Die Arbeit in der Alten- und Krankenpflege ist physisch und psychisch belastend. Zum alltäglichen Stress kommen nun auch noch die Herausforderungen der Corona-Krise hinzu. Wie sich das auf den Gesundheitszustand der Pflegekräfte auswirkt, zeigt der Barmer Pflegereport 2020. Demnach werden Altenpflegekräfte häufiger krankgeschrieben als Angehörige anderer Berufsgruppen. Zudem bekommen Pflegekräfte weit häufiger Schmerzmittel und Antidepressiva verordnet.
Pflegekräfte sind länger krankgeschrieben
Für den Barmer Pflegereport 2020 hat die Krankenkasse zwischen 2016 und 2018 die Versichertendaten von Beschäftigten in der Langzeitpflege auswertet. Insgesamt wurden 8,6 Millionen Versichertenjahre berücksichtigt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind dabei noch nicht in die Ergebnisse eingeflossen. Dennoch zeigt der Report, dass sich bereits die alltägliche Arbeitsbelastung negativ auf die Gesundheit von Alten- und Krankenpflegekräften auswirkt.
Das wird unter anderem aus der Anzahl der Fehltage ersichtlich. Pflegekräfte fallen häufiger aus gesundheitlichen Gründen aus und sind deutlich länger krankgeschrieben als Angehörige anderer Berufe. Bei den Altenpflegekräften beträgt der Krankenstand im Untersuchungszeitraum zum Beispiel 7,2 Prozent. Jeder krankgeschriebene Beschäftigte fehlt dabei im Durchschnitt 18,6 Tage. Unter den Altenpflegehilfskräften beträgt der Krankenstand sogar 8,7 Prozent, die Fehlzeit pro Fall liegt bei 20,2 Tagen. Krankenpflegefachkräfte weisen einen Krankenstand von 6,5 Prozent auf, bei 16,9 Fehltagen pro Fall, bei den Krankenpflegehilfskräften beträgt der Krankenstand 7,9 Prozent und die Fehlzeiten liegen bei 18,4 Tagen. Zum Vergleich: Beschäftigte sonstiger Berufe fehlen im Durchschnitt 13,3 Tage pro Krankheitsfall, bei einem Krankenstand von 5 Prozent.
Höherer Bedarf an Schmerzmitteln und Antidepressiva
Weit höher als in anderen Berufsgruppen ist auch der Bedarf an Schmerzmitteln und Antidepressiva. Bei Opioiden ist die Verordnungshäufigkeit um 131 Prozent höher als bei anderen Berufsgruppen. Antidepressiva bekommen Pflegekräfte 50 Prozent häufiger verschrieben.
Vor allem Beschäftigte in der Altenpflege benötigen die Medikamente häufiger als Angehörige anderer Berufsgruppen. Pro Jahr kommen Altenpflegekräfte im Schnitt auf 15 Opioid-Rezepte je 100 Beschäftigten. Bei den sonstigen Berufsgruppen sind es lediglich sieben Rezepte. Bei den Altenpflege-Hilfskräften liegt die Verordnungshäufigkeit von Antidepressiva bei 35 Rezepten pro 100 Beschäftigen. In den sonstigen Berufsgruppen werden nur 23 Rezepte pro 100 Beschäftigte und Jahr verordnet.
Häufiger und länger im Krankenhaus
Pflegekräfte benötigen nicht nur mehr Medikamente, sie werden auch häufiger im Krankenhaus behandelt. Altenpflegekräfte mussten innerhalb des Untersuchungszeitraums im Schnitt zweimal stationär ins Krankenhaus, die Aufenthaltsdauer liegt bei durchschnittlich 10,6 Tagen pro Aufenthalt. Beschäftigte anderer Branchen kommen auf lediglich 1,4 Krankenhausaufenthalte von 2016 bis 2018, bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von acht Tagen pro Fall.
Langfristig führt die hohe Arbeitsbelastung dazu, dass überproportional viele Pflegekräfte frühzeitig in den Ruhestand gehen. So beziehen laut Barmer Pflegereport doppelt so viele Pflegekräfte eine Erwerbsminderungsrente wie Angehörige sonstiger Berufe.
Vor allem psychische Erkrankungen und Muskel-Skelett-Probleme sind weit verbreitet
Ursache Nummer eins für Krankenstand und Medikamentenbedarf unter den Pflegekräften sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, allen voran Rückenleiden. Insbesondere Altenpflege- und Krankenpflege-Hilfskräfte sind deutlich häufiger von Rückenschmerzen betroffen als Angehörige anderer Berufsgruppen. Rückenleiden führen bei Altenpflegefachkräften zu rund 96 Prozent mehr Fehltagen als in anderen Berufsgruppen, unter den Hilfskräften sind es sogar 180 Prozent mehr Fehltage.
Auch Bluthochdruck ist unter Pflegekräften eine weit verbreitete Krankheit, gefolgt von psychischen Erkrankungen wie depressiven Episoden. Altenpflegekräfte weisen im Untersuchungszeitaum etwa 80 bis 90 Prozent mehr Fehltage aufgrund von Depressionen auf als Beschäftige anderer Branchen. Häufiger als bei Angehörigen anderer Berufsgruppen tritt bei Pflegekräften auch Adipositas auf.
Barmer fordert Entlastung durch mehr Personal
Befragt nach ihrer Arbeitszufriedenheit, klagen viele Pflegekräfte nicht nur über die körperliche Belastung, auch der Zeitdruck setzt ihnen zu. Mehr als die Hälfte der befragten Altenpfleger muss ihre Tätigkeiten innerhalb einer vorgegebenen Zeit verrichten oder vorgeschriebene Mindestleistungen erbringen. Nur ein Viertel der Beschäftigten aus anderen Berufsgruppen berichtet von ähnlichen Vorgaben.
Die Corona-Pandemie verschärft die ohnehin angespannte Situation noch einmal, warnt die Barmer. Die Krankenkasse fordert daher sowohl Arbeitgeber als auch Politik dazu auf, die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte zu verbessern. Dafür braucht es zum einen mehr Personal. Notwendig sind außerdem geregelte, familienfreundliche Arbeitszeiten und ein angemessenes Tarifgehalt. Auch Angebote zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge können zum Wohlbefinden der Pflegekräfte beitragen, etwa mit gezielten Trainings gegen Rückenschmerzen oder Maßnahmen zur Stressbewältigung. Aktuell bietet der Barmer zufolge aber nur jede zweite stationäre Pflegeeinrichtung Präventionskurse für ihre Beschäftigten an.
Der Pflegereport weist darauf hin, dass sich mit besseren Arbeitsbedingungen auch der Pflegenotstand in Deutschland abmildern lasse. Bessere Arbeitsbedingungen und ein damit einhergehender besserer Gesundheitszustand würden bedeuten, dass 26.000 Pflegekräfte mehr zur Verfügung stünden. Damit ließe sich ein Plus von etwa 50.000 Pflegebedürftigen betreuen.