Gut mit Belastungen und Stresssituationen umgehen ist für Menschen in Pflegeberufen eine besondere Herausforderung. Denn anhaltende Einsparungen, Personalmangel und Zeitdruck führen zu einer enormen Anspannung und lassen Pflegepersonal an ihre Grenzen kommen. Seit Jahren steigt die Zahl psychischer Erkrankungen in diesen Berufen. Das dänische Wohlfühl-Prinzip mit dem Namen Hygge, das viele mit Entspannung im eigenen Zuhause verbinden, soll auch im Arbeitsalltag für mehr Zufriedenheit sorgen.
Was ist Hygge?
Hygge lässt sich nicht in einem Wort zusammenfassen, der dänische Begriff ist eher als ein Gefühl und eine Lebenseinstellung zu verstehen. Die Bedeutung von Hygge umfasst alles von Wohlbefinden, Herzlichkeit und Entspannung über Zugehörigkeit und Anerkennung bis hin zu Genuss, Präsenz und Komfort. Es geht darum, Glück in jedem Moment zu erleben.
Was sind Probleme im Pflegeberuf?
Die Pflege ist ein Job mit sehr viel Verantwortung, schließlich geht es um die Gesundheit der Menschen. Doch die Arbeitsbedingungen empfinden viele Pflegekräfte als immer schlechter. Oft bleiben nur wenige Minuten für Patienten, alles muss schnell erledigt werden, überall wird ausgeholfen und eingesprungen. Dieser enorme Druck und auch die körperliche Anstrengung machen den Pflegeberuf zu einer Herausforderung. Auch müssen Pflegekräfte stetig mehr leisten und sich mit dem medizinischen Fortschritt immer mehr Wissen aneignen.
Daneben herrscht häufig Personalmangel, der sich dauerhaft auf Psyche und Körper auswirkt – Überstunden, Schichten übernehmen und durcharbeiten gehören im Alltag dazu. Immer weniger junge Leute kommen dadurch nach, immer mehr Pfleger werden krank. Auch das Privatleben leidet durch Schicht-, Wochenend- und Feiertagsdienste oder Arbeitsblöcke von bis zu zwölf aufeinanderfolgenden Schichttagen. Das macht diese Branche für den Nachwuchs unattraktiv.
Wie hilft Hygge bei diesen Problemen?
Im Krankenhaus muss es dem Patienten gut gehen, aber auch die Pfleger müssen gesundheitlich fit sein, damit sie ihren Job gut ausführen können. Symptome, die auf Erschöpfung hindeuten, können leicht ignoriert oder übersehen werden, wenn man sich stets auf das Wohl anderer konzentriert. Das Prinzip Hygge kann dabei behilflich sein, mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und zu mehr Zufriedenheit zu finden.
Innere Denkstrukturen verändern
Wer schon frustriert in den Tag startet, weil die ersten Gedanken am Morgen alle möglichen negativen Szenarien umfassen, die einen erwarten könnten, der prägt damit den gesamten Tag. Sich seiner Gedanken bewusst zu sein, um sich nicht unkontrolliert in negativen Gedankengängen zu verlieren, ist daher eine Möglichkeit, sich in ein positives Mindset zu versetzen und einen Blick für positive Dinge zu entwickeln, um sich so den Tag leichter zu gestalten.
Die kleinen Dinge genießen
Bei dem Prinzip Hygge geht es darum, sich bewusst Zeit zu nehmen, dankbar zu sein für das, was ist, statt sich immer nur auf das zu konzentrieren, was vielleicht noch nicht erledigt, geschafft und erreicht worden ist. Jeder kann sein Leben aktiv gestalten und bewusste Entscheidungen zu treffen, um zu wählen, in welche Richtung es gehen soll. Ein Lächeln, ein gutes Essen, Zeit mit der Familie und Freunden genießen, ein herzliches Gespräch und eine Umarmung können Dinge sein, die Kraft und Zufriedenheit schenken.
Arbeitsplatzgestaltung
Wohlfühlen wird ja nicht unbedingt immer direkt mit dem Arbeitsplatz verbunden, dieser Aspekt fällt doch eher in das eigene Zuhause und den privaten Bereich. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, ihn sich so schön wie möglich zu gestalten. Es ist meist nur die Vorstellung von Arbeit und Arbeitsatmosphäre, die bei der Umsetzung hinderlich ist. Aber Glücklichsein, Genuss und Gemütlichkeit müssen keine Arbeitsanweisung sein, sondern können ganz bewusst und kreativ in den Alltag einfließen, zum Beispiel durch eine Umgestaltung des Pausenraums mit warmen Lampen, die eine entspanntere Stimmung schaffen. Auch Farbe und Gerüche haben Einfluss auf das Wohlbefinden. Frische Blumen und eine angenehme Wandfarbe sind nicht teuer, machen aber den Pausenraum und die Station deutlich gemütlicher, oder hyggeliger, wie die Dänen sagen würden.
Wertschätzender Umgang
Auch mit einem respektvollen Umgang unter Kolleginnen und Kollegen kann man eine bewusst freundlichere Atmosphäre schaffen, die den Arbeitsalltag leichter macht. Ein Danke, Bitte und Augenkontakt bei einem Gespräch sind nur einige Beispiele dafür. Wertschätzung und Respekt tragen zur Gesundheit bei und sind die Basis für zwischenmenschliche Beziehungen. Lobende Worte, ein ehrliches Interesse am Anderen, Zuhören und Mitgefühl stärken das Miteinander. Man zeigt damit auch seinen Kollegen, was einem selbst wichtig ist und wie man gerne behandelt werden möchte.
Was Führungskräfte tun können
Um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl zu geben, wahrgenommen zu werden, können sich Führungskräfte regelmäßig erkundigen, wie es ihnen geht und sich dafür auch bewusst Zeit nehmen. So vertieft man die persönliche und menschliche Ebene und schafft Vertrauen. Außerdem hilft es, regelmäßig die Stärken der Mitarbeiter hervorzuheben, ihnen für ihren Einsatz zu danken und lobende Worte auszusprechen. Führungskräfte können außerdem auch bei der Pausenraumgestaltung mithelfen und beispielsweise eine Pinwand besorgen, bei der sich alle kreativ mit aufmunternden Sprüchen oder schönen Bildern mit einbringen können.
Weitere Tipps für psychisches Wohlbefinden
Achtsame Kommunikation und ein ehrlicher Austausch können über das Prinzip Hygge hinaus ebenso hilfreich für das Erreichen eines freundlichen und entspannten Miteinanders im Pflegealltag sein.
Auf die eigenen Worte achten
Worüber redet man den ganzen Tag? Über negative Erlebnisse oder teilt man schöne Dinge mit seinen Kollegen? Regt man sich ständig auf oder bestärkt man sich und andere? In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, darauf zu achten, wie man mit anderen Menschen spricht – wählt man oft fordernde Worte, wie „Du musst“? All das wirkt sich auf die eigene Wahrnehmung und das Miteinander aus.
Konflikte und Missverständnisse direkt ansprechen
Statt seine Wut und seinen Ärger wochenlang mit sich herumzutragen und schlecht gelaunt zu sein, kann es Abhilfe schaffen, persönliche Konflikte und Missverständnisse immer direkt anzusprechen, bevor sie zu einem großen Problem werden, von dem dann das ganze Team und das Arbeitsklima betroffen sind. Ein ehrliches Gespräch, bei dem man auch dem anderen zuhört und verstehen will, kann genauso nützlich sein, wie die eigene Position zu erklären.
Sagen, wenn man sich überfordert fühlt
Es gibt Zeiten, da ist man weniger belastbar – vielleicht gibt es Schwierigkeiten innerhalb der Familie und die normalen Herausforderungen können nicht mehr so gut weggesteckt werden. In solchen Phasen kann es helfen, sich an seine Leitung zu wenden und zusammen zu besprechen, wie man auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen kann und eine Lösung dafür findet.