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Der demografische Wandel und schwierige Arbeitsbedingungen in wichtigen Berufsfeldern wie der Pflege führen zu personellen Engpässen, denen der Bundestag mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz begegnen möchte. So will man die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland vereinfachen.
Was es besagt und welche Änderungen sich in den kommenden Monaten ergeben, erläutert dieser Artikel.
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Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Definition
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein vom Bundestag im Juni 2023 beschlossenes Gesetz mit dem Ziel, ausländischen Fachkräften das Arbeiten in Deutschland zu ermöglichen, um hierzulande in kritischen Bereichen wie der Pflege, der Kinderbetreuung und einigen Handwerkssparten die Versorgung zu sichern.
Die im Gesetzentwurf aufgeführten Regelungen sollen teils ab November 2023, teils in drei- und sechsmonatigem Abstand in Kraft treten.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz befasst sich vor allem mit der Qualifikation, der Erfahrung und dem Potential der Bewerber.
Dabei soll künftig mit einem vorhandenen Abschluss jede qualifizierte Beschäftigung ausgeübt werden können. Während früher zunächst ein in Deutschland anerkannter Berufsabschluss vorliegen musste, reichen nun für die Einwanderung als Arbeitskraft ein im Herkunftsland anerkannter Berufsabschluss und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung aus.
Zur Erleichterung der Arbeitssuche gibt es zudem eine Chancenkarte, die neben der beruflichen Qualifikation und Sprachkenntnissen auch soziale Aspekte berücksichtigt.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Die neue Blaue Karte
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sieht ab November 2023 den Einsatz der neuen Blauen Karte EU (EU Blue Card) vor. Hierbei handelt es sich um einen Aufenthaltstitel, mit dem Akademiker/innen, die ihren Hochschulabschluss außerhalb der EU erworben haben, in der EU arbeiten können.
Um die Blaue Karte EU zu erhalten, muss ein Arbeitsvertrag vorgelegt werden, der einen Mindestbruttolohn enthält. Dieser orientiert sich an der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, der Einstufung in einen Regel- oder Engpassberuf und der Berufserfahrung. Die Blaue Karte EU ist bei der Ausländerbehörde erhältlich.
Erweiterter Personenkreis
Der neue Gesetzentwurf ermöglicht es auch Berufsanfängern/-innen mit Hochschulabschluss, die Blaue Karte EU zu erhalten. Zudem wurde das Berufsbild IT-Spezialist/in den Engpassberufen zugeschrieben, sodass hier eine dreijährige Berufserfahrung alternativ zum Hochschulabschluss anerkannt werden kann.
Eine wichtige Berufsgruppe bilden die Pflegeberufe. Daher wurden akademische und vergleichbare Krankenpflegefachkräfte sowie Führungskräfte in der Erbringung von speziellen Dienstleistungen im Gesundheitswesen ebenfalls in die Liste der Engpassberufe aufgenommen. Diese umfasst nun außerdem Tierärzte/-innen, Zahnärzte/-innen, Apotheker/innen und Lehr- und Erziehungskräfte.
Ausbildungsplätze als Altenpfleger/in
Abgesenkte Gehaltsgrenzen
Die zum Erhalt der Blauen Karte EU vorgeschriebenen Mindestbruttobeträge werden ab November 2023 abgesenkt. So können Berufsanfänger/innen, die ihren Hochschulabschluss innerhalb der letzten drei Jahre erworben haben, ebenso wie Arbeitende in einem Engpassberuf bereits ab einem Bruttojahresgehalt von 45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (entsprechend 39.682,80 Euro) die Blue Card EU erhalten. Für die Regelberufe liegt der Satz künftig bei 50 Prozent, was etwa 43.800 Euro entspricht.
Erleichterter Familiennachzug
Haben Inhaber/innen der Blauen Karte EU bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat mit ihren Angehörigen gelebt, so entfallen die Visumpflicht sowie der Nachweis des ausreichenden Wohnraums und der Lebensunterhaltssicherung.
Kurzfristige und langfristige Mobilität
Nach neuem Gesetz können sich nun auch Inhaber/innen einer in einem anderen EU-Land ausgestellten Blauen Karte EU für bis zu 90 Tage in Deutschland aufhalten, sofern dieser Aufenthalt unmittelbar mit ihrer Beschäftigung zusammenhängt. Besteht die Blue Card EU bereits für mehr als ein Jahr in einem anderen EU-Staat, so ist auch ein langfristiger Umzug ohne Beantragung eines Visums oder einer Arbeitserlaubnis möglich. Nach der Einreise muss man jedoch eine deutsche Blaue Karte EU organisieren.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Änderungen ab November 2023
Zwei wesentliche Änderungen bringt das neue Gesetz für Fachkräfte mit Berufsausbildung bzw. akademischer Ausbildung ab November 2023 mit sich. Hiernach besteht nun bei Erfüllung aller Voraussetzungen der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch für eine andere als die gelernte Tätigkeit, sofern es sich nicht um reglementierte Berufe handelt. Diese sind beispielsweise die Berufe Arzt/Ärztin, Krankenpfleger/in, Lehrer/in oder Rechtsanwalt/-anwältin, für die ein anerkannter Berufsabschluss vorliegen muss.
Berufskraftfahrer/innen aus Drittstaaten können ebenfalls vereinfacht beschäftigt werden, nachdem die EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis und die Grundqualifikation nicht mehr abgefragt werden. Auch Sprachkenntnisse und die Vorrangprüfung gleichermaßen geeigneter Arbeitssuchender innerhalb Deutschlands entfallen künftig.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Beschäftigung und Anerkennung ab März 2024
Ab März 2024 treten weitere Änderungen bei der Fachkräfteeinwanderung in Kraft. Diese betreffen die Berufsqualifikation sowie die berufspraktische Erfahrung. Auch die Beschäftigung von Studierenden und Auszubildenden, die kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung, die Niederlassung und Gründung sowie der Familiennachzug sind davon abgedeckt. Sie enthalten zudem eine Sonderregelung für Pflegeberufe.
Berufsqualifikation
Die „Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von Anpassungsmaßnahmen“, mittels derer die Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation erreicht werden soll, wird künftig auf einen Zeitraum von zwei Jahren erweitert . Danach kann man sie nochmals um weitere zwölf Monate verlängern. Gleichzeitig ist eine Beschäftigung bei bis zu 20 Wochenstunden möglich.
Durch eine Anerkennungspartnerschaft können Arbeitnehmer/innen bereits ab der Einreise ihren erlernten Beruf ausüben. Sie und die Arbeitgeber/innen müssen sich allerdings verpflichten, das Anerkennungsverfahren unmittelbar nach der Einreise einzuleiten. Erforderlich sind eine im Ausbildungsstaat anerkannte Berufsqualifikation durch eine zweijährige Ausbildung oder einen Hochschulabschluss, der Arbeitsvertrag für Deutschland und deutsche Sprachkenntnisse ab Niveau A2.
Beide Verfahren sind künftig auch für bisher teilweise gleichwertige Berufsausbildungen mit fehlender Schwerpunktkompetenz gültig. Zwecks Qualifikationsanalyse zur Feststellung der Gleichwertigkeit kann eine Einreise für bis zu sechs Monate erfolgen.
Beratung zum Anerkennungsverfahren und zur Zuwanderung
Ungeachtet der Vereinfachungen sollte man stets im Einzelfall klären, ob man für eine Tätigkeit eine Anerkennung bereits vor der Einreise benötigt. Antworten auf viele Fragen zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz und individuelle Beratungsmöglichkeiten hierzu bietet die Hotline „Arbeiten und Leben in Deutschland“ (0049 30 1815 - 1111).
Berufspraktische Erfahrung
Für alle nicht-reglementierten (im dualen Ausbildungssystem erlernten) Berufe reichen nun der im Ausbildungsland anerkannte oder an einer deutschen Auslandshandelskammer absolvierte Berufsabschluss nach mindestens zweijähriger Berufsausbildung und eine zweijährige Berufserfahrung zur Beschäftigung in Deutschland aus. IT-Spezialisten/-innen müssen lediglich eine zweijährige Berufspraxis nachweisen, benötigen aber keine Ausbildung und auch keinen Sprachnachweis.
Beschäftigung von Studierenden und Auszubildenden
Studierende aus Drittstaaten können künftig bereits ab Studienbeginn bzw. den Vorbereitungskursen an bis zu 140 vollen bzw. 280 halben Arbeitstagen im Jahr beschäftigt werden oder Werkstudentenjobs in einem Umfang von bis zu 20 Wochenstunden ausüben, wobei Art und Lohn der Beschäftigung irrelevant sind. Die Stundenzahl von 20 Stunden pro Woche gilt bereits während der Studiensuche, sofern diese den Einreisegrund darstellt.
Ausbildungsplatzsuchende aus Drittstaaten können ab März 2024 bis zu einem Alter von 35 Jahren für bis zu neun Monate zum Zwecke der Berufsausbildung einreisen, wobei ein Sprachniveau von mindestens B1 vorliegen muss. In dieser Zeit sowie während der späteren Ausbildung ist eine Beschäftigung von bis zu 20 Wochenstunden bzw. eine Probebeschäftigung von bis zu zwei Wochen möglich.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung
Arbeitgeber/innen können in einem von der Bundesagentur für Arbeit festgesetzten bedarfsorientierten Kontingent eine Arbeitserlaubnis bzw. einen Aufenthaltstitel für Drittstaatenangehörige für maximal acht von zwölf Monaten beantragen. Hierzu erforderlich sind eine tarifgebundene Beschäftigungsform und Entlohnung, die vollständige Reisekostenübernahme durch die Arbeitgeberseite und ein Arbeitsumfang von mindestens 30 Wochenstunden.
Niederlassung und Gründung
Bei bestehender Aufenthaltserlaubnis nach § 18a, § 18b, § 18d oder §18g AufenthG kann ohne deutsche Berufsausbildung oder Studium künftig bereits nach drei statt vier Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Bei Vorliegen der Blauen Karte EU und Sprachniveau B1 für die deutsche Sprache ist dies ab 21 Monaten in Beschäftigung möglich, ohne Sprachzertifikat immerhin nach 27 statt 36 Monaten.
Mit einer deutschen Berufsqualifikation zur Fachkraft und der entsprechenden Aufenthaltserlaubnis ist die Niederlassung schon nach zwei Jahren möglich.
Besteht ein Gründerstipendium von einer deutschen Wissenschaftsorganisation oder öffentlichen Stelle, so kann Fachkräften mit einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 18 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu 18 Monaten zur Unternehmensgründung erteilt werden.
Familiennachzug
Ehepartner/in und minderjährige Kinder können künftig auch ohne den Nachweis eines ausreichenden Wohnraumes Fachkräften nach Deutschland folgen. Bei einer Aufenthaltserlaubnis ab dem 1. März 2024 erstreckt sich diese Erleichterung auch auf die Schwiegereltern, sofern der/die Ehepartner/in ebenfalls dauerhaft in Deutschland ansässig ist.
Pflege
Bei einer deutschen Berufsausbildung im Pflegebereich oder einer in Deutschland anerkannten ausländischen Pflegequalifikation können Pflegehilfskräfte aus Drittstaaten künftig auch mit einem geringeren Ausbildungsumfang als den vorgegebenen drei Jahren in Deutschland beschäftigt werden.
Nach entsprechender Ausbildung in Deutschland ist zudem die Beantragung eines Aufenthaltstitels zur Arbeitsplatzsuche für zwölf Monate, bei gesichertem Lebensunterhalt von bis zu 18 Monaten möglich.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Neuerungen ab Juni 2024
Im letzten Schritt kommt ab Juni 2024 die Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche für Drittstaatenangehörige. Damit ist eine Probearbeit oder Nebenbeschäftigung bis zu 20 Wochenstunden möglich. Fachkräfte mit voller Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation erhalten sie ohne weitere Voraussetzungen. Ist das nicht der Fall, braucht man wahlweise einen im Ausbildungsland anerkannten Studienabschluss oder eine zweijährige Ausbildung bzw. ein Berufsabschluss einer deutschen Auslandshandelskammer.
Zudem zählen Sprachkenntnisse ab Niveau A1 in Deutsch bzw. B2 in Englisch zu den Voraussetzungen.
Die Chancenkarte kann bei gesichertem Lebensunterhalt für ein Jahr ausgestellt und teils verlängert werden. Sie umfasst Punkte für die berufliche Qualifikation und Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, das Alter, den Bezug zu Deutschland sowie das Potential der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartner/innen.
Im Rahmen der Westbalkanregelung können ab Juni 2024 jährlich bis zu 50.000 Menschen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu einer Tätigkeit in einem nicht-reglementierten Beruf erhalten.
Fazit
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bringt einige Erleichterungen für die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte mit sich und kann helfen, die Arbeitsmarktsituation zu entlasten.
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- Fachkräfteeinwanderungsgesetz, https://www.bundesregierung.de/... (Abrufdatum: 19. Oktober 2023)