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Fragen der Ethik spielen in der Pflege eine große Rolle. Pflegekräfte sind oft mit den Themen Tod, Sterben und Würde konfrontiert und müssen in vielen Fällen für oder mit ihren Patienten/-innen entscheiden. Was ethische Lösungen ausmachen, welche Art von Stützen es für die Entscheidungsträger/innen gibt und wie sich diese konkret anwenden lassen, ist in diesem Artikel erklärt.
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Ethik – Definition
Bei der Ethik handelt es sich um eine Form der Wissenschaft, die sich mit dem menschlichen Handeln befasst. Konkret beschäftigt sie sich mit den Fragen „Wie soll der Mensch handeln?“, „Wie handelt der Mensch moralisch?“ und „Wieso handelt der Mensch wie er handelt?“. Während die Analyse des menschlichen Verhaltens streng rational durchgeführt wird, sind die entsprechenden Lösungsansätze wertebasiert und eher philosophisch zu betrachten. Beispiele für solche Werte können Gesundheit, Nächstenliebe, Harmonie oder auch Effektivität sein.
Ethik in der Pflege – Bedeutung
Die Ethik in der Pflege hat eine besondere Bedeutung. Sie nimmt eine besondere Rolle ein, da in der Pflege Menschen durch Menschen betreut werden. Hierbei entstehen moralische Fragen, die eine Pflegekraft eigenständig bedenken muss. Solche Fragestellungen sind Teil des Alltags in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, da viele Patienten/-innen oft nicht (mehr) in der Lage sind, sich diese Fragen eigenständig zu stellen. Somit liegt es an der Pflegefachkraft, aus der Position des/-r Pflegebedürftigen heraus zu handeln.
Ethik – Grundlagen
In der Medizin und besonders in der Pflege sind ethische Fragestellungen deshalb so bedeutend, da mit jeder Handlung meist eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Risiken und Nebenwirkungen einhergeht. Neben evidenzbasierter Medizin (Wie viele Patienten/-innen müssen behandelt werden, dass es jemandem etwas nutzt? Wie schwer sind Nebenwirkungen?) versucht man Konflikte mit ethischen Ansätzen zu lösen. Hierbei macht man sich die vier ethischen Prinzipien zunutze und versucht deren kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und darauf basierend zu handeln. Die konkreten Prinzipien der Pflegeethik sind im Folgenden nochmal erklärt.
Die 4 ethischen Prinzipien in der Pflege
Im Wesentlichen handelt man in der Medizinethik nach vier Prinzipien, die ineinandergreifen. Auf die Pflege lassen sich diese Prinzipien noch einmal gesondert anwenden. Wer „Gutes tun“ möchte, sorgt sich beispielsweise um die Körperpflege des/-r Patienten/-in und hängt regelmäßig nötige Infusionen an. Dem gegenüber steht jedoch die Patientenautonomie: Weigert sich der/die Patient/in, die Hilfe anzunehmen, sind die Bemühungen umsonst.
„Nicht-Schaden“ nimmt ebenfalls eine hohe Position ein. So will man in diesem Beispiel keinen unnötigen Schaden hervorrufen, indem man viele Versuche macht, um einen Zugang beim/bei der Patienten/-in zu legen. Auch Gerechtigkeit spielt bei der Ethik in der Pflege eine besondere Rolle. So sollten Pflegebedürftige gleichbehandelt werden und beispielsweise die gleiche Sorgfalt bei der Körperpflege erfahren.
Autonomie-Prinzip
Bei diesem Teil der Ethik in der Pflege geht es um die Freiheit zur Selbstbestimmung von Patienten/-innen. Hier geht es um das Handeln nach den Werten des/-r Pflegebedürftigen und Fragen über lebenserhaltene Maßnahmen, Palliativ- und Intensivpflege. Die informierte Entscheidungsfindung des/-r Patienten/-in steht im Mittelpunkt des Prinzips und sollte nach Möglichkeit respektiert werden. Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn die pflegebedürftige Person ganzheitlich informiert, beziehungsweise aufgeklärt wurde. Auch die Patientenverfügung fällt unter diesen Bereich der Ethik in der Pflege. Liegt keine Patientenverfügung vor, muss der/die Pflegende den mutmaßlichen Willen des/der Patienten/-in ausführen.
Fürsorge-Prinzip
Das Fürsorge-Prinzip zielt auf das Erreichen von Gesundheit beziehungsweise des optimalen Wohlbefindens ab. Mit diesem Ziel als Leitfaden sind in dem Punkt der Ethik in der Pflege therapeutische Maßnahmen zu treffen, die im Zweifel dem Autonomie-Prinzip widersprechen können. Auch das Prinzip der Schadensvermeidung kann mit dem Fürsorge-Prinzip verknüpft sein.
Prinzip der Schadensvermeidung
Die Schadensvermeidung zielt grundsätzlich auf die Minimierung von Risiken, etwa Schmerzen, Krankheiten, Ängste oder sogar Lebensverkürzung, ab. Hierbei gilt es häufig, den Nutzen der Maßnahme gegen ihre Risiken abzuwägen. Hier ist die Perspektive des/-r Pflegebedürftigen wichtig. Die Fragen, welche kurzen oder langfristigen Folgen er/sie sich von der Behandlung erhofft und welche Nebenwirkungen die größte Einschränkung in seinem/ihrem Sozial- oder Berufsleben mit sich bringen könnte, muss man also in die Lösung mit einbeziehen.
Prinzip der Gerechtigkeit
Medizinische Fachkräfte sind dazu angehalten, knappe Güter gerecht unter Patienten/-innen zu verteilen. Hierbei gilt, dass Ungleiches ungleich ist. Ein alter Mann mit schwerer Herzinsuffizienz kann also nicht wie eine junge Frau mit gebrochenem Arm behandelt werden und umgekehrt. Gleichzeitig sollte aber niemand aufgrund äußerlicher oder persönlicher Merkmale benachteiligt behandelt werden.
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Ethik in der Pflege – Der ICN-Ethikkodex
Der ICN-Ethikkodex wurde vom International Council of nurses (ICN) festgelegt und dient als Leitlinie der Ethik in der Pflege. Es handelt sich hierbei um eine Erklärung von Werten, Verantwortlichkeiten und Rechten von Pflegefachfrauen und -männern und Auszubildenden in der Pflege. Der Ethikkodex soll dabei nicht als Anleitung gesehen werden, sondern eher als Leitfaden, der zum Austausch zwischen Fachkräften und zur besseren Entscheidungsfindung beitragen soll.
Zusätzlich zu haftungsrechtlichen Standards, der Verfassung und der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen soll so ein Rahmen zur Behandlung ethischer Fragestellungen geschaffen werden. Die die vier Hauptelemente des Ethikkodex’ sollen nicht als vollständig oder endgültig betrachtet werden, sollten aber dennoch in allen Bereichen der pflegerischen Tätigkeit einbezogen werden.
Das besagt der ICN-Ethikkodex
Im Wesentlichen besteht der ICN-Kodex aus vier großen Hauptelementen, die die wichtigsten Punkte der Ethik in der Pflege abdecken sollen.
- Das erste Element betrifft Pflegefachpersonen und Patienten/-innen sowie Menschen mit Pflegebedarf. Da die Pflegebedürftigen meist nicht alleine in der Lage sind, sie umzusetzen, liegt es an Mitarbeitern/-innen in der Pflege, ein Umfeld zu schaffen, in dem Würde, Respekt und Gemeinschaft von allen anerkannt und bedeutsam sind. Vor einem ethischen Hintergrund dienen Pflegende in diesem Zusammenhang entsprechend als Vertreter/innen der Menschenrechte. Die Privatsphäre und Gerechtigkeit sollen ebenfalls geschützt werden. Die Pflege erfolgt „evidence-informed“ und personenbezogen.
- Beim zweiten Element des ICN-Ethikkodex geht es um Pflegefachpersonen und die Praxis. Zu der Verantwortung von Pflegepersonal gehört es, die eigene fachliche Kompetenz aktuell zu halten und in ihrer eigenen Kompetenz zu bleiben. Dabei vertritt die Pflegefachkraft den/die Pflegebedürftige/n und dient als Fürsprecher/in. Auch die Würde des Personals selbst sollte durch das Arbeitsumfeld gewahrt werden. Hat eine Fachkraft entsprechend ethische Bedenken gegenüber einer Prozedur, darf sie diese ablegen beziehungsweise die Ausführung verweigern.
- Um Pflegefachpersonen und den Beruf geht es beim dritten Element des ICN-Kodex. Entsprechend dieses Unterpunktes sollen Pflegende selbst aktiv an der Aktualisierung der Leitlinien und Werte in der Pflege beitragen. Sie bestimmen selbst durch Motivation und Teamarbeit das Arbeitsumfeld und nehmen an weiterführenden Forschungen teil.
- Das vierte Hauptelement umfasst Pflegefachpersonen und globale Gesundheit. Gesundheitsversorgung soll nach diesem Punkt als Menschenrecht betrachtet werden. Dabei liegt es an den Pflegefachkräften, die Würde zu bewahren und in einer Führungsposition zur sozialpolitischen Entwicklung beizutragen. Auch natürliche Entwicklung und Nachhaltigkeit sind bei Handlungen ebenfalls zu beachten. Länderübergreifendes Arbeiten ist ebenfalls ein wichtiger Teil der Pflegeethik, wie das Ablehnen von Diskriminierung und Ausbeutung.
Ethik in der Pflege – Ethische Konflikte
Im Pflegealltag ergeben sich nahezu jeden Tag unzählige ethische Konflikte. Hierbei handelt es sich um Probleme, bei dem Rechte, moralische Prinzipien, medizinische oder pflegerische Notwendigkeit und Gewohnheiten im Konflikt stehen. Wie weit die Entscheidung reicht oder wie schwer mögliche Konsequenzen sind, ist nicht definiert. Bei einem ethischen Dilemma führt dabei die Entscheidung zu einer Handlungsoption zu einer moralischen Schuld.
Klassische Konfliktthemen sind die künstliche Lebensverlängerung, Patienten/-innen-Aufklärung, Menschenwürde, Sterbenlassen, alltäglicher Umgang und Selbstbestimmung oder Patientenwille. Betrachtet man die Ursachen für entstehende Konflikte, sind die Faktoren vor allem Zeitmangel, Hierarchiekonflikte, fehlende Sensibilität, Entscheidungsprobleme und Kommunikationskonflikte.
Bei solchen Konflikten der Ethik in der Pflege ist es wichtig, dass man verschiedene Perspektiven in die Entscheidungsfindung mit einbringt. Die Belastung darunter (moral Disstress) kann zu ernsthaften Konsequenzen führen. Langfristig ziehen viele Pflegende die Konsequenz daraus, den Arbeitsgeber oder sogar die Branche zu wechseln. Es folgt ein typisches Beispiel für einen ethischen Konflikt aus dem Pflegealltag.
Als Patient/in vorsorgen
Damit Pflegekräfte weniger in ethische Konflikte hinein geraten, kann man als Patient/in vorsorgen. Mit einer Patientenverfügung oder Entscheidungsvollmacht für Angehörige, denen man vertraut, kann man sich sicher sein, dass der persönliche Wille umgesetzt wird, auch wenn man nicht mehr dazu in der Lage ist, diesen zu äußern.
Ethischer Konflikt – Beispiel
In diesem Fallbeispiel liegt Frau Mayer seit zwei Wochen auf Station. Ihr Sohn kommt sie regelmäßig besuchen, sonst scheint sie keinen Kontakt zu Personen außerhalb des Krankenhauses zu haben. Seit einigen Tagen verweigert sie die Körperpflege. Sie dreht sich von den Pflegenden weg, sagt klar “Nein” wenn die Pflege angeboten wird und kümmert sich auch sonst nicht um Körperhygiene. Die Bewegung scheint sie ebenfalls zu vernachlässigen und sie liegt die meiste Zeit des Tages im Bett. Ihr Sohn ist besorgt und bemerkt eine Intertrigo, eine durch Reibung verursachte Entzündung. Besorgt meldet er sich bei den Pflegern/-innen auf Station.
Ethischer Konflikt – Lösungsansatz
Fälle wie der oben genannte kommen im Klinikalltag häufig vor. Im speziellen Fall hier stehen sich die Prinzipien der Ethik in der Pflege gegenüber. Einerseits will die Pflegefachkraft gutes tun, indem sie Frau Mayer bei der Körperpflege unterstützt. Die Patientin könnte damit ihre Zeit im Krankenhaus würdevoll verbringen. Dem entgegen steht die Patientenautonomie von Frau Mayer, die die Pflege klar verweigert, obwohl sie zurechnungsfähig scheint. Die Intertrigo entsteht aus einer Kombination aus mangelnder Hygiene und fehlender Bewegung. Ein Schaden, der durch die Grundpflege verhindert oder eingeschränkt werden könnte. Wie kann man den gemeinsamen Nenner dieser Faktoren finden?
Ein Ansatz zur Lösung des Konflikts wäre es, das Gespräch mit Frau Mayer zu suchen. Gibt es einen Grund für die Hygieneverweigerung? Fühlt sie sich mit einer bestimmten Situation unwohl? Kann ihr Sohn vielleicht zwischen den Fronten vermitteln? Auch Konfliktbereitschaft kann bei der Mitarbeit der Patientin helfen: Vielleicht wäscht man zunächst lediglich die Arme oder das Gesicht. Auch wenn die Umsetzung im Pflegealltag nicht gerade leicht ist, sollte das Mittel zur Wahl generell Kommunikation sein.
Ethik in der Pflege – Fazit
Ethik in der Pflege ist ein sehr präsentes und zeitloses Thema. Auch wenn es diverse Leitfäden und Orientierungshilfen gibt, sind ethische Entscheidungen doch grundsätzlich individuell zu treffen. Pflegefachkräfte haben dafür einen professionellen Hintergrund und können ihren Umgang mit Patienten/-innen auch durch Erfahrungen und Berichte stützen. Fällt die Entscheidungsfindung schwer, ist es ratsam, das Gespräch mit Kollegen/-innen oder Angehörigen zu suchen. Es ist außerdem immer hilfreich, wenn Pflegekräfte untereinander ihrer Erfahrungen und damit Informationen teilen, sodass alle davon profitieren können.
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Häufige Fragen
- Was sind ethische Prinzipien in der Pflege?
- Was ist Ethik einfach erklärt?
- Was bedeutet Verantwortung in der Pflege?
- Was sind Normen in der Pflege?
Die Ethik in der Pflege basiert auf vier Prinzipien, die eng miteinander verknüpft sind, sich aber auch widersprechen können: “Autonomie-Prinzip”, “Fürsorge-Prinzip”, “Nicht-Schaden-Prinzip” und “Fairness-Prinzip”. Entscheidungen sollten immer auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners dieser vier Entscheidungspunkte getroffen werden.
Bei der Ethik handelt es sich um eine Form der Wissenschaft, die sich mit dem menschlichen Handeln befasst. Konkret befasst sie sich mit den Fragen „Wie soll der Mensch handeln?“, „Wie handelt der Mensch moralisch?“ und „Wieso handelt der Mensch wie er handelt?“. Die Beantwortung dieser Fragen stützt sich auf streng rationale Beobachtungen und Studien. Lösungsansätze zu Fragen der Ethik sind hingegen häufig nicht rein objektiv zu betrachten.
Da sich Pflegebedürftige häufig nicht mehr selbst um ethische Entscheidungsfindungen und das Handeln nach ethischen Prinzipien kümmern können, handeln Pflegekräfte ethisch im Namen der von ihnen Gepflegten. Im Allgemeinen haben die Fachkräfte die Verantwortung, ein Umfeld aus Würde unter Wahrung der Menschenrechte zu ermöglichen.
Die Ethik in der Pflege stützt sich auf Normen, die die Entscheidungen stützen. Zu ihnen können beispielsweise Gesundheit, Nächstenliebe, Harmonie oder auch Effektivität gehören, wobei besonders Gesundheit und Nächstenliebe eine große Rolle spielen.
- Riedel, Ethische Reflexion in der Pflege, Springer (Verlag), 2017
- Graeb, Ethische Konflikte und Moral Distress auf Intensivstation, Springer (Verlag), 1. Auflage, 2019
- Lehmeyer, Ethik im Gesundheitswesen, Springer (Verlag), 2022
- Ethik [Pflege], https://www.pschyrembel.de/... (Abrufdatum 05.11.2022)