
Inhaltsverzeichnis
Ein Dekubitus ist eine ernst zu nehmende Komplikation bei Lähmungen und krankheitsbedingter Immobilisation. Er kann zu Schmerzen und Infektionen des ganzen Körpers führen und erfordert oft eine langwierige, aufwändige Behandlung. Daher kommt der Prophylaxe der Dekubitusentstehung eine gewichtige Rolle zu.
Dieser Artikel erklärt, was ein Dekubitus ist, welche Risikofaktoren für seine Entwicklung bestehen und welche therapeutischen Maßnahmen existieren.
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Dekubitus – Definition
Der Dekubitus wird nach seiner Ursache auch als Druckgeschwür bezeichnet. Es handelt sich um eine chronische Wunde, die durch einen konstant erhöhten Druck auf die Haut und Unterhaut entsteht. Ein Dekubitus ist keine eigenständige Erkrankung, sondern die Komplikation meist mehrerer gemeinsam vorliegender Krankheiten und Beeinträchtigungen.
Dekubitus – Symptome
Je nach Ausprägung und Grundzustand der Betroffenen kann ein Dekubitus verschiedene Symptome auslösen. So liegt häufig ein Wundschmerz vor, der sich bei der Wundbehandlung und Lagerung verstärkt. Tiefe Geschwüre bilden oft Gerüche aus, insbesondere bei akuten Infektionen. Wenn diese auf den Körper übergreifen, zeigen sich auch allgemeine Infektionszeichen wie Fieber, Verschlechterung des Allgemeinzustandes und eine Störung anderer Organfunktionen, etwa Nierenversagen oder Störungen der Herzleistung.
Dekubitus – Risikofaktoren
Ein Dekubitus entwickelt sich meist auf dem Boden mehrerer Faktoren, die gemeinsam eine Minderversorgung des Gewebes verursachen.
Druck und Durchblutung
Jede Bewegung des Körpers verändert die lokalen Druckverhältnisse. Dies führt dazu, dass eine temporäre Mangelversorgung durch eine beeinträchtigte Durchblutung schnell ausgeglichen werden kann und keine Folgeschäden auslöst.
Bei Lähmung einzelner Körperteile oder gar vollständiger Immobilität hält die lokale Gewebekompression über lange Zeit an, wodurch die Zellen absterben und ein saures Milieu entsteht. Die reaktive Entzündung und Erweiterung der Blutgefäße führen zu Flüssigkeitsansammlungen (Ödemen) und einer Aktivierung der Gerinnung, was die Durchblutung weiter verschlechtert. In der Folge werden erst die Haut und dann zunehmend die tieferliegenden Strukturen zersetzt. Es entsteht eine Nekrose, aus der sich dann ein Dekubitus entwickelt.
Die Risikofaktoren für die Entstehung eines Dekubitus lassen sich in zwei Kategorien einteilen, die teilweise überlappend auftreten: intrinsische, also die Person betreffende, und extrinsische, von außen einwirkende, Faktoren.
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Intrinsische Faktoren
Intrinsische Faktoren sind meist mit höherem Lebensalter assoziiert. Sie betreffen einen generellen Mangel an Flüssigkeit und Nährstoffen, die für die Gesunderhaltung des Gewebes erforderlich sind, meist infolge unzureichender Nahrungsaufnahme. Zeitgleich liegt oft Untergewicht vor und der Haut fehlen schützende Fettpolster.
Hinzu kommt eine eingeschränkte Beweglichkeit, die sowohl dem Kraftverlust durch Mangelernährung als auch Erkrankungen wie Arthrose geschuldet sind. Krankheiten des Nervensystems und des Stoffwechsels können die Grundvoraussetzungen des Organismus verschlechtern und die Betroffenen weiter in ihrer Mobilität beeinträchtigen. Zudem bemerken beispielsweise Zuckerkranke Fehlbelastungen oder Hautverletzungen erst spät oder gar nicht, da ihr sensorisches Empfinden hierfür gestört ist.
Extrinsische Faktoren
Extrinsische Faktoren umfassen äußeren Einflüsse, die das Gewebe belasten. Hierzu zählen langanhaltender Druck oder Zug durch Schwerkräfte bei schlechter Lagerung, außerdem Feuchtigkeit und ein Verlust des Säuremantels der Haut. Die natürliche Hautbarriere wird gestört, Krankheitserreger können lokale Infektionen auslösen. Auch Medikamente, die eine schlechte Hautdurchblutung verursachen, oder die Mobilität stören, zählen zu den Auslösern eines Dekubitus.
Zeit zur Entstehung eines Dekubitus
Die Dauer bis zur Entstehung eines Dekubitus variiert in Abhängigkeit vom Hautzustand und dem Ausmaß der verbliebenen Mobilität. Sind die betroffenen Körperstellen vollständig immobilisiert, so kann sich bereits nach wenigen Stunden ein erstgradiger Dekubitus entwickeln. Dessen Rückentwicklung erfordert allerdings bereits eine gewissenhafte Versorgung und Lagerung über viele Stunden bis Tage.
Welche Stellen sind gefährdet?
Ein Dekubitus entsteht vor allem an Körperstellen, die schlecht durchblutet und wenig gepolstert sind. Dies ist vor allem der Fall an vorstehenden Knochen wie dem Steißbein, den Beckenknochen, den Dornfortsätzen an der Rückseite der Wirbelsäule und an Gelenken.
Dekubitus – Diagnose
Ein Dekubitus lässt sich durch einen geschulten Blick auf die betroffene Stelle erkennen und dabei oft auch die Ausprägung des Befundes einordnen. Ist die Haut intakt, so muss besonders gewissenhaft auf Veränderungen geachtet werden, denn die Rötung bei erstgradigem Dekubitus kann mit unspezifischen Hautreaktionen oder anderen Erkrankungen verwechselt werden.
Richtungsweisend ist die Betrachtung der betroffenen Person mit all ihren relevanten Eigenschaften, also eine Untersuchung des Allgemein- und Ernährungszustandes, des Hautbefundes und der Risikofaktoren wie Immobilität. Ergänzend kann ein einfacher Screeningtest, der Fingertest, Aufschluss geben.
Fingertest
Beim Fingertest drückt der Untersuchende mit der Fingerkuppe etwa eine Sekunde lang auf eine gerötete Hautstelle. Liegt der Rötung eine vorübergehende Mehrdurchblutung zugrunde, wie sie etwa bei Entzündungen oder einem Ausschlag häufig vorkommt, so wird das Blut durch den Druck verdrängt und die Hautstelle blasst kurzzeitig ab.
Lässt der Untersuchende los, so strömt das Blut zurück und die rote Färbung ist binnen weniger Augenblicke wieder vorhanden. Beim Dekubitus ersten Grades liegt eine ausgeprägtere Schädigung der oberen Hautschicht vor, bei der die Gefäßbarriere teilweise zerstört ist. Daher lässt sich die Rötung nicht mehr verdrängen, die Haut bleibt durchgehend verfärbt.
Grade und Stadien
Es gibt verschiedene Einteilungen des Dekubitus. So werden nach Ausprägung des Befundes entsprechend des EPUAP (European Pressure Ulcer Advisory Panel) oder der Einteilung nach Shea von 1979 vier Schweregrade unterschieden.
Grad I beschreibt dabei eine nicht-wegdrückbare Rötung über einem Knochenvorsprung, die mit weiteren Aspekten wie Schmerz, Verhärtung oder Überwärmung einhergeht.
Die Grade II und III zeichnen sich durch eine Zerstörung der oberen Hautschicht (Dermis) beziehungsweise der Unterhaut (Subcutis) mit dem darin befindlichen Fettgewebe aus. Hierbei kommt es zu Blasenbildung und zur Ablösung der Gewebeschichten vom Wundgrund. Die Geschwüre reichen jedoch nicht in die tieferen Schichten von Muskel und Skelettapparat hinein. Diese sind noch durch eine Faszienschicht vom Dekubitus abgegrenzt.
Ist die Faszie durchbrochen, so liegt die schwerste Ausprägung entsprechend Grad IV vor.
Die Einteilung in Schweregrade kann durch eine Beschreibung des Wundzustandes nach Seiler ergänzt werden. Dabei beschreibt Stadium A eine Wunde in Organisation, die mit nachwachsendem Gewebe (Granulationsgewebe) bedeckt und frei von Entzündungszeichen ist.
Stadium B liegt vor, wenn die Wunde mit nekrotischem, also zersetztem Gewebe belegt ist und „schmierige“ Anhaftungen vorliegen, die jedoch auf die Wunde begrenzt sind. Im Stadium C kommt es zu einer Beteiligung des umliegenden, gesunden Gewebes, die sich durch eine Ausbreitung der Entzündung bis hin zu einer Blutvergiftung äußert.
Dekubitus – Behandlung
Die Behandlung des Dekubitus setzt sich aus verschiedenen Maßnahmen zusammen. Einerseits muss eine sofortige und konsequente Druckentlastung der betroffenen Stelle erfolgen. Gleichzeitig gilt es, Komplikationen zu vermeiden. Tiefe Geschwüre können eine operative Versorgung erforderlich machen.
Infektionsschutz
Bei jeder Verletzung der Hautbarriere besteht das Risiko lokaler Infektionen. Diese sind bei einem Dekubitus besonders kritisch zu sehen, denn die schlechte Durchblutung an der betroffenen Stelle und die Mangelversorgung schwächen die Immunabwehr: Somit können sich Krankheitserreger im Bereich des Druckgeschwürs deutlich ungehemmter verbreiten als in gesundem Gewebe.
Es ist wichtig, die Wunde durch eine sterile Behandlung und Abdeckung sauber zu halten, nässendes oder abgestorbenes Gewebe zu entfernen und einen zeitnahen Wundverschluss durch Schorf und Granulationsgewebe zu erzielen. Kleine Rötungen können auf eine Infektion hinweisen und müssen streng überwacht werden.
Wundversorgung
Die Wundversorgung erfolgt mit besonderen Wundauflagen mit Schaum- oder Gelkomponente, die den Druck minimieren. Sie sind teilweise mit wachstumsfördernden Inhaltsstoffen oder mit entzündungshemmenden Komponenten versehen.
Grundsätzlich sollte die Wundauflage nicht mit der Wunde verkleben, damit beim Verbandwechsel kein unkontrolliertes Abreißen der Wundoberfläche resultiert. Eine Vakuumtherapie, bei der die Wunde vollständig bedeckt und Sog auf die betroffenen Stellen ausgelöst wird, kann die Durchblutung verbessern und den Heilungsprozess unterstützen. Sie kommt häufig in der stationären Behandlung des Dekubitus zum Einsatz.
Nekrosen, also zerstörtes Gewebe, müssen im Rahmen eines „Debridements“ entfernt werden, was bei kleinen Wunden meist manuell erfolgt, bei sehr umfangreichen Defekten aber einen chirurgischen Eingriff erfordern kann. Auflagerungen auf unklarem Wundgrund sollten (mit Ausnahme von „gesundem“ Schorf) entfernt werden, denn hierunter kann sich eine Infektion oder eine Läsion von ungeahnter Tiefe verbergen.
Schmerztherapie
Meist erhalten immobile Patienten bereits aufgrund ihrer Grunderkrankung eine Schmerztherapie, die auch die Beschwerden durch den Dekubitus abdeckt. Dennoch kann die akute Wundbehandlung zusätzliche starke Schmerzen verursachen. In diesen Fällen empfiehlt es sich, eine ergänzende Akutmedikation einzusetzen, die kurz vor dem Verbandwechsel und der Wundreinigung verabreicht wird und die Schmerzspitze durch die Behandlung abfängt.
Tipps für pflegende Angehörige
Wichtig für pflegende Angehörige ist eine umfassende Schulung zur korrekten Lagerung und Versorgung immobiler Menschen sowie zum Erkennen eines Dekubitus und zu dessen Versorgung. Jede Auffälligkeit oder auch nur fragliche Veränderung gesunder Haut oder eines bestehenden Defektes sollte mit dem Pflegepersonal besprochen werden, um Befunde nicht zu übersehen.
Wenn möglich, können Angehörige den Betroffenen eine ausgewogene und an die Bedürfnisse angepasste Ernährung anbieten und sie zum ausreichenden Trinken motivieren, was die Wundheilung unterstützen kann.
Dekubitus heilen – Drei Wundheilungsphasen
Bei guter Behandlung kann ein Dekubitus in drei Wundheilungsphasen abheilen. Diese können innerhalb der Wunde überlappend auftreten, wobei auch Rückschritte in der Ausheilung möglich sind. Wichtig ist, dass ein einmalig kategorisierter Dekubitus auch nach Abheilung nicht mehr zurückgestuft wird, da die Haut nicht in den gesunden Ursprungszustand zurückkehrt. Somit liegt am Ende beispielsweise ein „abgeheilter Dekubitus Grad II, III oder IV“ vor.
Die erste Heilungsphase ist die Phase der Exsudation, in der das Gewebe Flüssigkeit absondert. Diese kann durch eine entsprechende Wundauflage aufgesogen werden, sodass die Wunde zwar nicht durchweicht, aber auch nicht trocknet, womit ein optimales Wundmilieu vorliegt. In der zweiten Phase, der Granulation, entsteht neues Gewebe, das die Wunde vom Grund her aufbaut und verschließt. Die abschließende Epithelialisierungsphase beschreibt den endgültigen Defektverschluss, meist durch eine Bindegewebsnarbe.
Dekubitusprophylaxe
Aufgrund der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten sollte ein Dekubitus möglichst vermieden werden.
Für eine optimale Dekubitusprophylaxe ist zunächst die Erfassung aller Faktoren erforderlich, die eine Einschätzung des individuellen Risikos zur Entwicklung eines Dekubitus ermöglichen. Hierzu werden Screeningelemente wie die Skalen nach Braden oder Norton herangezogen, die einen Punktwert entsprechend der körperlichen Verfassung, Ernährung und Mobilität der Betroffenen bilden, und mit dem objektiven Ergebnis einer regelmäßigen Hautinspektion während der täglichen Pflege verbunden werden.
Basierend auf dem Zustand der Betroffenen und dem Ausmaß der erforderlichen Pflege werden dann individuell angepasste Lagerungspläne entwickelt, die gewissenhaft eingehalten und regelmäßig auf ihre Effizienz und Aktualität überprüft werden müssen.
Alle in die Pflege der Betroffenen involvierten Personen benötigen umfassende Kenntnisse der korrekten Lagerung und müssen die Anzeichen eines entstehenden Dekubitus frühzeitig erkennen und korrekt einordnen können.
Gleichzeitig sollten die Lagerungsbedingungen allgemein optimiert werden. Drückende Falten in der Bettwäsche, Feuchtigkeit durch Inkontinenz oder Schwitzen und eine falsche Positionierung des Körpers, die lokalen Druck erzeugen, können die Entstehung von Hautschäden fördern.
Eine regelmäßige, gewissenhafte Hautpflege und eine gute Versorgung mit allen benötigten Vitaminen, Mineralien und Flüssigkeit stärken die Widerstandskraft der Haut. Zudem unterstützen sie den Körper dabei, kleinere Gewebedefekte schnell zu beheben, bevor es zur Entwicklung großer Druckgeschwüre kommt.
Trotz aller Sorgfalt und Prophylaxe kann die Entstehung eines Dekubitus nicht immer verhindert werden. Unabhängig von allen angewendeten Maßnahmen muss daher die Haut der Betroffenen täglich, am besten zweimal, vollständig inspiziert werden.
Eine großzügige Dokumentation mit schriftlicher Erfassung und Bilddokumentation aller Veränderungen der Haut dienen als Grundlage zur Anpassung der Maßnahmen und zur Entwicklung eines Behandlungsplans.
Hilfsmittel
Ergänzend kommen Hilfsmittel wie Wechseldruckmatratzen und Mikro-Stimulations-Systeme zum Einsatz. Diese sollen sich bestmöglich an die Gewichtsverteilung der aufliegenden Körperteile anpassen und so für eine gleichmäßige Verteilung des Drucks auf die Haut sorgen.
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Häufige Fragen
- Welche Risikofaktoren sind maßgeblich für die Dekubitus-Entstehung?
- Was ist ein Anti-Dekubitus-Kissen?
- Wie funktioniert eine Anti-Dekubitus-Matratze?
- Was ist ein Dekubitus Grad 4?
Ein Dekubitus entsteht meist auf dem Boden vieler kombinierter Risikofaktoren und Erkrankungen. Vorrangig sind dabei die teilweise oder vollständige Immobilität zu nennen, die zu einer konstanten Druckentwicklung auf schlecht „gepolsterte“ Körperstellen führen. Vor allem bei gleichzeitiger unzureichender Gewebeversorgung begünstigt Immobilität das Auftreten eines Dekubitus.
Analog zur Dekubitus-Matratze für bettlägerige Immobile dient das Anti-Dekubitus-Kissen der leichteren und gewebeschonenden Lagerung von Patienten, die bevorzugt sitzen. Das Kissen ist dabei so geformt, dass es an den Risikostellen keinen Druck aufbaut und den übrigen verteilt.
Eine Anti-Dekubitus-Matratze ist eine spezielle Matratze zur Entlastung der Haut von immobilen Patienten, die ihre Lage nicht regelmäßig selbst verändern können. Die Matratze kann in ihrer Füllung und Härte verstellt werden und entlastet im Wechsel die aufliegenden Körperregionen, sodass der Druck auf die besonders gefährdeten Körperstellen nachlässt.
Ein Dekubitus Grad IV ist der schwerwiegendste Befund, bei dem die Gewebezerstörung weit über die Haut- und Unterhautschicht hinaus geht und die unter der Faszie liegenden Knochen, Knorpel und andere Strukturen des Skeletts einschließt.