Den Pflegeeinrichtungen fehlt es an Pflegekräften. Zeitmangel, Stress und Überlastung sind die Folge. Die Digitalisierung des Pflegebereichs soll Abhilfe schaffen. Krankenhäuser und Pflegeheime versprechen sich effizientere Arbeitsabläufe und Zeiteinsparungen. Doch die Digitalisierung verändert den Pflegealltag grundlegend. Das bringt neben vielen Chancen auch Herausforderungen und Risiken mit sich.
Digitalisierung gegen den Pflegenotstand
Im Jahr 2019 waren der Bundesarbeitsagentur zufolge 23.500 Stellen im Bereich der Altenpflege und 16.200 Stellen im Bereich der Krankenpflege unbesetzt. Aufgrund des demographischen Wandels verstärkt sich der Pflegenotstand von Jahr zu Jahr. Bis 2050 soll die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von heute 3,5 Millionen auf 5,3 Millionen ansteigen.
Schon heute haben Pflegekräfte oft nicht ausreichend Zeit, um sich um alle Bedürfnisse ihrer Patienten zu kümmern. Zudem klagen viele Beschäftige im Pflegebereich über eine unausgeglichene Work-Life-Balance. Die stärkere Einbindung digitaler Systeme soll den Arbeitsalltag erleichtern. Die digitale Dokumentation soll zum Beispiel die Sammlung pflegerelevanter Informationen effizienter gestalten. Pflegeroboter können einfache Aufgaben übernehmen, für die examinierte Pflegekräfte überqualifiziert sind. Medizinische Smartphone-Apps und Sensoren bieten die Chance zur Frühdiagnostik beim Patienten zu Hause. Unterstützt durch Technik, bleibt den Pflegekräften mehr Zeit für wichtige Aufgaben und die Kommunikation mit den Patienten. So lautet zumindest die Hoffnung.
Von der Dokumentation bis zum Pflegeroboter
Eines der Haupteinsatzgebiete der Digitalisierung im stationären Bereich ist die Pflegedokumentation. In vielen Pflegeeinrichtungen sind zwar die Grundlagen für eine digitale Dokumentation vorhanden, Patientendaten werden aber häufig noch auf Papier erfasst. Oder aber die Daten werden elektronisch aufgenommen, aber nie ausgewertet. Dabei stellt eine strukturierte digitale Datenerfassung eine große Zeitersparnis dar: Patienten können zum Beispiel schon im Vorfeld Anamnese– und Aufklärungsbögen lesen, ausfüllen, unterschreiben und elektronisch an die Pflegeeinrichtung übermitteln. Spezielle Softwareprodukte erstellen aus der Pflegedokumentation Diagnose- und Behandlungsvorschläge, unterstützen bei der Abrechnung und bei der Evaluation.
Noch effizienter lassen sich Arbeitsabläufe gestalten, wenn Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die Daten ihrer digitalen Dokumentation systematisch auswerten und zusammenführen. Aus den Ergebnissen lassen sich Zusammenhänge zwischen den durchgeführten Behandlungen und den zu erwartenden Heilungserfolgen oder Komplikationen ableiten.
Noch einen Schritt weiter gehen Pflegeroboter, die derzeit im Rahmen diverser Pilotprojekte in Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden. Roboter wie Pepper oder die Robbe Panno kommunizieren mit den Patienten, sammeln Daten, erkennen Verhaltensmuster und passen ihr eigenes Verhalten entsprechend an. Sie sollen zum Beispiel demenzkranke Menschen unterstützen und aktivieren.
Digitale Systeme können auch in der häuslichen Pflege zum Einsatz kommen. Die Möglichkeiten reichen vom Hausnotruf, der mit einer automatischen Sturz-Detektion gekoppelt ist, bis hin zu App-gesteuerten Sensoren, die bei der Früherkennung von Krankheiten helfen.
Welche Herausforderungen stellt die Digitalisierung in der Pflege?
Kliniken und Pflegeeinrichtungen versprechen sich von der Digitalisierung große Chancen. Allerdings stellt die Implementierung und Nutzung digitaler Systeme die Einrichtungen auch vor einige Herausforderungen. Soll die Digitalisierung in der Pflege funktionieren und tatsächlich zur Arbeitsentlastung führen, bedarf sie einer guten Strategie: Welche konkreten Ziele verfolgt die Digitalisierung? Welche Prozesse sollen digitalisiert werden? Welche Systeme eignen sich dafür? Zudem müssen ein Zeitplan und Verantwortliche festgelegt werden.
Die besten digitalen Systeme helfen nur wenig, wenn sie von den Pflegekräften nicht akzeptiert werden. Viele Beschäftigte im Pflegebereich befürchten, dass die digitale Dokumentation zu einer höheren Arbeitsbelastung führt. Daher ist eine ausführliche Schulung der Mitarbeiter wichtig, die ihnen die Sorgen nimmt. Das gelingt insbesondere mit Systemen, deren Benutzeroberfläche attraktiv gestaltet ist und sich intuitiv bedienen lässt.
Ethische Herausforderungen
Im Zuge der Digitalisierung in der Pflege stellt sich auch die Frage, wie weit die Technologie die Pflege tatsächlich unterstützen kann und wo die Grenze liegt. So darf die Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft nicht unter der fortschreitenden Digitalisierung leiden. Pflegeroboter können beispielsweise die Pflegekräfte unterstützen, Medikamente verabreichen und demenzkranke Menschen unterhalten. Den zwischenmenschlichen Kontakt ersetzen sie jedoch nicht. Auch Diagnose- und Behandlungsvorschläge digitaler Systeme bedürfen eines prüfenden Blicks durch eine erfahrene Pflegekraft.
Digitale Systeme sind daher als Unterstützung für menschliche Pflegekräfte zu sehen, nicht aber als Ersatz. Darauf weist auch der Deutsche Ethikrat in einer im März veröffentlichten Stellungnahme zur Robotik in der Pflege hin.
Welche Chancen, Vorteile und Risiken bietet die Digitalisierung für Pflegekräfte?
Häufig ist die Skepsis gegenüber digitalen Technologien noch groß. Dabei bietet die Digitalisierung wesentliche Chancen und Vorteile für Pflegekräfte:
- Durch digitale Dokumentationssysteme lassen sich Daten schneller erfassen und zusammenführen.
- Mobile Endgeräte ermöglichen ein agiles Arbeiten.
- Informationen rund um Pflege und Versorgung sind jederzeit und von überall her abrufbar.
- Diagnose-Systeme und Pflegeroboter können Routineaufgaben übernehmen.
- Arbeitsabläufe lassen sich effizienter gestalten.
- Pflegekräfte werden entlastet und haben mehr Zeit für den sozialen Kontakt mit Patienten und Angehörigen.
- Die Work-Life-Balance verbessert sich.
Allerdings müssen sich auch Pflegekräfte bewusst sein, dass digitale Systeme ihre Arbeit im besten Fall ergänzen, jedoch keinesfalls ersetzen. Bei allen Vorteilen der Technik darf das Patientenwohl nicht aus dem Blick geraten. Der Einsatz digitaler Systeme sollte nicht zu Lasten des Selbstbestimmungsrechts der Patienten gehen. Das gilt auch in Fragen des Datenschutzes. Das elektronische Sammeln und Speichern von Patientendaten eröffnet leider auch die Möglichkeit des Missbrauchs. Kliniken und Pflegeeinrichtungen müssen daher in die digitale Sicherheit investieren. Patienten müssen zudem selbst bestimmen können, ob sie der Datensammlung zustimmen, und entscheiden dürfen, wie die gesammelten Daten genutzt werden.
Digitalisierung der Pflege: Fazit und Ausblick
Um die Chancen der Digitalisierung im Pflegebereich effektiv nutzen zu können, braucht es konkrete Strategien und Maßnahmen – und zwar nicht nur auf Ebene der Kliniken und Pflegeeinrichtungen, sondern auf Bundesebene. Die Politik muss rechtliche Rahmenbedingungen, finanzielle Anreize und Modellprojekte schaffen, um den Einrichtungen die Einführung digitaler Systeme zu erleichtern. Im Arbeitsalltag mit digitalen Systemen sind dann nicht nur Fragen zur Technologie und zum Datenschutz zu beachten, sondern auch ethische Aspekte.