Wer pflegebedürftige Familienangehörige hat, steht vor der Wahl: Eine mittelmäßige Betreuung in einem teuren Pflegeheim riskieren oder häusliche Pflege rund um die Uhr organisieren. Viele Familien entscheiden sich für die zweite Variante und beschäftigen immer häufiger eine Pflegerin aus der Ukraine. Etliche der Frauen arbeiten jedoch illegal in Deutschland.
Häusliche Pflege als Ausweg aus schwerer Situation
Zum Ende des Jahres 2019 zählte das Statistische Bundesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Dem standen im gleichen Zeitraum 969.553 verfügbare Plätze in freigemeinnützigen, öffentlichen und privaten Pflegeeinrichtungen gegenüber. Um einen der wenigen Plätze zu erhalten, sind die Wartezeiten lang. Schneller gelingt es, eine Betreuerin aus Osteuropa zu finden. Häufig werben Arbeitsvermittler in Lokalzeitungen und den sozialen Medien für eine vermeintliche “24-Stunden-Pflege” zum günstigen Preis.
Viele Angehörige wählen diesen Weg, weil sie selbst mit der Pflege überfordert sind und kein Pflegeheimplatz frei ist. Auch finanziell ist die häusliche Pflege aus Osteuropa attraktiv, denn die Kosten betragen nur einen Bruchteil dessen, was eine deutsche Pflegekraft oder ein Pflegeheim monatlich kosten würde.
Ukrainerinnen rücken für Polinnen nach
Lange Zeit zogen Frauen aus Polen für die häusliche Pflege zu deutschen Familien und leisteten Pflege zu Dumpingpreisen. Doch inzwischen fordern Polinnen mehr Gehalt: 1.500 Euro monatlich. Die Margen für die Arbeitsvermittler sind größer, wenn sie stattdessen Frauen aus der Ukraine beschäftigen. Denn die pflegen auch für 800 Euro pro Monat. Allerdings meist illegal.
Eine legale Pflegekraft aus dem Ausland kostet mindestens 2.000 Euro im Monat, rechnet die Verbraucherzentrale vor. Darin inbegriffen sind neben dem Verdienst der Pflegekraft auch Abgaben zu den Sozialversicherungen und der Berufsgenossenschaft.
Ein Platz im Pflegeheim kostet im Durchschnitt in etwa genauso viel. Laut dem Verband der Ersatzkassen lag der Eigenanteil Mitte 2020 bei 2.015 Euro monatlich.
Die Kosten für ukrainische Betreuungskräfte sind deshalb niedriger, weil keinerlei Abgaben gezahlt werden. Die Frauen werden von polnischen Pflegefirmen angeworben, reisen nach Deutschland als Touristinnen ein und besitzen weder ein Vander-Elst-Visum noch eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung für Polen. Folglich arbeiten sie hierzulande schwarz. Polnische Pflegefirmen dürften die Ukrainerinnen auch legal nach Deutschland entsenden, wenn eben die rechtlichen Voraussetzungen gegeben wären. Weil dies meist nicht der Fall ist, schleusen sie die Frauen illegal ein.
Für die Ukrainerinnen ist der Pflege-Job in Deutschland lukrativ angesichts des niedrigen Lohnniveaus in der Heimat. Gleichzeitig begeben sie sich in eine Abhängigkeit und Hilflosigkeit hinein. Aufgrund der Illegalität sind sie sowohl ihren Arbeitgebern wie auch den Familien, in denen sie tätig sind, schutzlos ausgeliefert. Auf das eigentlich in Deutschland geltende Arbeitsrecht können sie nicht zählen. Demnach ist nämlich “24-Stunden-Pflege” verboten. Maximal darf acht Stunden täglich gearbeitet werden. Zudem gilt der Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro.
Grauer Pflegemarkt: häusliche Pflege kaum kontrollierbar
Wie lange das illegale Geschäft bereits läuft und wie viele Frauen aus der Ukraine in deutschen Familien pflegen, ist schwer abzuschätzen. Die häusliche Pflege lässt sich kaum kontrollieren. Eine deutschlandweite Razzia im Jahr 2020 in 13 Bundesländern umfasste 130 Geschäfts- und Wohnräume sowie 71 Arbeitsvermittler. Gleichzeitig lief eine Razzia durch die polnische Polizei beim polnischen Pflegevermittler Pronobel. Verdächtigt wird, dass 14 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen unterschlagen wurden. Außerdem fanden die Ermittler heraus, dass nicht alle der in der häuslichen Pflege beschäftigten Ukrainerinnen auch als Pflegekräfte ausgebildet waren.
Laut Recherchen des ARD-Magazins FAKT sind 300.000 bis 700.000 Frauen aus Osteuropa pro Jahr in der häuslichen Pflege hierzulande tätig. Mehrere teils ehemalige Ukrainerinnen, die durch die polnische Firma Senior VIP nach Deutschland geschleust wurden, bestätigten dem TV-Magazin, in den Jahren 2018 bis 2020 illegal in Deutschland gearbeitet zu haben. Der Bundesverband der Betreuungsdienste spricht von einem wachsenden Markt. Offizielle Zahlen haben Bundespolizei und Zoll allerdings nicht.
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