Eine korrekt durchgeführte Frühmobilisation kann für kürzere Krankenhausaufenthalte, weniger Tage auf der Intensivstation und ein besseres Behandlungsergebnis sorgen. Was der Begriff bedeutet, welche Arten der Frühmobilisierung es gibt und wie die Ausschlusskriterien definiert sind, zeigt der folgende Überblick.
Frühmobilisation – Definition
Unter Frühmobilisation wird der Beginn der Mobilisation (=Maßnahmen der aktiven oder passiven Bewegungsübung und zum Erhalt der Bewegungsfähigkeit) innerhalb von 72 Stunden nach Aufnahme auf einer Intensivstation verstanden.
Dabei soll die Frühmobilisation bei allen Intensivpatienten angewendet werden, für die keine Ausschlusskriterien vorliegen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine Frühmobilisierung beatmeter Intensivpatienten nicht nur möglich, sondern wirkt sich auch positiv auf Motivation, Wohlbefinden und Verweildauer der Patienten aus. Das konnten erste Studien beweisen.
Je nach Zustand des Patienten werden verschiedene Mobilisationsarten (siehe unten) unterschieden.
Frühmobilisation – Ziele
Das oberste Ziel der Frühmobilisierung ist der Erhalt bzw. die Förderung der Bewegungsfähigkeit des Patienten. Denn tiefe Sedierung und lange Immobilität sind in manchen Fällen nicht die beste Wahl für das langfristige Ziel einer Verbesserung der späteren, auf die Gesundheit bezogenen, Lebensqualität.
Es gilt also, die Folgen einer Immobilität (wie etwa Muskelabbau, Thrombose-Risiko, hormonelle Störungen) von vornherein zu vermeiden.
Frühmobilisation hat das Ziel
- die kognitive Leistung und das geistige Wohlbefinden zu steigern
- Durchblutung und Muskelstoffwechsel zu verbessern
- Atemparameter und Skelettfunktion zu optimieren und zu erhalten
- Hautschäden durch lange Lagerung zu vermeiden
- emotionale Veränderungen wie Depressionen zu verhindern
Vorteile und Nutzen
In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden: Patienten, die früh mobilisiert werden, verlassen das Krankenhaus früher, als solche, bei denen keine Frühmobilisation stattfindet. McWilliams und Pantelides (2008) verzeichnen etwa eine um neun Tage verlängerte Verweildauer bei denjenigen Intensivpatienten, die keine Frühmobilisierung erhielten.
Weitere Vorteile der Frühmobilisation:
- der kürzere Klinikaufenthalt senkt die Behandlungskosten
- verringerte Beatmungszeit während der Intensivtage (Weaning wird verkürzt)
- weniger Komplikationen wie Muskelabbau, Lungenentzündung, Thrombose, Ödeme, usw.
- funktionelle Unabhängigkeit nach dem Klinikaufenthalt wird gestärkt
- kognitive Kompetenzen und Koordination können verbessert werden
- lange Rehabilitation wird vermieden
Arten der Mobilisation
Je nach Zustand des Patienten können verschiedene Formen der Mobilisation in der Pflege zur Anwendung kommen. Wichtig ist vor allem, schnellstmöglich zu mobilisieren, um Körpergefühl und Gleichgewichtssinn zu erhalten, sowie Kreislauf und Körper anzuregen. Eine erste Frühmobilisation kann daher schon am Ereignistag bzw. innerhalb der darauffolgenden 24 Stunden stattfinden.
Passive Mobilisation
Mit der passiven Mobilisation werden alle Arten der Frühmobilisierung bezeichnet, bei denen der Patient nicht selbst aktiv wird. Darunter fällt beispielsweise die passive Bewegung der Körperextremitäten oder das passive Cycling mithilfe eines Bettfahrrads. Auch der passive Transfer in den Reha-Stuhl und die vertikale Mobilisation des Patienten mit Lagerungsmaterialien wie Kissen oder Decken fällt in diese Kategorie.
Diese Maßnahmen helfen, das Herz-Kreislauf-System anzuregen und die Atmung zu erleichtern.
Assistierte-aktive Mobilisation
Bei dieser Form der Mobilisation helfen Pflegefachkräfte und/oder Physiotherapeuten den Patienten bei der selbstständigen Ausführung bestimmter Bewegungsabläufe. Der Patient führt z. B. in Rückenlage aktiv Bewegungen aus und wird dabei manuell unterstützt. Auch aufrechtes Hinsetzen, Drehen und andere Formen der selbstständigen Mobilisation im Bett, sowie assistiertes Cycling und Balancetraining werden unter diesem Begriff zusammengefasst.
Aktive Mobilisation
Diese Art der Mobilisation findet dann statt, wenn der Patient es schafft, selbst aktiv zu werden. Das freie Sitzen an der Bettkante mit Rumpfkontrolle und das freie Stehen sind Mobilisationsschritte, auf die erste Geh-Übungen im Stehen (wie das “auf der Stelle treten”) folgen können. Weitere Mobilisationsstufen sind der aktive Transfer in den Stuhl, das aktive Cycling und schließlich das Gehen mit oder ohne Gehhilfe.
Ausschlusskriterien für Frühmobilisation
Bei bestimmten Patientengruppen ist eine Frühmobilisierung kontraindiziert. Im Einzelfall sollte deshalb eine Nutzen/Risiko-Abwägung im Hinblick auf die Durchführung eingeschränkter Formen der Mobilisation (wie der passiven Mobilisation) stattfinden.
Zu den klar definierten Ausschlusskriterien für die Frühmobilisierung gehören unter anderem:
- Herzinfarkt oder Schlaganfall
- akute Blutung
- erhöhter Hirndruck
- instabile Frakturen
Risiken durch Immobilisation
Wie bereits angedeutet, kann die durch die tiefe Sedierung beatmeter Intensivpatienten bedingte Immobilität Konsequenzen wie Thrombose, lagerungsbedingte Hautschäden, Lungenentzündung, Verlust an Muskelmasse, Harninkontinenz und Veränderungen in der Blutgerinnung nach sich ziehen.
Gerade bei älteren Menschen kommt allerdings noch ein weiterer Faktor ins Spiel: Wer nach einem Sturz das Laufen vermeidet, weil er Angst hat, erneut hinzufallen, gerät in einen Teufelskreis. Denn dadurch nimmt die Mobilität weiter ab — einem erneuten Stürzen wird Vorschub geleistet. Auch hier gilt also: Je schneller der Patient oder die Patientin sich wieder bewegt, desto besser die Langzeit-Erfolge in Richtung Selbstständigkeit und Vertrauen in den eigenen Körper.
Frühmobilisation – Räumliche Voraussetzungen und Hilfsmittel
Um eine Frühmobilisierung adäquat durchführen zu können, müssen neben den vom Patienten zu erfüllenden Einschlusskriterien bestimmte personale und räumliche Voraussetzungen bestehen. Passive Mobilisationsmaßnahmen können mithilfe von Sitzblöcken, Decken oder Kissen am Patienten durchgeführt werden. Die assistiert-aktive Mobilisation kann im Rahmen eines geräteunterstützten Trainings stattfinden ( z.B. Bettfahrrad). Das Gehen mit beatmeten Patienten erfordert neben tragbarem Monitor, Beatmung und Absaugung, sowie transportierbarem Equipment und sicherbaren Zu- /Ableitungen auch die Verfügbarkeit von geeignetem Personal und einen Weg, der frei von Hindernissen ist.
Im Idealfall sollten zwei bis drei Personen (z.B. Pflegepersonal, Physiotherapeuten) die Mobilisation begleiten. Eine Person ist dabei verantwortlich für Monitoring und Beatmung, eine weitere läuft mit einem Rollstuhl hinter dem Patienten, falls dieser sich schnell setzen muss. Eine dritte Person kann den Patienten beim Gehen unterstützen.
Frühmobilisation – Fazit
Die Frühmobilisation von beatmeten Intensivpatienten wirkt sich positiv auf die Genesung aus, verkürzt die Verweildauer und kann dadurch Kosten senken. In Form der passiven Mobilisation ist sie dabei auch bei bewusstlosen Patienten möglich und kann in einem Stufenplan bis zur eigenständigen, aktiven Frühmobilisierung führen.
Werden die Ausschlusskriterien beachtet und wird die Mobilisation in ein patientenorientiertes Gesamtkonzept eingebunden, kann das große Potenzial solcher Maßnahmen effektiv genutzt werden.
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