
Beleidigungen, Beschimpfungen und körperliche Tätlichkeiten – Gewalt gegen Rettungskräfte gehört zum Arbeitsalltag von Sanitätern. Laut polizeilicher Kriminalstatistik sinken die Fälle, doch die Dunkelziffer ist hoch. Mitarbeiter müssen daher für solche Situationen geschult und Straftäter konsequent verfolgt werden.
Formen von Gewalt gegen Rettungskräfte
Das Spektrum der Gewalt gegen Rettungskräfte reicht von fehlendem Verständnis Schaulustiger für erforderliche Absperrungen an Unfallorten bis zu handgreiflichen und oft stark alkoholisierten Patienten, die eine Rettungsabsicht der Helfer nicht erkennen. Gewalt gegen Rettungssanitäter/innen und Notfallsanitäter/innen äußert sich in verbalen und körperlichen Angriffen.
Laut einer im Februar veröffentlichten Studie des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) überwiegen im Bereich verbaler Gewalt gegen Sanitäter Beschimpfungen und Beleidigungen (91,1 Prozent), Gewaltandrohungen (55,3 Prozent), verbale sexuelle Belästigungen (10,6 Prozent) und Androhungen von Waffengewalt (4,7 Prozent).
Der Anteil der körperlichen Gewalt gegen Rettungskräfte betrug 14,4 Prozent. Dazu zählen Schlagen und Treten (32,7 Prozent), Schubsen (31,5 Prozent), Anspucken (29 Prozent), Beißen oder Kratzen (12 Prozent) und sexuelle Belästigung (3,1 Prozent).
Die Fragebögen wurden zwischen August und November 2019 von 425 Mitarbeitern der DRK-Rettungsdienste eingesammelt und bezogen sich auf ein Jahr. Ziel der Untersuchung war es, einen Überblick über die Art der Angriffe zu erlangen. Mehrfachnennungen waren möglich. Viele der Rettungsdienstmitarbeiter seien ein- bis zweimal pro Monat von solchen Vorfällen betroffen. Gut 40 Prozent der Befragten sind ausschließlich von verbaler Gewalt betroffen, etwa ein Drittel berichtet von verbalen als auch körperlichen Übergriffen. Ausschließlich tätliche Übergriffe erlebten 14,1 Prozent.
Ursachen und Gründe
Gewalt gegen Sanitäter findet ihre Ursache oft in einer durch Alkohol und Drogen gesunkenen Hemmschwelle. Allgemein ist ein Werteverlust gegenüber Hilfskräften zu beobachten. Hinzu kommt die fehlende Akzeptanz dafür, dass Rettungskräfte „ungefragt“ von Dritten gerufen wurden. Ganz oft liegen die Gründe aber in den überzogenen Ansprüchen der Patienten gegenüber dem Rettungspersonal, die versucht werden, mit Gewalt durchzusetzen.
An welchen Einsatzorten Gewalt besonders stattfindet
Gewalt gegen Rettungskräfte passiert nicht nur in Großstädten oder in sozialen Brennpunkten. Ein Großteil ereignet sich in mittelgroßen Städten, gefolgt von Kleinstädten. Bezüglich der Häufigkeit bewegen sich Innenstädte und soziale Problemviertel annährend auf gleichem Niveau, dicht gefolgt von Großveranstaltungen und bürgerlichen Wohngegenden. In allen Fällen kommt es überwiegend während der Behandlung oder schon direkt nach Eintreffen des Rettungsdienstes zu Problemen.
Sind bestimmte Gruppen häufiger gewalttätig?
Die Täter sind zu rund 80 Prozent die Patienten selbst. In etwas mehr als 40 Prozent der Fälle waren (auch) Freunde und Angehörige der Patienten an der Gewalt gegen Rettungskräfte beteiligt. Daraus lässt sich für Sanitäter die Notwendigkeit erkennen, sich immer mental auf potenzielle Eskalationen vorbereiten zu müssen und angemessen aufmerksam am Einsatzort anzukommen.
Was Rettungskräfte tun können
Eine große Gefahr beim Handeln der Einsatzkräfte liegt in der Routine. Zur Vermeidung von Gewalt gegen Rettungskräfte ist es wichtig, jede Situation neu zu bewerten und die Herangehensweise anzupassen. Sanitäterinnen und Sanitäter sollten ihre Rechte kennen, um bei Bedarf Anzeige zu erstatten.
Gibt es für Täter keine rechtlichen Konsequenzen, kann nach einem Vorfall von Gewalt gegen Sanitäter ein Ohnmachtsgefühl bei den Betroffenen entstehen und psychische Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörungen begünstigen. Eventuell führt dies sogar zur Berufsunfähigkeit. Daher ist sowohl eine rechtliche als auch psychologische Betreuung der Rettungskräfte notwendig. Alle Fälle von Gewalt gegen Rettungskräfte sollten konsequent angezeigt werden.
Rechte kennen
Um in Fällen von Gewalt gegen Rettungskräfte angemessen zu handeln und zu reagieren, brauchen Sanitäter Sicherheit. Das Wissen um ihre rechtliche Basis schafft ein solides Fundament. Dazu dienen die hier wichtigsten Paragraphen des Strafgesetzbuchs (StGB): Wer in einer Notsituation nicht hilft oder Einsatzkräfte bei der Hilfeleistung behindert, wird bestraft. Dies betrifft auch das Gaffen und das Nichteinhalten einer Rettungsgasse. Mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe muss gerechnet werden (§ 323c). Auch wer Kräfte des Rettungsdienstes im Einsatz durch Gewaltandrohung oder gar einen Angriff behindert, hat mit hohen Strafen zu rechnen (StGB, § 115). Das Beschädigen und schon der Versuch der Beschädigung von Einsatzmitteln kann mit Geldstrafe und mit bis zu fünf Jahre Gefängnis bestraft werden (StGB, § 305a).
Was Arbeitgeber tun können
Durch deeskalierende Maßnahmen in der Einsatzsituation können mehr Übergriffe verhindert werden als durch Ausstattung des Rettungsdienstpersonals mit sogenannten „externen Mitteln der Selbstverteidigung“ wie z.B. Pfefferspray, da diese „Schutzwaffen“ provozierend wirken und damit das Gegenteil des gewünschten Effektes erreichen könnten. Stattdessen sollten die helfenden Absichten des Rettungsdienstes in jedem Einsatzfall im Vordergrund stehen, um gegebenenfalls auch in angespannten Situationen durch aktive Hilfeleistung und angemessenem Auftreten die Lage zu entschärfen und Gewalt gegen Rettungskräfte zu vermeiden. Dazu sollten auch Arbeitgeber ihren Beitrag leisten.
Prävention und Deeskalation schulen
Prävention und Deeskalation sollten klar im Vordergrund stehen. Hier stehen die Arbeitgeber ebenso in der Pflicht wie die Arbeitnehmer, um die notwendigen Grundlagen zu schaffen, adäquat Fällen von Gewalt gegen Sanitäter entgegenzutreten. An der Einsatzstelle angekommen, sollten die Sanitäter zur Eigensicherung von Anfang an auch die möglichen Gefahren durch anwesende Personen im nahen Umfeld im Blick haben. Grundlegend kann folgendes präventives Vorgehen Gewalt gegen Rettungskräfte vermeiden:
- Ruhig und gelassen bleiben
- Kompetenz ausstrahlen
- Lage und Stimmung vor Ort erfassen
- Redeweise dem Gegenüber anpassen
- Selbstbewusstes aber respektvolles Auftreten
- Freundlich aber bestimmt bleiben und Blickkontakt halten
- Sachliche Erklärung der Maßnahmen und ihrer Notwendigkeit
- Personen identifizieren und dokumentieren
- Offenes Ansprechen der Person und Herstellen von Öffentlichkeit
- Nach Möglichkeit bei auftretender Eskalation den Rückzug antreten
- Im Nachgang genaue Dokumentation für Einsatznachbesprechung und mögliche rechtliche Folgen, denn jede Einzelheit ist entscheidend für den Prozessausgang
Unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen sollte es allen Beteiligten möglich sein, ein angemessenes Handeln sicherzustellen und damit einen stressigen Einsatz so effektiv und effizient wie möglich zu gestalten: Erste Hilfe da leisten, wo sie benötigt wird und Gewalt gegen Rettungskräfte verhindern.
Passende Stellenangebote für Rettungskräfte
Wer derzeit noch auf der Suche nach einem passenden Stellenangebot für Rettungskräfte ist, findet bei Medi-Karriere eine große Auswahl, beispielsweise zahlreiche Rettungsdienst-Jobs oder Stellen für Rettungssanitäter/innen.
1. Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), www.bka.de (Abrufdatum: 28.07.2021)
2. Gewalt gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte, www.feuerwehrmagazin.de (Abrufdatum: 28.07.2021)
3. Unterwegs mit Sanitätern und Polizisten in Berlin, www.deutschlandfunk.de (Abrufdatum: 28.07.2021)
4. Wenn Patienten plötzlich zuschlagen, www.spiegel.de (Abrufdatum: 28.07.2021)
5. Bei Notruf Gewalt, www.domradio.de (Abrufdatum: 28.07.2021)