Ein münsterischer Pflegedienst befand sich im Prozess, da ihm Betrug vorgeworfen wurde. Das Urteil wurde am 15.06.2020 vor dem Landgericht Münster verkündet und fällt verhältnismäßig mild aus. Doch wie sah der Fall genau aus? Und gibt es neben dem aktuellen Pflegebetrugsfall noch weitere solcher Fälle?
Abrechnung nicht erbrachter Pflegeleistungen
Ein 70-Jähriger gründete den Pflegedienst im Jahr 2009 mit seinem 46-jährigen Sohn. Sie waren Hauptanteilseigner des Pflegedienstes und hatten diesen geleitet sowie den Betrug initiiert. Eine weitere 42-jährige Angeklagte war beteiligt, welche zur Zeit des Betrugs in den Jahren 2011 bis 2013 zehn Prozent des Pflegedienstes gehörten und in Teilzeit arbeitete.
Das Landgericht sah es als unumstritten an, dass die Angeklagten über mehrere Monate hinweg Leistungen bei Krankenkassen einreichten, die der Pflegedienst nicht erbrachte. Die Idee entwickelten die Angeklagten, da Klienten bestimmte Wünsche wie Friseurdienstleistungen hatten. Diese konnte man allerdings nicht erstatten. Um die Leistungen gegenzufinanzieren, erfolgte eine Angabe anderer Leistungen.
Banken entdeckten Geldeingänge
Die illegalen Aktivitäten konnten nachvollzogen werden, da zwei Banken auf hohe Geldeingänge auf den Konten der Angeklagten aufmerksam wurden. Die darauffolgenden polizeilichen Ermittlungen verstärkten den Verdacht, dass ein Betrugsfall vorlag. Im September 2013 durchsuchte die Polizei anschließend die Räumlichkeiten des Pflegedienstes.
Während der 70-Jährige zu einem Jahr, neun Monaten und zu 5000 Euro Strafzahlung an eine karitative Institution verurteilt wurde, muss der Sohn ein Jahr und sechs Monate ableisten sowie 5000 Euro Strafe zahlen.
Die 42 Jährige Angeklagte erhielt eine Haftstrafe von elf Monaten und eine Geldstrafe von 1500 Euro aufgrund Beihilfe zum Betrug. Die Richterin erklärte das aus Sicht der Kammer verhältnismäßig milde Urteil durch die Geständnisse der Angeklagten. Des Weiteren leistete der Pflegedienst eine Zahlung an die Krankenkassen als Wiedergutmachung, welche die Schadenssumme überschritt.
Pflegebetrugsfälle keine Seltenheit in Deutschland
Pflegebetrugsfälle kommen leider nicht selten vor. Mehr als eine Million Euro sollen ein ambulanter Pflegedienst sowohl im Münchner Westen als auch im Stadtzentrum nach Stand der Ermittlungen erbeutet haben. Dies konnten sie, wie bei dem kleineren aktuellen Pflegebetrugsfall, durch das systematische Abrechnen nicht erbrachter Leistungen tun.
Im Oktober letzten Jahres durchsuchte die Polizei die Geschäftsräume des “Pflegedienstes”. Der vorgetäuschte Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen führte zu chaotischer Geschäftigkeit, musste doch ein Rollator, Rollstuhl und eine Krücke besorgt werden. Schließlich sollte der Patient tatsächlich pflegebedürftig erscheinen. Zu dem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass sie im Visier der Staatsanwaltschaft sind und durch die Kriminalpolizei ausgehorcht werden: bis zu einhundert Anrufe am Tag. Im Herbst soll gegen die zwei ambulanten Pflegedienste Anklage erhoben werden.
In ähnlichen Fällen, welche in den letzten Jahren in Deutschland an die Öffentlichkeit gelangten, stammten die Mitarbeitenden, “Patienten” und Betreiber der Pflegedienste des Öfteren aus Osteuropa oder der Sowjetunion. Aussiedler, welche nach der Wende nach Deutschland emigrierten, erhalten häufig eine sehr kleine Rente. Diese muss die Sozialhilfe aufbessern. Einige von ihnen beherrschen kaum Deutsch und wissen nicht, wie viel ihnen tatsächlich vom Sozialstaat und Gesundheitssystem zusteht. Das resultiert letztlich darin, dass sie für ein wenig Geld extra oder eine Fahrt zum Einkaufen oder Arzt dann eben ein Formular unterschreiben – und plötzlich in einem Pflegebetrugsfall verwickelt sind.
Natürlich sind die Pflegefachkräfte aus Polen, Rumänien und Ungarn in Deutschland von hoher Bedeutung, da sie dem Personalmangel entgegenwirken. Relevant ist mitunter, Aufklärung über den Sozialstaat zu betreiben und auf Rechte und Rechtswidrigkeiten hinzuweisen.
Zudem existiert überall Fehlverhalten, und aufgrund der Strukturen des deutschen Gesundheitswesens ist Betrug im Zuge dessen einfacher. Da der Medizinische Dienst der Krankenkassen seinen Besuch mindestens einen Tag zuvor ankündigen muss, fällt es falschen Pflegediensten nicht schwer, alles herzurichten und die Pflegeakte zu frisieren.