Gehörlose Senioren haben es in auf Hörende zugeschnittenen Pflegeheimen oftmals nicht leicht. Die Sprachbarriere erschwert es den gehörlosen Bewohnerinnen und Bewohnern häufig enorm Anschluss zu finden. Doch was kann man als Pflegekraft tun um die gehörlose Patienten zu integrieren und wie gestaltet man die Kommunikation mit hörbehinderten Menschen eigentlich am besten?
Begriffsdefinitionen
Circa 80.000 Menschen in Deutschland und somit rund 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung sind gehörlos. Den größten Teil der gehörlosen stellen Menschen über 70 Jahren dar. So leiden die Hälfte aller Deutschen über 75 Jahren an einer altersbedingten Hörschädigung. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass die natürliche Leistungsfähigkeit des Gehörs auf beiden Ohren etwa ab dem 50. Lebensjahr abnimmt.
Gehörlosigkeit kann jedoch viele Ursachen haben und ist nicht zwangsweise mit einem höheren Alter verbunden. Einige Hörschädigungen sind bereits angeboren, andere können im Laufe des Lebens durch verschiedene Ursachen auftreten. So gibt es unter anderem vererbte Hörschädigungen, Hörsturz, Meningitis, Hörschädigungen begingt durch Verletzungen oder Tumore des Ohres oder Gehirns sowie Lärmschwerhörigkeit beispielsweise nach Konzertbesuchen.
Die Gruppe von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen ist überaus vielfältig. Neben den verschiedenen Arten der Gehörlosigkeit unterscheidet man auch zwischen unterschiedlichen Schweregraden. So kann sich eine Hörbehinderung in einer Hörminderung oder Schwerhörigkeit bis hin zu bleibender Gehörlosigkeit und Ertaubung äußern.
Gehörlos
Von einer Gehörlosigkeit spricht man dann, wenn bereits von Geburt an kein Hörvermögen besteht, oder das Gehör vor dem fünften Lebensjahr verloren wurde. Gehörlose Menschen können Geräusche und Töne nicht mehr wahrnehmen und kommunizieren überwiegend in Gebärdensprache und erlernen in den meisten Fällen zusätzlich die deutsche Lautsprache.
Schwerhörig
Liegt eine Schwerhörigkeit vor, so unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer leichten, mittleren und hochgradigen Schwerhörigkeit. Eine leichte Schwerhörigkeit liegt dann vor, wenn die betroffene Person immer noch genug Hörvermögen hat, um die Sprache über das Ohr aufzunehmen und einer normalen Unterhaltung bezogen auf das Verständnis zu folgen.
Bei einer mittleren Schwerhörigkeit bewegt sich der Hörverlust zwischen 40 bis 70 Dezibel (dB). Hier ist die Möglichkeit zur Sprachaufnahme über das Ohr zwar noch vorhanden, die Gespräche sind jedoch teilweise mit Verständigungsproblemen verbunden. Eine hochgradige Schwerhörigkeit liegt dann vor, wenn der Hörverlust zwischen 70 und 100 dB beträgt. Man spricht dann auch von einer „Resthörigkeit“ oder einer „an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit“.
Ertaubt
Als Ertaubung bezeichnet man einen völligen Hörverlust, der erst nach Abschluss des Spracherwerbs eintritt. Der Hörverlust beträgt im Bereich zwischen 125 und 250 Herz mehr als 60 dB sowie mehr als 100 dB im übrigen Frequenzbereich. Schwerwiegend bei einer Ertaubung ist nicht nur der Hörverlust, sondern vor allem die Einschränkung in der Kommunikation und im psychosozialen Bereich, da Ertaubte aus der vorher selbstverständlichen lautsprachlichen Kommunikation nun weitestgehend ausgeschlossen sind.
Schlechte Erfahrungen berücksichtigen
Gehörlose Menschen gehören einer sprachlichen und kulturellen Minderheit an. Vor allem Senioren, die in Heimen unterkommen, welche auf hörende Bewohner ausgerichtet sind, haben es oftmals nicht leicht. Zwar ist die Kommunikation mittels Körpersprache, Gestik und Mimik in den meisten Fällen möglich, doch sind Ärzte und die dort arbeitenden Altenpflegerinnen und Altenpfleger oftmals unsicher im Umgang mit hörgeschädigten Menschen.
Durch das Kommunikationsproblem kommt es häufig zu Missverständnissen zwischen Pflegefachkräften und den Patienten, und die Betroffenen fühlen sich oft als Patienten zweiter Klasse. Dabei benötigen die oftmals seit der Kindheit geprägten Senioren besonderes Einfühlungsvermögen und Aufmerksamkeit. Denn viele der Bewohner blicken auf eine Historie von gescheiterten Kommunikationsversuchen mit der Welt der Hörenden. Einige ältere Senioren tragen unter Umständen besonders prägende Erinnerungen wie die an das dritte Reich mit sich. So wurden mindestens 15.000 Gehörlose nicht nur schwerstens diskriminiert, sondern auch als „erbkrank“ erklärt und mittels eines 1933 verabschiedeten Gesetzes zur Sterilisation gezwungen.
Wie Gehörlose kommunizieren
In den meisten Fällen erfolgt die Kommunikation von gehörlosen Menschen über die deutsche Gebärdensprache (DGS). Sie ermöglicht Gehörlosen im Gegensatz zur Lautsprache eine entspannte und verlässliche Kommunikation. Viele Gehörlose haben Schwierigkeiten sich schriftlich mitzuteilen und Texte inhaltlich zu verstehen. Denn einige können weder lesen noch schreiben, da sie die deutsche Sprache nie richtig gelernt haben.
Auch unterscheiden sich die Grammatik der Schrift- und der Gebärdensprache sehr voneinander und die Schriftsprache ist für Gehörlose mit einer Fremdsprache vergleichbar. So kommt es, dass der Schriftsprachenwortschatz bei Gehörlosen manchmal weniger umfangreich ist und der Satzbau nicht immer den grammatischen Regeln der deutschen Schriftsprache entspricht.
Deutsche Gebärdensprache (DGS)
Gehörlose kommunizieren größtenteils mittels Gebärdensprache. Diese ist die Basissprache der Gehörlosen und ist eine visuell-manuelle Sprache mit umfanfreichem Vokabular und eigener Grammatik. Neben Handzeichen besteht sie vor allem aus Mimik und Körperhaltung. Sie verfügt sogar über etliche Dialekte, vergleichbar mit der Deutschen Lautsprache.
Zusätzlich müssen Gehörlose meist von den Lippen ablesen, um mit Hörenden zu kommunizieren. Dies ist jedoch nur möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen wie langsames Sprechen oder eine deutliche Aussprache erfüllt sind. Außerdem ist zu beachten, dass nur ein Drittel aller Laute von den Lippen abzulesen sind.
Von den Lippen ablesen
Lippenlesen bezeichnet das Erfassen des Gesprochenen anhand der visuellen Wahrnehmung der Lippenbewegungen des Sprechers. Gehörlose oder hörbehinderte Menschen sind oftmals ihr Leben lang auf das Ablesen der Lippenbewegungen angewiesen um mit Hörenden zu kommunizieren. Das Lippenlesen stellt jedoch nicht nur extrem hohe Anforderungen an die Konzentration und Übertragungsleistung der Gehörlosen, es ist auch ziemlich ungenau. Die Trefferquote liegt nur bei knapp 30 Prozent.
Kommunikation mit gehörlosen oder schwerhörigen Patienten
Patienten mit Hörschädigungen stellen im medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Alltag eine besondere Herausforderung dar, denn die Beeinträchtigung des Hörens kann trotz technischer Hilfsmittel zu erheblicher Beeinträchtigung der notwendigen Kommunikation führen. Eine barrierefreie Kommunikation ist jedoch nicht nur von oberster Bedeutung, damit der Bewohner sich wohl und verstanden fühlt, sondern auch um die Qualität der medizinischen Betreuung stets zu gewährleisten.
Aufgrund dessen ist im Umgang mit hörgeschädigten oder gar gehörlosen Patienten eines von besonderer Bedeutung: Geduld. Das Pflegepersonal sollte besonderen Wert darauf legen, den gehörlosen Bewohnerinnen und Bewohnern zu vermitteln, dass es ihnen wichtig ist, verstanden zu werden.
Blickkontakt
In der Kommunikation mit gehörlosen oder schwerhörigen Patienten ist Blickkontakt besonders wichtig. So sollte sich die Pflegerin oder der Pfleger stets der gehörlosen Person zuwenden und deren Blickkontakt suchen. Um den Patienten auf sich aufmerksam zu machen, genügt meist ein Handzeichen oder eine leichte Berührung an der Schulter.
Deutliche Lippenbewegungen
Hörgeschädigte oder gehörlose Menschen können rund 30 Prozent der Laute ihres Gesprächspartners anhand dessen Mundbild ablesen. So werden in der deutschen Gebärdensprache Mundbewegungen in Kombination mit Handzeichen eingesetzt. Aufgrund dessen sollte darauf geachtet werden, besonders langsam und deutlich zu sprechen. Worte sollten klar voneinander getrennt werden.
Emotionen im Gesicht zeigen
Neben einer deutlichen Lippenbewegung nehmen auch Gestik und Mimik einen besonderen Stellenwert ein. Eine ausdrucksstarke Gestik und Mimik während des Sprechens erleichtert es Hörgeschädigten zusätzlich, das Gegenüber zu verstehen.
Fingeralphabet lernen
Eine für beide Seiten mühsame aber dennoch hervorragende Möglichkeit, um die Kommunikation zu verbessern, ist das Fingeralphabet. Es ist für Hörende besonders leicht zu lernen, setzt allerdings voraus, dass jedes Wort einzeln buchstabiert werden muss. Dies kann unter Umständen vor allem für ältere Patienten besonders mühsam zu verfolgen sein.
DGS lernen
Die DGS (Deutsche Gebärensprache) ist eine visuelle Sprache, mit der sich Gehörlose verständigen können. Eine Fremdsprache zu erlernen ist für das Pflegpersonal zwar besonders zeitaufwendig, es genügt jedoch, zunächst einige einfache Sätze einzuüben, die im täglichen Umgang mit dem Patienten häufig zum Einsatz kommen. Dies erleichtert die Kommunikation nicht nur enorm, es stärkt auch die Bindung.
Einzug gehörloser Pflegeheimbewohner vorbereiten
Ziehen ein oder gar mehrere gehörlose Bewohner in ein Pflegeheim ein, so sollten Pfleger und Einrichtungsleitung den Neuankömmlingen einen schönen Start in den neuen Lebensabschnitt schaffen und bestmöglich auf die Bedürfnisse der Gehörlosen eingehen. Dazu gehört vor allem, dass bei der Schichteinteilung immer mindestens ein diensthabender Pfleger der Gebärdensprache mächtig ist. Der Kontakt zu ehrenamtlichen Kräften mit DGS-Kenntnissen oder Gebärdensprachedolmetschern, können unterstützend mitwirken.
Des Weiteren sollten die Mitarbeiter des Pflegeheims über die Kultur und Kommunikation gehörloser Menschen informiert sein. Die notwendige Ausstattung der Wohnumgebung für den Bewohner mittels Rauchmelder, Wecker und Lichtklingel kann beim Deutschen Gehörlosen-Bund e.V. angefordert werden und sollte wenn möglich zum Einzug vorliegen.
Gehörlose Pflegeheimbewohner integrieren
Gehörlosen Bewohnern sollte genau wie allen anderen Pflegeheimbewohnern eine liebevolle Atmosphäre für ihren letzten Lebensabschnitt geboten werden, in dem sie sich wohl und zuhause fühlen. Die mit Sicherheit größte Barriere der Integration gehörloser Bewohner stellt die nicht funktionierende Verständigung zwischen Hörenden und Gehörlosen dar.
Im schlimmsten Falle kommt es infolge der fehlenden Kommunikation innerhalb der Pflegeheime zur Isolation. Für gehörlose Senioren ist es unglaublich wichtig, dass gerade in der schwierigen letzten Phase des Lebens eine Bezugsperson präsent ist, die der Gebärdensprache mächtig ist und dem gehörlosen Bewohner durch Offenheit und die Bereitschaft, sich mit dessen Kultur, Geschichte, Sozialisation und Sprache zu beschäftigen, das Gefühl vermittelt, ein Teil der Gruppe zu sein.
Passende Stellenangebote für Pflegekräfte
Wer aktuell noch auf der Suche nach Stellenangeboten im Bereich Pflege ist, findet bei Medi-Karriere eine große Auswahl an Altenpfleger/innen-Stellenangeboten, Jobs für Gesundheits- und Krankenpfleger/innen oder Jobs für Kinderkrankenpfleger/innen.