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Langfristige und sich wiederholende Erkrankungen können viele Probleme mit sich bringen. Für Arbeitnehmer/innen steht die berufliche Existenz auf dem Spiel, während Arbeitgeber mit sinkenden Ergebnissen zu kämpfen haben. Um diese Situation für alle Beteiligten zu verbessern, gibt es seit dem 1. Mai 2004 das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement (kurz: BEM). Was genau es damit auf sich hat, welche Vor- und Nachteile es mit sich bringt und wie ein BEM optimal gelingen kann, wird in diesem Artikel behandelt.
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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Definition
Das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement hat zum Ziel, Arbeitnehmern/-innen mit längerer Arbeitsunfähigkeit eine möglichst frühe Rückkehr in den Arbeitsalltag zu ermöglichen. Auch in der Pflege kann das schnell zum Thema werden, wenn Pflegefachkräfte beispielsweise wegen eines Bandscheibenvorfalls länger ausfallen. Das BEM ist dabei als fortlaufender Prozess anzusehen, in dessen Verlauf Ursachen für den Ausfall erörtert und mögliche Lösungsansätze gefunden werden sollen. Damit will man zudem erreichen, dass Rehabilitationsmaßnahmen früh eingeleitet werden, um eine langfristige Arbeitsplatzsicherung gewährleisten zu können.
Zu dem Team für das BEM zählen normalerweise ein/e Vertreter/in des Arbeitsgebers, meist jemand aus der Personalabteilung, und eine Person der Interessenvertretung des jeweiligen Unternehmens, zum Beispiel ein Mitglied des Betriebsrates. Fallbezogen können auch weitere Experten/-innen oder Vertrauenspersonen des/der Arbeitnehmers/-in hinzugezogen werden, die dann an den BEM-Gesprächen beteiligt sind. Von einem BEM profitieren im Normalfall beide Parteien, also Arbeitgeber und Angestellte/r.
Wann kommt BEM zum Einsatz?
Ein BEM-Verfahren wird eingeleitet, wenn der/die Arbeitnehmer/in innerhalb von einem Jahr länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt in diesem Zeitraum arbeitsunfähig ist. Der Jahreszeitraum bezieht sich dabei nicht auf das laufende Kalenderjahr, sondern umfasst einen variablen Zwölf-Monats-Zeitraum. Trifft einer dieser Umstände zu, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein BEM-Verfahren einzuleiten.
Gesetzliche Grundlage
Der Arbeitgeber ist per Gesetz zur Durchführung eines BEM verpflichtet. Die entsprechenden Paragraphen finden sich im Sozialgesetzbuch IX und geben grobe Rahmenbedingungen und Verfahrenshinweise vor. Folgende Inhalte werden dabei geregelt:
- § 167: Voraussetzung und grobe Durchführung
- § 176: Definition der zuständigen Interessensvertretung
- §§ 42 – 48: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
- §§ 49 – 63: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- §§ 64 – 74: Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen
- § 75: Leistungen zur Teilhabe an Bildung
- §§ 76 – 84: Leistungen zur Sozialen Teilhabe
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BEM – Vorteile und Nachteile für Arbeitnehmer/innen
Von einem effektiven BEM können Arbeitnehmer/innen sehr profitieren. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement bietet die Möglichkeit, die eigene Berufsfähigkeit nachhaltig zu sichern und überdies langfristig zu erhalten, vor allem im fortschreitenden Alter. Man kann die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse bewahren, da man nicht komplett aus der Arbeitswelt austritt, sondern weiterhin daran teilnimmt. Ein BEM kann die persönliche Genesung und den Heilungsprozess darüber hinaus unterstützen und stellt somit eine sinnvolle Hilfsmöglichkeit zur Krankheitsbekämpfung dar.
Da das BEM-Verfahren auf Gegenseitigkeit beruht, bekommen die Beschäftigten dabei die Möglichkeit, den Arbeitsplatz und -umfang zukünftig besser nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten und zu optimieren. Außerdem bietet es einen guten Schutz vor Arbeitslosigkeit und Frührente, was ansonsten oftmals mit dem Verlust der Arbeitsfähigkeit einhergeht.
Auch, wenn das im ersten Moment hoch profitabel klingt, gibt es beim BEM doch auch einige versteckte Nachteile, die man sich im Vorfeld auf jeden Fall bewusst machen sollte. Dazu gehört einerseits, dass man im Rahmen der BEM-Gespräche den Arbeitgeber umfassend über den persönlichen Krankheitszustand informieren muss. Zwar sind alle Beteiligten aus Datenschutzgründen zum Stillschweigen bezüglich der BEM-Inhalte verpflichtet; für manche mag die Weitergabe von derart privaten Daten dennoch eine sehr unangenehme Situation darstellen.
Zum anderen muss man auch erwähnen, dass ein BEM-Verfahren vom Arbeitgeber auch zweckentfremdet werden kann: Die preisgegeben Daten zur Krankheitsgeschichte können bei schlechten Aussichten auch dazu verwendet werden, eine Kündigung vorzubereiten, wenn der Arbeitgeber keine andere sinnvolle Lösungsmöglichkeit sieht.
BEM – Vorteile und Nachteile für Arbeitgeber
Ein Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement bedeutet für den Arbeitgeber zwar einen gewissen bürokratischen und personellen Mehraufwand, jedoch finden sich abseits davon sehr viele Vorteile. Ein BEM bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Fehlzeiten von Mitarbeitern/-innen durch eine möglichst schnelle Rückkehr zu verringern. Im Endeffekt bedeutet das wiederum eine Senkung der Personalkosten, denn man spart einerseits Kosten für Vertretungen, neue Einarbeitungen und Lohnfortzahlungen und kann andererseits weiterhin vom Wissen und Erfahrungsschatz des/der Arbeitnehmers/-in profitieren.
Zusätzlich zeigt man den Mitarbeitern/-innen durch ein korrekt und zielorientiertes BEM, dass man sich um deren Wohlergehen sorgt und um die langfristige Erhaltung der Gesundheit bemüht ist. Ein gesundes und motiviertes Personal stellt eine wichtige Ressource für jedes Unternehmen dar, verbessert letztendlich die Ergebnisse und schraubt somit den Profit nach oben.
BEM – Ablauf, Struktur und Dauer
Der Arbeitgeber ist zwar zur Durchführung eines BEM verpflichtet, das explizite Vorgehen und konkrete Maßnahmen werden aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb bleibt für die konkrete Ausgestaltung ein gewisser Handlungsspielraum übrig, der von Arbeitgeber und dem/der Betroffenen mitgestaltet werden kann. So könnte ein BEM beispielsweise in der Praxis aussehen:
Schritte | Inhalte |
Schritt 1: Einleitung BEM-Verfahren | Nach Erfüllung der oben genannten Bedingungen: Arbeitgeber legt Startzeitpunkt für BEM fest |
Schritt 2: Informieren | Arbeitgeber informiert betroffene/n Arbeitnehmer/in über angestrebte Ziele und Datennutzung |
Schritt 3: Zustimmung Arbeitnehmer/in | Freiwillige Entscheidung des/der Arbeitnehmers/-in zur Teilnahme am BEM |
Schritt 4: BEM-Gespräch | Gemeinsam Gründe für Fehlzeiten erörtern, mögliche Auslöser in den Arbeitsbedingungen identifizieren |
Schritt 5: Zielsetzung | Ziele für die Zukunft bezüglich Genesung, Einsatzfähigkeit und betrieblichen Ursachen festlegen und in Frage kommende Änderungen bzw. Hilfsmittel erfassen |
Schritt 6: Ende BEM | Abschluss BEM, wenn Fehlzeiten dauerhaft unter 42-Tage Grenze liegt oder Beschäftigungsverhältnis endet oder keine Aussicht auf Besserung besteht |
Eine Teilnahme am BEM ist nicht verpflichtend!
Um diesen Umstand nochmals zu verdeutlichen: Der Arbeitgeber ist zwar per Gesetz zum Angebot eines BEM verpflichtet, ansonsten drohen empfindliche Strafen. Der/die betroffene Arbeitnehmer/in muss dieses Angebot aber nicht annehmen. Die Teilnahme am BEM ist freiwillig!
BEM nach Burnout
Auch ein entsprechend langer Arbeitsausfall aufgrund von psychischen Erkrankungen ist ein Grund für ein BEM-Verfahren. Vor allem das Berufsfeld der Pflege ist prädestiniert für derartige Leiden, denn die Arbeit gestaltet sich in der Regel sehr stressig und ist mit einer großen Verantwortung sowie einem starken Erwartungsdruck verbunden. Das Thema Burnout in der Pflege ist daher in letzter Zeit immer weiter in den Fokus gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen gerückt.
Da ein Burnout meistens eine lange Arbeitsunfähigkeit und eine hohe Rückfallquote (Arbeitsplatz ist der Stressor) bedeutet, ist hier ein BEM sehr sinnvoll. Ein BEM kann dabei helfen, die stressauslösenden Faktoren im Arbeitsumfeld zu identifizieren und zu reduzieren. So kann beispielsweise bei persönlicher Überlastung eine Arbeitsumverteilung stattfinden, bei personellen Schwierigkeiten ein Teamwechsel stattfinden oder der Arbeitgeber die technische Ausstattung am Arbeitsplatz verbessern.
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Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM-Gespräch
Das Ziel von jedem BEM-Gespräch ist es, dass BEM-Beauftragte/r und Mitarbeiter/in gemeinsam ergründen, welchen Beitrag jede/r leisten kann, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und wie sich zukünftige Rückfälle vermeiden lassen. Prinzipiell kann man jedes Gespräch in drei Schritte unterteilen, nämlich Ursachenforschung, Maßnahmenfindung und Abschlusserklärung (jedes Gespräch wird in einem Protokoll zusammengefasst). Die Inhalte solcher Gespräche drehen sich in der Regel um diese und ähnliche Fragen:
- Welche Ursachen für die Arbeitsunfähigkeit gibt es im Betrieb und auf persönlicher Ebene?
- Welche Tätigkeiten bereiten Probleme?
- Wie ist das Risiko für einen Rückfall einzuschätzen?
- Wie kann der/die Arbeitnehmer/in in kleinen Schritten wieder zur alten beruflichen Tätigkeit zurückfinden?
- Welche Erwartungen gibt es auf Seiten des Arbeitgebers und des/der Arbeitnehmers/-in?
Neben dem/der Betroffenen und einer Vertretung des Arbeitgebers können bei einem BEM-Gespräch noch andere Personen anwesend sein, etwa ein/e Betriebsarzt/-ärztin, jemand vom Betriebsrat, eine Vertrauensperson des/der Arbeitnehmers/-in oder eine Vertretung aus dem Integrationsamt. Alle im Gespräch behandelten Daten und Informationen sind streng vertraulich und die beteiligten Personen unterliegen einer Schweigepflicht.
BEM – Tipps für Arbeitgeber
Wie oben bereits dargestellt, kann ein BEM für den Arbeitgeber einige Vorteile mit sich bringen. Damit dies der Fall ist und das BEM-Verfahren gelingt, sind hier ein paar Tipps für ein erfolgreiches BEM seitens des Arbeitgebers aufgelistet:
- Erfolg ist meist von guter Planung abhängig
- Führungskräfte einbeziehen (präventiv können so mehr Mitarbeiter/innen von ausgeweiteten Maßnahmen profitieren)
- Frühzeitige Einladung, umfassende Informationen geben
- Motivierende und wertschätzende Gesprächsführung
- Datenschutzrichtlinien und gesetzliche Rahmenbedingungen penibel beachten
- BEM-Verfahren individuell dem/der Betroffenen anpassen
BEM – Tipps für Angestellte
Die Einladung zu einem BEM kann oftmals recht überraschend eintreten und mit einer gewissen Unsicherheit und Aufregung verbunden sein. Damit das BEM auch für Angestellte wie Pflegefachkräfte oder MFA erfolgreich und zufriedenstellend verlaufen kann, sind hier auch noch hilfreiche Tipps für betroffene Arbeitnehmer/innen:
- Bloß nicht unter Druck setzen lassen, denn die Teilnahme an einem BEM ist freiwillig
- Möglichst offen und ehrlich kommunizieren (alle Infos unterliegen dem Datenschutz)
- Eigene Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen klar darstellen
- Ruhe bewahren: BEM ist in der Regel eine Chance und stellt keine Bedrohung des Arbeitsplatzes dar
Fazit
Das BEM stellt normalerweise eine hervorragende Chance für den Arbeitgeber und für den/die Arbeitnehmer/in dar, die Gesundheit und Erwerbsfähigkeit langfristig zu unterstützen und zu erhalten. Im Rahmen von BEM-Gesprächen können beide Parteien ihre persönlichen Vorstellungen und Vorschläge einbringen, damit man gemeinsam Maßnahmen und Lösungsansätze finden kann. Während der Arbeitgeber per Gesetz zum Angebot eines BEM verpflichtet ist, ist für den/die Betroffene/n die Teilnahme an einem solchen Verfahren allerdings freiwillig.
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Häufige Fragen
- Was sollte man beim BEM nicht sagen?
- Was passiert, wenn man BEM ablehnt?
- Ist der Arbeitgeber zum BEM verpflichtet?
- Kann dir beim BEM-Gespräch gekündigt werden?
Bei einem BEM kann man prinzipiell alles, was man möchte, sagen, denn die Inhalte unterliegen einer strikten Schweigepflicht. Wichtig ist es dabei, die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse klar und deutlich zu kommunizieren.
Die Teilnahme an einem BEM ist für Arbeitnehmer/innen freiwillig, dementsprechend drohen bei einer Ablehnung seitens des Gesetzes keine Konsequenzen. Eine Absage kann allerdings dem Arbeitgeber eine mangelnde Motivation zur Lösungsfindung signalisieren.
Das Sozialgesetzbuch IX verpflichtet den Arbeitgeber zum Angebot eines BEM, sofern ein/e Arbeitnehmer/in in einem Zwölf-Monats-Zeitraum mehr als sechs Wochen oder zum wiederholten Male arbeitsunfähig ist.
Das könnte durchaus der Fall sein, vor allem wenn der Arbeitgeber eine mangelnde Änderungsbereitschaft oder keine Aussicht auf zukünftige Besserung der Arbeitsfähigkeit feststellt.
- BEM, https://www.senseble.de/... (Abrufdatum: 19.12.2022)
- BEM Vorteile, https://saneware.de/... (Abrufdatum: 19.12.2022)
- BEM-Gespräch, https://haas-eschborn.de/... (Abrufdatum: 19.12.2022)