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Das EKG (Elektrokardiographie oder Elektrokardiogramm) ist eine grundlegende Untersuchungsmethode im hausärztlichen und kardiologischen Bereich, mit der man elektrische Herzaktivität misst. Elektrokardiogramme werden dabei grundsätzlich immer durchgeführt, wenn ein Verdacht auf Herzerkrankungen besteht. Entsprechend ist ein EKG-Gerät auch fester Bestandteil der Ausrüstung im Rettungsdienst. Bei Vorsorgeuntersuchungen oder Therapiekontrolluntersuchungen (etwa bei Herzinsuffizienz) kommt das EKG ebenfalls standartmäßig zum Einsatz.
Was genau beim EKG zu beachten ist und wie die Ergebnisse zu interpretieren sind, klärt dieser Artikel.
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EKG – Funktionsweise
Die Funktionsweise des EKG nutzt die elektrische Herzaktivität. Das Herz durchläuft mehrmals in der Minute einen Kreislauf, der aus vier Phasen besteht. Er beginnt mit der Entspannung der Herzkammer, in die anschließend in der Füllungsphase Blut aus dem Vorhof gepumpt wird. Im nächsten Schritt spannen sich die Muskeln der Herzkammer an und werfen das Blut schließlich in die Aorta und die Lungenarterien, die Hauptschlagadern, aus. Die Herzaktivität entsteht durch ein Signal, das aufgrund der Spannungen innerhalb und außerhalb von Zellen auftritt. Dieses Potenzial breitet sich vom Sinusknoten im rechten Vorhof über das ganze Herz aus. Die Spannungsänderungen werden dabei von EKG-Elektroden registriert und durch das EKG-Gerät verbildlicht.
EKG – Varianten
Ein EKG kann dabei je nach diagnostischer Fragestellung in verschiedenen Varianten durchgeführt werden. Möglich sind nicht-invasive, semi-invasive oder invasive Verfahren. Grundsätzlich sind die nicht-invasiven Verfahren die einfachen und sicheren Varianten, während invasive Methoden mit Risiken einhergehen und Vorbereitungszeit benötigen. Letztere sind hingegen genauer und lassen sich besser für Diagnosestellungen verwenden. Wie sich die Verfahren unterscheiden und in welchen Fällen sie zur Anwendung kommen, erläutern die folgenden Abschnitte genauer.
Nicht-invasive Verfahren
Nicht-invasive EKG-Verfahren zeichnen sich vor allem durch ihre Einfachheit aus. Da die Herzströme bei dieser Art des Kardiogramms über Elektroden abgeleitet werden, die man auf der Haut aufklebt, bedarf es keiner Vorbereitungszeit. Zudem kann man Erregungsabläufe auch ohne die Aufsicht einer Fachkraft wie zum Beispiel einer Medizinischen Fachangestellten ableiten, zum Beispiel im Falle eines Langzeit-EKGs.
Beim Ruhe-EKG misst man die Herzaktivität für einige Sekunden bei dem/der entspannten Patienten/-in. Es dient meist als Wegweiser für weitere Untersuchungen oder ist Teil der Diagnostik in Kombination mit anderen Tests. Das EKG in Ruhe kann durch schnelle Atmung, Sprechen oder Bewegungen verfälscht werden.
Ein Langzeit-EKG wird meist 24, 48 oder 72 Stunden lang durchgeführt und danach durch eine/n Arzt/Ärztin begutachtet. Neben der Dauermessung gibt es die Möglichkeit, dass das Gerät bei Beschwerden eingeschaltet werden kann. Diese Methode heißt Event-Recorder. Bei Langzeitmessungen ist es besonders wichtig, dass der/die Patient/in gleichzeitig den Tagesablauf und auftretende Beschwerden dokumentiert, um diese später mit eventuellen Störungen in Beziehung zu setzen.
Durch ergometrische Untersuchungen lassen sich EKG-Veränderungen unter Belastung feststellen und anhand dessen kardiopulmonale Beschwerden aufdecken. Hierzu kann ein erhöhter Blutdruck oder ein nicht-rhythmischer Herzschlag bei körperlicher Belastung gehören. Auch die Belastbarkeit von Herz und Lunge wird überprüft. Für die Untersuchung sitzt der/die Patient/in meist auf einem Fahrradergometer und tritt gegen einen steigenden Widerstand an. Da besonders Herzkranke bei der Belastung unter Symptomen wie Schwindel oder Brustschmerzen leiden können, ist es wichtig auf entsprechende Zwischenfälle bis hin zur Reanimation vorbereitet zu sein. Ob eine Untersuchung durch ein Belastungs-EKG bei auftretenden Symptomen abgebrochen werden sollte, entscheidet der/die aufsehende Arzt/Ärztin.
Semi-invasive Methoden
Die am häufigsten durchgeführte, semi-invasive EKG-Methode ist das Ösophagus-Kardiogramm. Hierbei wird eine Sonde durch die Speiseröhre bis auf Herzhöhe eingeführt und die räumliche Nähe zum linken Vorhof genutzt, um Nahpotenziale der Herzerregung aufzuzeichnen. Die Methode wendet man dann an, wenn eine intrakardiale EKG-Ableitung wie bei der invasiven Methode nicht möglich ist.
Invasive Methoden
Man kann die Herzaktivität auch mit invasiven Methoden ableiten. Hierfür wird ein Katheter meist über die Leisten- oder Halsvene bis in die Herzkammern geschoben. Dieser leitet Erregungen von innen ab. Gleichzeitig schreibt man von außen ein normales Kardiogramm. Dieses intrakardiale EKG kann man beispielsweise zur Platzierung eines Zentralvenösen Katheters (ZVK) nutzen. Auch bei komplexen Arrhythmien, die im Zusammenhang mit vorangegangenen Untersuchungen oder chirurgischen Eingriffen am Herzen auftreten und sich nicht in klassische Rhythmusstörungen einteilen lassen, wendet man die „Mapping“ genannte Untersuchung an. Wie alle intrakardialen Untersuchungen birgt jedoch auch das EKG-Mapping Risiken, beispielsweise Kammerflimmern, Gefäßverletzungen oder Thromben (Blutgerinnsel).
EKG – Ableitungsanzahl
Die Anzahl der Ableitungen hat eine große Auswirkung auf die Aussagekraft eines EKGs. Je nach Methodik und diagnostischer Fragestellung kommen unterschiedliche Ableitungsanzahlen in Frage. Das Einkanal-EKG, das man auch von Smartphones kennt, findet in der Routinediagnostik aufgrund seiner geringen Aussagekraft selten Anwendung. In ambulanten Notfallsituationen kann der Rettungsdienst es jedoch zur Überwachung von Patienten/-innen nutzen. Auch 3- und 6-Kanal-Ableitungen mit Elektroden an Hand- und Fußgelenken verwendet man lediglich noch im Notfall.
Der Goldstandart bei Untersuchungen ist das 12-Kanal-EKG, bei dem man zu den 6 Ableitungen an Armen und Beinen zusätzlich 6 (oder mehr) Elektroden an der Brustwand platziert. Das 12-Kanal-EKG bietet den Vorteil, dass es alle Wände des Herzens abbildet. Zudem lassen sich durch die Ausprägungen der unterschiedlichen EKG-Kurven weitere Faktoren, wie der Lagetyp des Herzens, bestimmen. Letzterer spiegelt die Richtung der Hauptweiterleitung im Herzen wider und kann bei Normabweichungen Hinweise auf gesteigerte Belastung des linken oder rechten Herzens oder Blockaden in der Reizweiterleitung geben.
EKG richtig anlegen
Die elektrischen Leiter, sprich Elektroden, werden beim EKG direkt auf der Haut angebracht. Beim Langzeit-EKG klebt man sie auf die Haut über den Knochen. Damit der Kontaktwiderstand gering bleibt, befeuchtet man die betroffenen Stellen, zum Beispiel mit einem Kontaktgel. Die genaue Platzierung erfolgt nach festgelegten Prinzipien, die im Anschluss vorgestellt werden.
Anlegen an den Extremitäten
Damit elektrische Ströme in alle Richtungen abgeleitet werden können, werden an den Extremitäten zwei Arten von Ableitungen angebracht. Meist kann man dabei nach dem Ampel-Prinzip vorgehen: Die rote Elektrode bringt man am rechten Arm an, die gelbe am linken. An den Füßen legt man links die grüne Elektrode an, während rechts die Erdung in schwarz ihren Platz findet.
Anlegen an der Brustwand
Die Klebepunkte am Thorax (Brustkorb) sind sehr genau definiert und sollten möglichst exakt eingehalten werden. Hier wendet man die Wilson-Methode an. Die erste Elektrode (V1) wird demnach im 4. Intercostalraum (ICR, sprich der Raum zwischen den Rippen) rechts neben dem Brustbein angebracht. Die zweite Ableitung (V2) folgt gegenüberliegend im 4. ICR links. Für die Orientierung ist nun das Anbringen der 4. Ableitung (V4) erforderlich, die im 5. ICR links auf der Mittellinie angebracht wird. Zwischen V2 und V4, also auf der 5. Rippe klebt man die dritte Ableitung (V3). Ableitungen 5 und 6 (V5 und V6) werden auf der gleichen horizontalen Linie wie V4 entlang des Brustkorbs geklebt.
Ableitungen bei Frauen
Beim Anlegen der Ableitungen bei Frauen muss man beachten, dass man die Ableitungen trotz der weiblichen Brust an den vorgegebenen Stellen anbringt. Bei auftretenden Störsequenzen muss man die Sensibilität des EKG-Geräts erhöhen.
EKG – Ableitungen
Allein für das Standard EKG gibt es mehrere Ableitungsarten. Dazu kommen einige weitere Methoden, die in bestimmten Fällen zur besseren Veranschaulichung spezieller Symptome eingesetzt werden. In allen Fällen schreibt das EKG-Gerät die Erregungsabläufe auf Millimeterpapier. Meistens wird hier eine Ableitungsgeschwindigkeit von 50 mm/s (oder 1 mm in 0,02 s) verwendet. Auch eine Ableitungsgeschwindigkeit von 25 mm/s (oder 1 mm in 0,04 s) kann vorkommen.
Ableitungsarten
Es gibt zwei Arten von Extremitätenableitungen. Bei der Einthoven-Methode zeichnen die Elektroden Potenziale in der Frontalebene auf, die den Körper in eine vordere und eine hintere Hälfte teilt und sich von links nach rechts sowie von oben nach unten erstreckt.
Bei der Goldberger-Methode werden hingegen zwei Elektroden zu einem Referenzpunkt zusammengeschaltet, zwischen dem und der dritten Elektrode das Potenzial gemessen wird. Auch diese Messung findet in der Frontalebene statt. Goldberger- und Einthoven-Ableitungen bilden zusammen den Cabrera-Kreis, mit dessen Hilfe sich die anatomische Lage des Herzens bestimmen lässt.
Bei der Wilson-Ableitung werden alle Extremitätenableitungen zusammengeschaltet und ins Verhältnis mit den Brustwandableitungen gesetzt. Dadurch lässt sich das Herz von fast allen Seiten darstellen.
EKG – Ergebnisse interpretieren
Bei der Interpretation eines EKGs hält man am besten eine Reihenfolge von Faktoren ein, die man überprüft.
- Rhythmus: Liegt ein Sinusrhythmus vor? Hierfür müssen die R-Zacken im gleichen Abstand sein und jedem QRS-Komplex sollte eine P-Welle vorausgehen, die Erregung der Vorhöfe sollte also zeitlich vor den Kammern liegen.
- Herzfrequenz: Wie weit sind die R-Zacken voneinander entfernt? Je nach Ableitungsgeschwindigkeit ergibt sich aus der Entfernung die Dauer eines Erregungszyklus. Nun lässt sich auf die Anzahl der Erregungen pro Minute schließen. Bei einer Herzfrequenz von unter 60 liegt eine Bradykardie (langsamer Herzschlag), über 100 eine Tachykardie (schneller Herzschlag) vor.
- Lagetyp des Herzens: Hierfür wird der erwähnte Cabrera-Kreis verwendet. Man sollte beachten, dass sich der Lagetyp bei Schwangerschaft, Gewichtszu- oder -Abnahme und im Alter verändern kann.
- Zeitkontrolle: Nun werden die Zeiten zwischen den Ereignissen kontrolliert. Für diese sind Normwerte festgelegt.
- Morphologie: Überprüfung der Details der EKG-Bestandteile wie nachfolgend aufgeführt.
Schema
Ein physiologisches (gesundes) EKG besteht aus einer P-Welle einem QRS-Komplex und einer abschließenden T-Welle. Die P-Welle sollte unter 0,1 Sek. lang sein. Sie ist die Registrierung der Vorhoferregung, auf die die Vorhofkontraktion folgt. Anschließend folgt die Erregung der Herzkammern, was durch den QRS-Komplex dargestellt ist, dessen positiver Anteil R-Zacke heißt. Auch dieser sollte kürzer als 0,1 Sek. sein. Die anschließende T-Welle stellt die Repolarisation (Wiederherstellung der Ruhesituation) der Kammern dar und schließt die Herzerregung ab.
Auffälligkeiten im EKG
Die Interpretation von einem EKG ist reine Übungssache. Grundsätzlich ist es sinnvoll nach dem oben erwähnten Schema vorzugehen und auf typische Veränderungen zu achten. Die einzelnen Phasen des Schemas können dabei länger, breiter, kürzer, kräftiger oder schwächer ausfallen. Zudem kann es vorkommen, dass Erregungen rückwärts ablaufen und Bestandteile des EKGs (meist die P- oder T-Welle) verschoben, doppelt oder nicht vorhanden sind.
Veränderungen im EKG
Bei einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) können beispielsweise veränderte Q-Zacken, die stark negativ und verlängert sind, auftreten. Bei noch nicht abgestorbenem, aber dennoch stark ischämischem, also sehr schlecht durchblutetem, Gewebe kann es zudem zu einer Hebung der ST Strecken (sogenannter ST-Strecken-Elevationsinfarkt, STEMI) kommen. Bleibt diese Veränderung aus, handelt es sich um einen non-STEMI.
Fehlerquellen
Beim EKG gibt es zahlreiche Fehlerquellen, weshalb das Kardiogramm stets als Wegweiser, nicht als Diagnosesteller dient. Fehlerströme, sogenannte Artefakte, können beispielsweise bei Wechselstrom, nicht ordnungsgemäß fixierten oder defekten Elektroden, Muskelzuckungen, vertauschten Ableitungen oder fehlender Eichung vorkommen. Als Orientierungspunkt und Möglichkeit zur Herzüberwachung ist das Schreiben eines Kardiogramms dennoch eine wichtige, aus dem medizinischen Alltag nicht wegzudenkende Methode.
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Häufige Fragen
- Wie sieht eine normale EKG-Kurve aus?
- Wie lange dauert ein EKG?
- Wie lange dauert eine EKG-Auswertung?
- Was sagt ein Langzeit-EKG aus?
Eine normale EKG-Kurve besteht aus einer P-Welle, einem QRS-Komplex und einer T-Welle. Für die einzelnen Abschnitte sind Geschwindigkeiten definiert. Die P-Welle sollte so beispielsweise unter 0,1 Sek. lang sein.
Die Dauer eines EKGs ist vom Verfahren abhängig. Ein Ruhe-Elektrokardiogramm dauert wenige Sekunden bis Minuten, ein Belastungs-EKG etwa eine halbe Stunde. Langzeit-EKGs können bis zu 72 Stunden andauern.
Die Dauer der EKG-Auswertung hängt von der Routine der Medizinischen Fachangestellten oder einer anderen Fachkraft ab. Meistens handelt es sich hier um einige Minuten.
Ein Langzeit-EKG zeichnet die Herzaktivität in Ruhe und unter Belastung im Alltag auf und ermöglicht somit die Dokumentation von Beschwerden. Hält der/die Patient/in den Tagesablauf und auftretende Beschwerden während der Messung fest, können diese dadurch in Zusammenhang gesetzt werden.
1. Horacek, Der EKG-Trainer, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2017
2. 12-Kanal-EKGs, Fachinformationen Notfall- und Intensivmedizin, www.klinikum-nuernberg.de (Abrufdatum: 28.08.2022)
3. Shenasa, Cardiac Mapping, Wiley-Blackwell (Verlag), 5. Auflage, 2019
4. Ösophagus-EKG, www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 29.08.2022)
5. The Lewis Lead, www.ahajournals.org/doi/10.1161/ (Abrufdatum: 31.08.2022)
6. Hamm, Checkliste EKG, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2014