Inhaltsverzeichnis
Der neue Expertenstandard Mundgesundheit wurde 2021 nach über zweijähriger Entwicklungszeit vom deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) herausgebracht. Die offizielle Bezeichnung lautet: “Expertenstandard Förderung der Mundgesundheit in der Pflege”. Der Expertenstandard Mundgesundheit ist damit einer von rund zehn Standards, die die Qualität der Pflege verbessern sollen. Was genau die Ziele sind, was er beinhaltet und wie man ihn anwendet, wird in diesem Artikel beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Expertenstandard Mundgesundheit – Definition
Expertenstandards in der Pflege sind Mittel, um die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen zu standardisieren und zu verbessern. Der Expertenstandard Mundgesundheit behandelt unter anderem die Themen der Reinigung des Mundraums inklusive Zähnen, Zunge und Schleimhäute aber auch eines eventuellen Zahnersatzes, um so die Mundgesundheit aufzubauen und zu verbessern. Mundgesundheit ist definiert als „Fähigkeit zu kauen und ohne Einschränkungen zu essen, deutlich sprechen und unbeschwert lächeln zu können“.
Der Standard zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege adressiert dabei ein über längere Zeit beobachtetes Problem, bei dem die Mundhygiene in der Pflege eine nachrangige Rolle spielte. Fehlendes Wissen und ein unsystematisches Herangehen an die Thematik sollen so ergänzt werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass Mundgesundheit nicht nur direkte Folgen auf den Mundraum hat, sondern auch psychische und physische Probleme hervorrufen kann.
Betroffene Berufsgruppen
Der Expertenstandard Mundgesundheit richtet sich hauptsächlich an examinierte Pflegefachkräfte und Pflegehelfer/innen. Vor allem in Kliniken und Pflegeeinrichtungen soll der Expertenstandard eine Leitlinie zur Erhaltung der Mundgesundheit liefern. Nichtsdestotrotz sollten sich auch andere Berufsgruppen mit dem Expertenstandard vertraut machen. Zahnärzte/-innen können sich so einen guten Überblick verschaffen, welche Bereiche vom Pflegepersonal erfasst und behandelt werden und so bei Patientenkontakt noch spezieller auf andere Problembereiche eingehen.
Aber auch andere Berufsgruppen wie die Ergo- und Physiotherapie können sich am neuen Leitfaden orientieren und so helfen, die Selbstständigkeit der Patienten/-innen effizienter wieder aufzubauen. Diätassistenten/-innen können ebenfalls wertvolle Informationen aus dem Expertenstandard ziehen. Auch wer Angehörige zu Hause pflegt, sollte einen Blick in diesen, aber auch in weitere Expertenstandards werfen. Vielleicht können einige Teile davon selbst zu Hause angewendet und auch bei Beratungsterminen gezieltere Fragen gestellt werden.
Besonderheiten
Zum ersten Mal bei einem vom DNQP herausgebrachten Expertenstandard war bei der Erarbeitung des Expertenstandard Mundgesundheit nicht nur eine Berufsgruppe involviert. Außer den Experten/-innen aus der Pflege waren ebenfalls ein Patientenvertreter sowie ein wissenschaftliches Team zur Literaturrecherche und mehrere Zahnärzte/-innen im Gremium vertreten. Diese repräsentierten der DNQP, die Bundesärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin und die Arbeitsgemeinschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung und besonderem Unterstützungsbedarf.
Auf diese Weise sollte die interprofessionelle Zusammenarbeit erleichtert werden und so ein Leitfaden für verschiedenste Berufsgruppen geschaffen werden. Die Realisierbarkeit im Alltag wurde in etwa 30 Pflegeeinrichtungen über ein halbes Jahr lang getestet und die Anmerkungen in die finale Form eingebracht.
Expertenstandard Mundgesundheit – Ziele
Das hauptsächliche Ziel des Expertenstandards Förderung der Mundgesundheit in der Pflege ist die Schaffung klarer Handlungsempfehlungen, an denen sich Pflegefachkräfte und Pflegehilfskräfte orientieren können. Dabei soll die Selbstständigkeit der Patienten/-innen gefördert und die vollständige Übernahme der jeweiligen Maßnahmen durch das Pflegepersonal möglichst vermieden werden. Hierdurch möchte man außerdem nachhaltig eine Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Hygienesituation gewährleisten.
Weitere Ziele des Expertenstandards sind die Optimierung der Mundhygiene-Protokolle in verschiedenen Betrieben sowie die Weitergabe von Informationen an Pflegende sowie Betreute.
Prophylaxen in der Pflege
In der Pflege gibt es vielfältige Prophylaxen, die alle bestimmten gesundheitlichen Problemen und Erkrankungen vorbeugen sollen. Auch für den Mund sind sie ein Thema. Dazu gehören beispielsweise die Aspirations- sowie die Soor- und Parotitisprophylaxe. Der Expertendstandard Mundgesundheit ist dafür also eine sinnvolle Ergänzung.
Expertenstandard Mundgesundheit – Gründe für die Entwicklung von Leitlinien
Dass Mundgesundheit essenziell für viele Bereiche der Gesundheit ist, ist weitreichend bekannt. Nichtsdestotrotz wurde die Mundhygiene in der Vergangenheit häufig bei der Pflege vernachlässigt. Mögliche Gründe können Zeitmangel, unzureichende Information oder auch Scham bei der zu pflegenden Person gewesen sein. Der Expertenstandard Mundgesundheit greift damit ein wichtiges Thema auf und liefert konzentriert Informationen und Handlungsleitlinien für die richtige Herangehensweise an die Problematik. Durch die interprofessionelle Erarbeitung wird das Problem so aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und erzielt hoffentlich ein Umdenken und neue Priorisierung der Thematik.
Risiken und Probleme beim Thema Mundgesundheit
Mundhygiene und -gesundheit sind nicht nur ästhetische Probleme. Gerade bei älteren oder schwer kranken Personen kann eine reduzierte Mundgesundheit weitreichende Folgen haben. Entzündetes Zahnfleisch, beispielsweise durch eine nicht ausreichende Pflege bei Zahnersatz, erschwert die Nahrungsaufnahme, was Mangelernährung zur Folge haben kann. Studien haben einen Zusammenhang zwischen unzureichender Zahnhygiene und vermehrt auftretenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen hergestellt und die bei bettlägerigen Patienten/-innen gefürchtete Aspirationspneumonie wird bei vermehrter Bakterienbesiedlung des Mundraums häufiger.
Außer den physischen Folgen kann eine reduzierte Mundgesundheit jedoch auch Probleme bei der sozialen Teilhabe aufkommen lassen. Wer unter Mundgeruch leidet oder fehlende bzw. stark angegriffene Zähne hat, traut sich oft nicht, an sozialen Situationen mit engem Kontakt teilzunehmen. Isolation und Probleme bei der Krankheitsbewältigung können die Folge sein.
Dies sind nur einige Aspekte, die die Wichtigkeit des Themas Mundgesundheit aufzeigen.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Expertenstandard Mundgesundheit – Inhalte
Der Expertenstandard Mundgesundheit orientiert sich in seiner Herangehensweise an Modellen wie dem Pflegeprozess. Dabei wird zuallererst im Assessment die Ausgangssituation erfasst. In den darauffolgenden Phasen wird auf die gefundenen Probleme eingegangen und der Prozess fortlaufend angepasst.
Assessment
Im ersten Schritt des Prozesses erfolgt das Assessment. Dabei führt die zuständige Pflegekraft ein Screening durch. Dieses beinhaltet die Aufnahme des Ausgangszustandes der Mundgesundheit unter Einbeziehung der individuellen Gesundheitssituation als auch eine Analyse der Schritte, die eine pflegebedürftige Person noch selbstständig ausführen kann. Das Assessment bietet dabei den Ausgangspunkt für den nächsten Schritt, in dem die Pflegemaßnahmen geplant werden und sollte daher möglichst sorgfältig durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei auch die Erfassung von Risikofaktoren wie Rauchen, Einnahme von Medikamenten, Chemotherapeutika oder Strahlentherapie, geringe oder fehlende Nahrungsaufnahme und Beatmung.
Planung
Die Planung der weiteren Behandlung erfolgt unbedingt unter Einbeziehung der zu pflegenden Person und bestenfalls Angehörigen. Diese machen oft Beobachtungen im häuslichen Umfeld und können so für die bei der Planung wertvolle Hinweise geben. In diesem Schritt sollten sowohl aktuelle Probleme als auch bleibende Schwierigkeiten bei der Mundhygiene mit einbezogen werden. Auch Krankheiten wie Diabetes, Mobilitätsprobleme und Demenz sind wichtige Kriterien, die zu beachten sind.
Information, Beratung, Schulung
In diesem Schritt erfolgt die Vorbereitung für die späteren Schritte. Die zu pflegende Person und die Angehörigen erhalten alle für die Behandlung notwendigen Informationen. Darunter fallen die richtigen Techniken der Mundhygiene, Informationen zu bestehenden Krankheiten, die Auswirkungen auf die Mundgesundheit haben und die Beantwortung eventueller Fragen. Wichtig ist hier, dass die Pflegeperson selbst über genügend Hintergrundwissen verfügt. Schulungen von Seiten des Arbeitgebers sowie Infomaterial in Form von Broschüren können dabei helfen.
Umsetzung
An die Informationsphase schließt sich die Phase der Umsetzung an. Hier werden die vorher besprochenen Maßnahmen angewendet. Dabei sollte man darauf achten, dass möglichst viele Schritte selbstständig von der zu pflegenden Person durchgeführt werden. Beispielsweise ist die Mundhygiene aufrecht sitzend am Waschbecken am leichtesten durchzuführen.
Eine weitere Aufgabe der Pflegeperson ist die Koordination der verschiedenen Berufsgruppen. Rücksprachen mit Physio- und Ergotherapeuten/-innen optimieren die Behandlung und helfen, die Therapie in die richtige Richtung zu lenken.
Evaluation
Im letzten Schritt des Expertenstandards Mundgesundheit erfolgt die regelmäßige Evaluation. Hierfür sollte Rücksprache mit allen beteiligten Personen gehalten werden, um so eventuelle Probleme aufzudecken. Auch kann sich der Gesundheitszustand der zu pflegenden Person im Laufe der Zeit ändern, sodass neue Schwierigkeiten angegangen werden müssen. Es empfiehlt sich, die Evaluation in festgelegten Zeitabständen zu wiederholen und sich dabei auf die im Assessment beobachteten Probleme zu konzentrieren.
Expertenstandard Mundgesundheit – Aufgaben für Pflegekräfte
Wie aus den Bestandteilen des Konzeptes für die Mundgesundheit zu erkennen ist, liegt diese im Aufgabenbereich der Pflege und bildet einen Teil der Grundpflege. Die Pflegekraft ist für die Organisation der Behandlung zuständig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aufgaben folgende Bereiche umfassen:
• Schulung zu den theoretischen Inhalten des Expertenstandards Mundgesundheit. Hierbei soll auch die Kompetenz erlangt werden, zu entscheiden, in welchen Situationen pflegerische Maßnahmen nicht mehr ausreichen und andere Berufsgruppen involviert werden müssen.
• Analyse der Ausgangssituation, um so Unterstützungsbedarf bei der Mundpflege zu erkennen.
• Planung der notwendigen Maßnahmen unter Rücksprache mit der pflegebedürftigen Person und/oder ihrer Angehörigen.
• Unterstützung oder eventuell die Übernahme der für die Mundpflege notwendigen Maßnahmen.
Fazit
Der zehnte veröffentlichte Expertenstandard in der Pflege ist ein wichtiger Schritt, um die Qualität der Pflege weiter zu steigern. Leitlinien sind im ärztlichen Arbeiten schon lange Standard. In der modernen Medizin stehen immer mehr Informationen zur Verfügung, die unmöglich alle von jeder Einzelperson erfasst werden können. Standards wie der Expertenstandard Mundgesundheit helfen dabei, wiederkehrende Probleme in der Pflege gezielt zu adressieren. Vor allem die neue interprofessionelle Erarbeitung der Empfehlungen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Passende Stellenangebote für Pflegekräfte
Wer aktuell noch auf der Suche nach einer passenden Stelle im Bereich Pflege ist, findet bei Medi-Karriere zahlreiche Angebote. Hier gibt es beispielsweise Stellen für Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, Altenpfleger/innen-Stellenangebote oder Jobs in der Altenpflege allgemein.
- Neuer Expertenstandard zur Mundgesundheit, https://www.forum-verlag.com/... (Abrufdatum: 04.11.2022)
- Förderung der Mundgesundheit in der Pflege, https://link.springer.com/... (Abrufdatum: 04.11.2022)
- Expertenstandard Mundgesungheit, https://dgaz.org/... (Abrufdatum: 04.11.2022)