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Hermine Heusler-Edenhuizen ist ein Name, der heute nur noch wenigen Leuten etwas sagt. Außerhalb der gynäkologischen und pädiatrischen Fachkunde werden wohl die wenigstens Deutschen jemals von dieser beeindruckenden Frau gehört haben. Dabei ist die kaum bekannte Fachärztin eine wichtige Persönlichkeit der deutschen Geschichte, die die Frauenheilkunde maßgeblich vorangebracht hat: Sie war die erste offiziell anerkannte und niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde in Deutschland.
Grund genug, Hermine Heusler-Edenhuizen hier im Rahmen des diesjährigen Weltfrauentags in einem Portrait vorzustellen sowie ihre Errungenschaften und die Person an sich zu beleuchten.
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Hermine Heusler-Edenhuizen – Lebensdaten
Hermine Heusler-Edenhuizen (mit vollem Namen Harmina Egberta Heusler-Edenhuizen, geb. Edenhuizen) wurde am 16. März 1872 auf der Neuen Burg in Pewsum bei Emden geboren. Sie war das fünfte von insgesamt neun Kindern ihrer Eltern, nämlich des Landarztes Martinus Edenhuizen (gest. 1896) und seiner Frau Afka Dieken (gest. 1881). Ihre Mutter starb als Hermine neun Jahre alt war.
Hermine Heusler-Edenhuizen starb im Alter von 83 Jahren am 26. November 1955 in einem Krankenhaus in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls. Auf ihren Wunsch hin wurde sie neben ihrem 1943 verstorbenen Ehemann Otto Heusler beigesetzt. Das gemeinsame Grab des Ehepaars ist jedoch heute nicht mehr erhalten. Es befand sich auf dem Friedhof Heerstraße im Bezirk Charlottenburg, einem heutigen Ortsteil von Berlin-Westend.
Hermine Heusler-Edenhuizen – Bildung und Studium
Zunächst wollte Hermine Heusler-Edenhuizen nicht dem beruflichen Vorbild ihres Vaters – eines Landarztes – folgen und kein Abitur machen. Ihr Vater hatte ihr sogar vorgeschlagen, dies in der Schweiz zu tun, die Frauen mit Bildungs- und Karrierewunsch zu dieser Zeit deutlich liberaler gegenüber eingestellt war. Hermine brauchte aber einen besonderen Anstoß in die medizinische Richtung.
1890 erkrankte Hermine Heusler-Edenhuizen schwer und geriet daraufhin in eine Sinnkrise, durch die sie – auch in Ermangelung körperlicher Aktivitäten – viel zu lesen begann. Durch ihre Lesewut entdeckte sie 1893 die Zeitschrift „Die Frau“, in der von Helene Lange (eine deutsche Politikerin der DDP, Pädagogin und Frauenrechtlerin) spezielle Gymnasialkurse für Frauen angeboten wurden. Was ihr Vater nicht vermocht hatte, schaffte Helene Lange: Hermine Heusler-Edenhuizen holte ihr Abitur nach und zog mit Erlaubnis ihres Vaters 1894 nach Berlin, wo sie im März 1898 als eine der ersten deutschen Frauen ihr Abitur ablegte. Durch die Gymnasialkurse entwickelte sich zwischen den beiden Frauen eine lebenslange Freundschaft.
Im Anschluss an ihr Abitur wollte Hermine Heusler-Edenhuizen Medizin studieren, was zu dieser Zeit für Frauen in Deutschland allerdings noch fast unmöglich war. Viele Männer waren damals der Ansicht, dass Frauen weder körperlich noch geistig den Anforderungen des Medizinstudiums und des Arztberufs gewachsen seien. Außerdem waren Frauen an den Universitäten noch nicht zugelassen und mussten für jeden einzelnen Vorlesungsbesuch den zuständigen Professor um Erlaubnis bitten.
Davon ließ sie sich jedoch nicht entmutigen und legte 1903 an der Universität Bonn nicht nur ihr Staatsexamen ab, sondern promovierte auch noch im selben Jahr als erste Frau an der medizinischen Fakultät. Danach wurde die erste zur Frauenheilkunde ausgebildete Fachärztin im Kaiserreich 1906 an der Bonner Universitäts-Frauenklinik als erste bezahlte deutsche Assistenzärztin angestellt.
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Hermine Heusler-Edenhuizen – Medizinische Karriere
Ab 1909 war Hermine Heusler-Edenhuizen an der „Klinik weiblicher Ärzte“ in Berlin tätig. 1911 ließ sie sich nach ihrer Assistenzarztzeit als Frauenärztin in Berlin nieder und gründete mit Martha Wygodzinski eine Poliklinik für Frauen. Parallel praktizierte sie bis 1937 in ihrer eigenen Praxis für Privatpatientinnen.
Nachdem Hermine Heusler-Edenhuizen im Juli 1924 mit einer Delegation deutscher Ärztinnen am Kongress der Medical Women‘s International Association teilgenommen hatte, wurde sie am 25. Oktober 1924 in Berlin zur Gründungsvorsitzenden des Bundes Deutscher Ärztinnen gewählt. Bis 1928 blieb sie an der Spitze dieser Vorgängerorganisation des heutigen DÄB. Dort hielt sie zahlreiche Vorträge und veröffentlichte einige Aufsätze zur Aufklärung der Jugend sowie zur Erwerbstätigkeit und sportlichen Betätigung von Frauen (s.u.).
Die Aufgaben des Verbands waren: „Zusammenschluss der Ärztinnen Deutschlands; Bearbeitung sozialhygienischer Fragen vom Standpunkte der Ärztin; Ausarbeitung von Vorschlägen für die sozialhygienische Gesetzgebung des Reiches und der Länder vom selben Standpunkte aus und Sorge für die nicht mehr arbeitsfähigen älteren Kolleginnen, sowie Unterstützung der jungen Medizinerinnen in ihren Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten.“
In der Zeit des Nationalsozialismus zog sich Hermine Heusler-Edenhuizen aufgrund drohender Konsequenzen für ihr frauenrechtliches Engagement in die medizinische Arbeit in ihrer eigenen Praxis zurück. Nachdem ihr Mann 1943 verstorben war, begann sie parallel mit der Niederschrift ihrer Lebenserinnerungen. Nach dem Kriegsende 1945 zog sie in ihren Heimatort zurück und praktizierte dort in ihrer eigenen Praxis, bis sie sich 1952 zur Ruhe setzte.
Hermine Heusler-Edenhuizens Kampf für das Recht auf Abtreibung (§ 218)
1920 entbrannte aufgrund der dramatischen wirtschaftlichen Verhältnisse und Wohnungsnot eine breite gesellschaftspolitische Diskussion über das Abtreibungsverbot (§ 218 StGB). Hermine Heusler-Edenhuizen empfand das Abtreibungsverbot als Ungerechtigkeit und tätigte folgende Aussage über den (angeblichen) Schutz ungeborenen Lebens durch den Paragrafen: „Die Zahl der Frauen, die er ins Unglück stürzt, ist unbegrenzt, die Zahl der geretteten Keime (sic; gemeint sind Embryos) ist imaginär; und ebenso imaginär ist die erzieherische Wirkung, die der Paragraf ausüben soll. Ein Volk in Not lässt sich nicht durch einen Strafparagraphen dazu erziehen, die Not noch weiter zu steigern, sondern es hilft sich verzweifelt, so gut und schlecht es kann.“
Hermine Heuser-Edenhuizen wählte solche markanten Worte, da es ihr nicht um den primären Schutz ungeborenen Lebens, sondern um das Lebens- und Freiheitsrecht der schwangeren Frauen ging. Insbesondere verärgerte es sie, dass der § 218 nur die Mütter und deren Ärzte bestrafte, aber nicht die für die Schwangerschaft verantwortlichen Väter, die oftmals ihre Frauen aus wirtschaftlichen Gründen zum Abbruch zwangen. Daher brachte sie gemeinsam mit anderen Ärztinnen eine Petition im Deutschen Reichstag ein, die folgendes verlangte:
- Streichung des § 218 zugunsten eines Gesetzes, das unter der Mitarbeit von Frauen entwickelt werden sollte
- Aufklärung aller Deutschen bezüglich Fragen des Sexuallebens und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung
- Bekanntgabe und Verkauf staatlich geprüfter Verhütungsmittel im freien Handel und Abschaffung des damals geltenden Verkaufsverbots von Verhütungsmitteln
- Kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln durch Krankenkassen und Fürsorgeverbände an Versicherte und finanziell Schwachgestellte
- Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs mit Zustimmung der Schwangeren und durch einen approbierten Arzt zur Höchstgebühr, bzw. für Versicherte und finanziell Schwachgestellte auf Kosten der Versicherungsträger
- Umfassende medizinische Fürsorgemaßnahmen für Mutter und Kind
Die nationalsozialistische Machtergreifung Anfang der 1930er-Jahre machte diese gesellschaftspolitischen Fortschritte jedoch zunichte. Schlimmer noch für Hermine Heusler-Edenhuizen: Ihre Bemühungen wurden sogar ins Gegenteil verkehrt. Ab 1933 wurde Abtreibung als Instrument der nationalsozialistischen Rassen- und Bevölkerungspolitik missbraucht und unter härtere Strafe gestellt. Daher konnte die breite öffentliche Diskussion um den § 218 erst wieder in den 1960er- und 1970er-Jahren aufgenommen werden. Die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs konnte erst 1975 im Rahmen des freien Selbstbestimmungsrechts der Frauen über ihren eigenen Körper durchgesetzt werden.
Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch heute
In der heutigen Zeit ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nicht strafbar, wenn die Schwangere vorher an einer extra dafür vorgesehenen Beratung teilnimmt. Der Schwangerschaftsabbruch muss außerdem innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft erfolgen. Weiterhin ist eine Abtreibung in Deutschland nicht strafbar, wenn ein Risiko besteht, dass die Schwangere schwerwiegende Beeinträchtigungen davonträgt oder sogar in Lebensgefahr schwebt. Ebenfalls nicht strafbar machen sich Schwangere, wenn sie sich nach einer Vergewaltigung für eine Beendigung der Schwangerschaft entscheiden.
Hermine Heusler-Edenhuizens Veröffentlichungen und Ehrungen
Hermine Heusler-Edenhuizen hat im Laufe ihrer medizinischen Karriere zahlreiche schriftliche Beiträge zur medizinischen Forschung veröffentlicht. Hier eine kleine Auswahl:
- 1903: „Über Albuminurie bei Schwangeren und Gebärenden.“ Inauguraldissertation
- 1903: „Ein bemerkenswerter Fall von Magentetanie.“ In: Archiv für Verdauungskrankheiten
- 1906: „Über einen Fall von Polymyositis bei akuter Polyarthritis.“ In: Deutsches Archiv für Klinische Medizin
- 1924: „Zum §218 des StGB.“ In: Soziale Praxis 1923
- 1925: „Erfahrungen und Wünsche einer Frauenärztin.“ In: Die körperliche Ertüchtigung der Frau
- 1927: „Ehefragen. Zum Programm der Eheberatungsstellen.“ In: Vierteljahreszeitschrift des Bundes deutscher Ärztinnen
- 1932: „Gutachten über höhere Belastbarkeit und höheren Krankenstand von Lehrerinnen.“ In: Die Ärztin
- 1949: „Zur Frage der Verhütung von Schwangerschaftsstreifen.“ In: Deutsche Medizinische Wochenschrift
- 1953: „Das Kind war viel zu groß. Wie ich die erste Fachärztin Deutschlands wurde.“ In: Der deutsche Arzt
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in München verleiht zu Ehren von Hermine Heusler-Edenhuizen seit 2010 den „Hermine Heusler-Edenhuizen-Preis für herausragende journalistische Arbeiten“. Diesen erhalten laut deren Angabe Frauen, die durch ihre schriftlichen Arbeiten oder Beiträge in Funk und Fernsehen „maßgeblich dazu beigetragen haben, das Wissen der Öffentlichkeit über die Bedeutung der Gynäkologie und Geburtshilfe und die Vorbeugung und Behandlung gynäkologischer Erkrankungen zu verbessern.“
Nachklang bis in die heutige Zeit
Mit ihrer Arbeit hat Hermine Heusler-Edenhuizen die Gynäkologie in Deutschland nachhaltig beeinflusst. Die Spuren ihrer Arbeit reichen bis in die heutige Zeit und waren Wegbereiter für so manche Entwicklung in diesem medizinischen Fachgebiet.
Auch Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin Schöneberg sagt: “Ihre Errungenschaften können nicht hoch genug gewürdigt werden. Sie hat sich gegen ein gängiges Frauenbild ausgesprochen, Frauen mit Herz und Seele unterstützt und sie ist ihren Weg gegangen. Ihre Leistung und Bedeutung sind historisch sehr groß. Sie ist ein Vorbild und eine Orientierung für mich.”
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- 150. Geburtstag von Hermine Heusler-Edenhuizen, https://www.aerztinnenbund.de/... (Abrufdatum: 02.03.2023)
- Hermine Heusler-Edenhuizen, https://www.ndr.de/... (Abrufdatum: 02.03.2023)
- Hermine Heusler-Edenhuizen, https://geschichte.charite.de/... (Abrufdatum: 02.03.2023)