Eine zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Änderung des Berufskrankheitenrechts hat den sogenannten Unterlassungszwang für viele Berufskrankheiten wegfallen lassen. Davon profitieren unter anderem Pflegekräfte. Sie haben nun auch dann Anspruch auf Entschädigungen und Rentenzahlungen, wenn sie trotz Berufskrankheit nicht aus dem Job ausscheiden.
Änderung im Berufskrankheitenrecht streicht den Unterlassungszwang
Bis vor Kurzem galt für viele Berufskrankheiten der sogenannte Unterlassungszwang. Bestand das Risiko, dass sich die vorliegende Krankheit durch die Berufsausübung verschlimmert, mussten die Betroffenen häufig ihren Beruf aufgeben. Mit einer Änderung des Berufskrankheitenrechts zum 1. Januar 2021 ist nun der Unterlassungszwang im Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs weggefallen. Unfallversicherungsträger müssen Versicherte weiterhin darauf hinweisen, wenn die Fortführung der beruflichen Tätigkeit die vorliegende Erkrankung verschlimmern oder wiederaufleben lassen kann. Sie sind außerdem dazu verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Versicherte die schädigende Tätigkeit unterlassen. Ein Zwang zur Aufgabe des Berufs besteht jedoch nicht mehr. Stattdessen wurde die Mitwirkungspflicht der Versicherten an Präventionsmaßnahmen ausgeweitet.
Für betroffene Pflegefachkräfte bedeutet dies: Auch wenn ihre Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, dürfen sie weiter in ihrem Beruf arbeiten. Zusätzlich müssen die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die gesetzlichen Unfallkassen geeignete Beratungs- und Präventionsangebote zur Verfügung stellen.
Seltene Anerkennung von Dermatosen als Berufskrankheit
Vor allem für Pflegekräfte mit berufsbedingten Hauterkrankungen (Dermatosen) können von der Neuregelung profitieren. Einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) zufolge treten Dermatosen bei Pflegekräften wesentlich häufiger auf als bei Beschäftigten in anderen Berufsgruppen. Während zum Beispiel 6,2 Prozent der Friseure und Friseurinnen sowie 3,2 Prozent der Köche und Köchinnen unter berufsbedingten Ekzemen und Kontaktallergien leiden, sind es bei Beschäftigten im Gesundheitswesen ganze 12,3 Prozent. Umgerechnet entspricht dies rund 12.000 Pflegekräften, die ihren Beruf aufgrund einer Hauterkrankung nicht oder nur eingeschränkt ausüben können.
Obwohl Pflegekräfte überdurchschnittlich häufig von Dermatosen betroffen sind, wurden bis 2019 nur wenige Fälle als Berufskrankheit anerkannt. Für das Jahr 2019 verzeichnet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zum Beispiel nur 3.500 gemeldete Fälle und lediglich 69 Anerkennungen. Das hängt mit dem genannten Unterlassungszwang zusammen. Wurde die Dermatose als Berufskrankheit anerkannt, waren Pflegekräfte häufig gezwungen, komplett aus dem Beruf auszuscheiden.
Mit dem Wegfall des Unterlassungszwangs hängt die Anerkennung von Berufskrankheiten nicht mehr damit zusammen, ob die Betroffenen aus dem Beruf ausscheiden oder nicht. Die BGW geht daher davon aus, dass die Zahl der Anerkennungen von Dermatosen als Berufskrankheit steigen wird. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) sieht die Änderung des Berufskrankheitenrechts als großen Fortschritt an und erwartet, dass sie sich auch positiv auf die ergriffenen therapeutischen Maßnahmen auswirkt.
Höhere Entschädigungen und Rentenzahlungen erwartet
Pflegekräfte mit Dermatose oder einer anderen von der Gesetzesänderung betroffenen Berufskrankheit können nun auch leichter an Entschädigungen und Rentenzahlungen kommen. Vermindert sich die Erwerbsfähigkeit durch die Berufserkrankung um 20 Prozent, haben Pflegekräfte Anspruch auf die Berufsgenossenschaftsrente. Das gilt auch, wenn sie ihren Beruf weiterhin ohne Einschränkungen ausüben. Zudem müssen die Unfallversicherungsträger alle Fälle aus den Jahren 1997 und 2020 erneut prüfen, bei denen eine Anerkennung als Berufskrankheit nur deshalb ausblieb, da die Betroffenen ihre Tätigkeit fortgeführt haben.
Was für Pflegekräfte eine gute Nachricht ist, bedeutet eine höhere finanzielle Belastung für die Unfallkassen. Gesundheitsexperten vermuten, dass allein für als Berufskrankheit anerkannte Dermatosen die Zahl der Entschädigungen und Rentenzahlungen um den Faktor 20 steigen könnte. Bis zu 10.000 Pflegekräfte pro Jahr könnten als Geschädigte anerkannt werden. Das wiederum könnte dazu führen, dass die Versicherungsbeiträge der Altenpflege- und Krankenhausträger steigen.
Die Versicherungsträger haben derweil auch ein finanzielles Interesse daran, Versicherte länger im Beruf zu halten. Scheiden Pflegekräfte aufgrund von Berufskrankheiten aus ihrem Job aus, muss die BGW beispielsweise Kosten für die berufliche Neuorientierung und Teilhabe am Arbeitsleben abdecken. Speziell für berufsbedingte Hauterkrankungen hat die BGW daher ein Hautschutzprogramm ins Leben gerufen. Betroffene können sich in einem Schulungs- und Beratungszentrum Hilfe von Experten holen, Hautschutzseminare besuchen und sich einen persönlichen Hautschutzplan erstellen lassen. Im Vergleich zu den Leistungen für eine berufliche Umorientierung sind die Kosten für individuelle Präventionsmaßnahmen eher gering. Die BGW hält es daher für möglich, dass sich die Investition in derartige Programme auch mit Blick auf mögliche Beitragserhöhungen lohnt.
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