenen Trainings dienen der Entspannung und sollen bewirken, dass man sich entspannt und angenehm schwer fühlt, mit gelockerter Muskulatur, ruhigem Herzschlag und durch Wärme verbesserter Durchblutung. Sie laufen in etwa so ab:
Man sollte ungestört sein, seine Übungshaltung (Lotussitz, Liegen etc.) einnehmen und die Augen schließen. Nun stellt man sich einen ruhigen Ort mit seinen Gerüchen, Geräuschen und Gefühlen vor, z.B. einen Garten oder das Kinderzimmer. Man konzentriert sich auf seinen Körper und lässt eventuell abschweifende Gedanken wie Wolken vorüberziehen. Fühlt man sich dazu bereit, denkt man die Formel „Ich bin ganz ruhig.“ und wiederholt sie drei- bis sechsmal in längeren Abständen, während man in sich hineinfühlt.
Vorsatzformeln
Vorsatzformeln beeinflussen Psyche und Körper. Sie dienen dazu, während des Autogenen Trainings das Unterbewusstsein zu lenken und positiv zu verändern. Als Erweiterung der Grundstufe erteilen sie dem Körper gezielte Aufträge, die ebenfalls mit Formeln beschrieben werden, z.B. „Meine Schultern sind leicht. Mein Nacken ist entspannt.“ oder eine individualisierte Selbstbeeinflussung wie „Ich trete selbstbewusst und souverän auf. Ich bin unabhängig und stark.“ Diese Formeln denkt man während der Trance, damit sie im Anschluss an das Autogene Training im Alltag nachwirken können.
Rücknahme
Die Rücknahme ist der Abschluss des Autogenen Trainings und stellt sicher, dass man „sich wieder in die reale Welt zurückbegibt.“ Lässt man sie weg, fühlt man sich statt erfrischt und aktiv oft müde und abgespannt. Dieser Effekt kann jedoch auch erwünscht sein und bildet damit die Ausnahme: Wer mithilfe von Autogenem Training einschlafen möchte, sollte die Rücknahme weglassen.
Auch hierzu gibt es Formeln: Das laute Aussprechen von „Arme fest! Atmung tief! Augen auf!“ kombiniert mit mehrmaligem tiefem Ein- und Ausatmen sowie aktivem Recken und Strecken aller Körperteile signalisiert das Ende des Autogenen Trainings.
Dauer und Häufigkeit der Übungen
Wie lange und wie oft man Autogenes Training praktizieren sollte, ist individuell. Anfänger sollten mit dreimal täglich zehn Minuten beginnen. Als Faustregel gilt: Lieber öfter und kurz trainieren als selten und lange. Hat man die Methode nach ein paar Wochen verinnerlicht, genügen zweimal täglich fünf Minuten. Allgemein gilt ein Zeitraum von einem Monat täglicher Übung, bis das Autogene Training einen nachhaltig lebensverbessernden Effekt erzielt.
Autogenes Training – Entstehungsgeschichte
Der deutsche Psychologe Johannes Heinrich Schultz entwickelte die Technik des Autogenen Trainings in den 1920er-Jahren. Die Idee erhielt er durch Beobachtungen bei seinen Patienten, von denen sich einige selbst in einen Hypnosezustand versetzen konnten. Diese Fähigkeit griff er auf und entwickelte sie als Technik weiter, um körperliche Stresssymptome wie Zittern oder Tics unter Kontrolle zu bringen. Diese Technik brachte er anderen Patienten bei und erzielte bei ihnen positive Ergebnisse.
Heute belegen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen die Wirksamkeit des Autogenen Trainings. Dr. Sanam Hafeez, Neuropsychologin an der Columbia University (USA), beschreibt Autogenes Training als Hilfestellung, um Angstzustände zu reduzieren und Stress, Frustration oder Traurigkeit besser zu bewältigen. Derzeit wird diese Technik im Klinikumfeld in Verbindung mit Kognitiver Verhaltenstherapie eingesetzt, kann jedoch auch alleinstehend als Werkzeug zur Stressbewältigung zu Erfolgen führen.
Autogenes Training – Einsatzbereiche
Die Anwendungsgebiete für Autogenes Training sind psychische und mentale Belastungszustände wie Stress, Ängste, Schlafstörungen oder Schmerzen. Es kann allerdings auch ohne vorliegende Problematiken zum Einsatz kommen und sich positiv auf die Förderung der Kreativität, Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit und Steigerung des Selbstwertgefühls auswirken.
Wer ist für Autogenes Training geeignet?
Autogenes Training ist grundsätzlich für jeden geeignet, erfordert allerdings neben der regelmäßigen Ausübung, dass man die Methode grundlegend verstanden hat. Sogar Kinder können Autogenes Training anwenden, sobald sie länger stillsitzen können. Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Menschen mit starken psychischen Behinderungen (z.B. Schizophrenie, zwanghafte Persönlichkeitsstörungen) können Autogenes Training nur schwer bis gar nicht erlernen, da man für die korrekte Ausübung in der Lage sein muss, sich zu konzentrieren und klar zu denken.
Überwachung durch einen Arzt
Obwohl Autogenes Training zur Stressreduktion und als Entspannungstechnik angewendet wird, sollte es weder Psychotherapie noch Medikamenteneinnahme ersetzen. Man sollte sich also stets der Grenzen bei der Behandlung von psychischen Krankheiten wie z.B. Depression oder Angststörungen bewusst sein. Dr. Sanam Hafeez rät: „Autogenes Training kann klinische Symptome wie Angstzustände zwar nicht verschlimmern, aber wenn es sie auch nicht verbessert, sollte man ärztliche Hilfe aufsuchen.“ Auch wer Autogenes Training als Teil eines ärztlich verordneten Behandlungsplans durchführt, sollte ein Ausbleiben von Erfolgen mit seinem behandelnden Facharzt besprechen.
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1. What to know about Autogenic Training, www.healthline.com (Abrufdatum: 16.04.2021)
2. www.mylife.de/entspannung/stress/autogenes-training/ (Abrufdatum: 16.04.2021)
3. Autogenic Training, www.healthlinkbc.ca (Abrufdatum: 19.04.2021)
4. www.dg-e.de/index.php?id=14&L=0 (Abrufdatum: 20.04.2021)
5. www.gesundheitsinformation.de/wie-funktioniert-das-nervensystem.html (Abrufdatum: 19.04.2021)
6. Autogenes Training als Regulativ des vegetativen Nervensystems, www.paracelsus.de (Abrufdatum: 19.04.2021)
7. Autogenes Training, www.gesundheit.de (Abrufdatum: 20.04.2021)