Viele Menschen, die zum ersten Mal mit dem Thema Pflege konfrontiert werden, wissen oft gar nicht, was ihnen eigentlich zusteht. Wer aber seinen Alltag nicht mehr alleine meistern kann und auf Hilfe angewiesen ist, sollte möglichst zeitnah einen Pflegegrad beantragen. Wo wird der Antrag gestellt? Welche Pflegegrade und Einstufungen gibt es? Auf welche finanzielle Unterstützung hat man Anspruch? All das und weitere wertvolle Tipps, die behilflich sein können, um die optimale Pflege stellen zu können, werden im folgenden Überblick erklärt.
Was sind Pflegegrade?
Man unterscheidet insgesamt in fünf Pflegegrade, die alle tief mit der bestehenden fähigkeits- und tätigkeitsbezogenen Selbstständigkeit verwurzelt sind und die Schwere der Beeinträchtigungen aufzeigt. Um individueller auf die Bedürfnisse jedes Pflegebedürftigen eingehen zu können, werden sie wie folgt definiert:
- Pflegegrad 1: Personen mit einer geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 2: Personen mit erheblichen Beeinträchtigungen
- Pflegegrad 3: Personen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen
- Pflegegrad 4: Personen mit schwersten Beeinträchtigungen
- Pflegegrad 5: Personen mit schwersten Beeinträchtigungen, die besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung darstellen (Härtefall)
Der erste Schritt – Pflegegrad beantragen
Die wichtigste Voraussetzung, um finanzielle Unterstützung von der Pflegekasse zu erhalten, ist die Pflegegrad-Zuteilung. Dieser sollte daher zeitnah beantragt werden, da man rückwirkend keine Pflegeleistungen mehr bekommt. Erst ab dem Moment, ab dem der Pflegegrad bestellt worden ist, ist man auch berechtigt, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Dabei ist es egal, wie man den Pflegegrad beantragt – er kann formlos sein. Es müssen die Umstände erklärt und geschildert werden, warum einem der Pflegegrad zusteht. Außerdem sollte man unbedingt erwähnen, dass man eine Begutachtung des Pflegebedürftigen erbittet.
Es besteht eine gesetzlich vorgegebene Bearbeitungsfrist von 25 Arbeitstagen. Bei Krankenhaus- oder Rehabilitationsaufenthalten kann die Bearbeitung schneller gehen und die anschließende Begutachtung schon innerhalb einer Woche geschehen. Wird diese Bearbeitungszeit seitens der Pflegekassen nicht eingehalten und erfolgt kein schriftlicher Bescheid, müssen sie für jede angefangene Woche nach Fristende 70 Euro an die Antragssteller zahlen.
Außerdem ist entscheidend, dass die pflegebedürftige Person innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens zwei Jahre in die Pflegekasse eingezahlt hat, um den vollen Leistungsanspruch zu erhalten. Übrigens: Man kann auch ohne Pflegegrad eine kostenlose Beratung in Anspruch nehmen. Diese wird nicht nur von den Pflegekassen, sondern auch von vielen weiteren Beratungsstellen angeboten.
Begutachtung
Die Begutachtung erfolgt vom MDK, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Eine Pflegekraft oder Krankenschwester kommt zu einem vereinbarten Termin vorbei und begutachtet die zu pflegende Person. Bei dem Gespräch sind einige wichtige Details zu berücksichtigen – es muss schon in den letzten sechs Monaten bereits eine relevante Unterstützung des Pflegebedürftigen erforderlich gewesen sein. Das ist die Grundvoraussetzung für die Zuweisung eines Pflegegrades und sollte auch so kommuniziert werden.
Bei der Begutachtung wird mit Hilfe eines Begutachtungsassessments (NBA) gearbeitet, der insgesamt sechs Bereiche prüft:
- Mobilität: Kann der Patient aufstehen und ins Badezimmer gehen? Wie ist die körperliche Beweglichkeit innerhalb der Häuslichkeiten? Ist Treppensteigen möglich?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Patient ausdrücken und erklären? Versteht er Sachverhalte und kann sie wiedergeben? Wie funktioniert die Orientierung über Ort und Zeit?
- Psychische Probleme und Verhaltensweisen: emotionaler Zustand, Ängste, Abwehr pflegerischer Maßnahmen, nächtliche Unruhe etc.
- Selbstversorgung: selbstständiges Waschen, zur Toilette gehen, anziehen, essen und trinken
- Bewältigung krankheits- und therapiebedingter Anforderungen: Können die Medikamente selbst eingenommen werden? Kommt der Patient gut mit Gehhilfen oder einem Rollator zurecht? Können eigenständig Blutzuckermessungen durchgeführt und ausgewertet werden? Ist der Weg zum Arzt selbstständig möglich?
- Gestaltung des Alltagslebens: Kann der Alltag selbstständig organisiert werden? Können soziale Kontakte wahrgenommen werden?
Die Einstufung der Pflegegrade
Während der Begutachtung werden innerhalb dieses Assessments Punkte vergeben, gewichtet und zum Schluss addiert. Die Höhe der Punkte ist entscheidend für den Pflegegrad, den man zugesprochen bekommt. Ab einem Wert von 12,5 wird man als pflegebedürftig eingestuft und erhält Pflegegrad 1. Insgesamt können bis zu 100 Punkte vergeben werden. 100 Punkte bekommen Menschen, die sehr schwer an Demenz erkrankt sind oder jene, die im Wachkoma liegen. Dabei geht es aber nicht ausschließlich um ältere Menschen. Pflegegrade bekommt jeder, der grundsätzlich nicht mehr in der Lage ist, sich alleine zu versorgen.
Die folgende Tabelle zeigt die Punkteeinordnung und die damit verbundene Einstufung des Pflegegrades auf einen Blick.
Pflegegrad | Punkte |
1 | ab 12,5 bis unter 27 |
2 | ab 27 bis unter 47,5 |
3 | ab 47,5 bis unter 70 |
4 | ab 70 bis unter 90 |
5 | ab 90 bis 100 |
Anspruch auf Pflegegeld – je nach Pflegegrad unterschiedlich
Bei der finanziellen Unterstützung unterscheidet man grundsätzlich zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen. Der Begriff Pflegesachleistung ist oftmals irreführend, denn es geht nicht primär darum, dass man Sachen oder Dinge geleistet bekommt, sondern sie ist ebenfalls eine finanzielle Pauschale, die von Pflegediensten und vom Pflegeheim abgerufen werden dürfen. Diese werden dann direkt mit der Pflegekasse verrechnet. Beim Pflegegeld handelt es sich um eine Pauschale, die einem zusteht, wenn man sich selbst um die Pflege eines Angehörigen kümmert. Mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 ist es auch möglich, dass man eine prozentuale Gewichtung dieser beiden Sachen in Anspruch nehmen kann – das sind dann sogenannte Kombinationsleistungen. Ein Beispiel dafür wäre: Wenn jemand zu Hause versorgt wird, einen Pflegedienst mit einbindet und 70 Prozent der Sachleistungen benötigt, die einem zustehen, kann man darüber hinaus noch 30 Prozent vom Pflegegeld bekommen.
Beim Pflegegeld 1 bekommt man keine finanziellen Leistungen. Allerdings erhält man Zugang zu sogenannten Entlastungshöhen, eine Pauschale in Höhe von 125 Euro im Monat. Darüber hinaus kann man versuchen, Unterstützungsmaterial für den Alltag zu bekommen und hat außerdem Anspruch auf Pflegekurse. Ab Pflegegrad 2 kommen dann weitere Möglichkeiten der Entlastung hinzu, wie Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege und weitere Betreuungsmöglichkeiten. Kurzzeitpflege ist die Möglichkeit, jemanden kurzfristig in einem Pflegeheim unterzubringen und dafür Pauschalmittel abzurufen.
Die folgende Tabelle gibt einen guten Überblick über die monatlichen Gelder und Sachleistungen, die jedem Pflegegrad zustehen.
Pflegegrad | Pflegegeld | Pflegesachleistungen |
1 | 125 € Entlastungspauschale | |
2 | 316 € | 689 € |
3 | 545 € | 1.289 € |
4 | 728 € | 1.612 € |
5 | 901 € | 1.995 € |
Wichtig: Nicht genutzten Beiträge können bis zur Mitte des Folgejahres noch in Anspruch genommen werden. Es ist daher zu empfehlen, über alle erhaltenen Beiträge und Leistungen einen genauen Überblick zu haben, um mögliche Restbeiträge einzufordern. Außerdem besteht die Möglichkeit auf weitere finanzielle Hilfsmittel, die der Anschaffung von Windeln, Einweghandschuhen oder Rollatoren dienen sowie finanzielle Unterstützung wie Umbaumaßnahmen, die für die Barrierefreiheit genutzt werden.
Wie das pauschale Pflegegeld verwendet wird, liegt in der eigenen Verantwortung. Die Pflegesachleistungen sind die Maximalbeträge, zu denen Pflegedienste oder Pflegeheime finanzielle Unterstützung abrufen können. Die Herausforderung besteht allerdings darin, dass der Differenzbetrag für teurere Pflegedienste oder Pflegeheime, in dem der pflegebedürftige Angehörige untergebracht ist, aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen. Das ist als sogenannte Solidargemeinschaft so geregelt. Um eine vollständige Pflege anbieten und gewährleisten zu können, fallen daher in einigen Fällen erhebliche Kosten an. Darauf sollte man sich einstellen.
Wertvolle Tipps für pflegende Angehörige
Die Pflegekassen stehen in der Pflicht, Möglichkeiten für pflegende Angehörige anzubieten, wie Schulungen und Weiterbildungen. Dafür arbeiten sie oftmals mit Volkshochschulen oder anderen Pflegeeinrichtungen zusammen, um pflegende Angehörige optimal anzuleiten. Sie bekommen außerdem Beratung und Unterstützung zu den unterschiedlichsten Themen und können sich mit anderen pflegenden Angehörigen austauschen.
Um als pflegender Angehöriger entlastet zu werden, gibt es viele verschiedene Angebote, wie die Tagespflege oder ambulante Pflegedienste, die unterstützen und auch mal einspringen können, wenn Angehörige verhindert sind. Außerdem übernimmt die Pflegekasse eine Ersatzpflege für Pflegebedürftige, die mindestens Pflegegrad 2 haben. Sie zahlen, wenn beispielsweise pflegende Angehörige im Urlaub sind, krank werden oder mal eine Auszeit brauchen.
Darüber hinaus werden bei Pflegebedürftigen, die Pflegegeld beziehen, Beratungseinsätze durchgeführt. Wenn ein Patient nur von Angehörigen gepflegt wird, müssen diese Beratungseinsätze in regelmäßigen Abständen in Anspruch genommen werden. Dazu steht man in der Pflicht, denn die Krankenkasse muss sich davon überzeugen, dass die Pflege in einem anständigen Rahmen durchgeführt wird. Wenn man pflegebedürftig ist und nur Pflegesachleistungen bekommt, da man durch einen ambulanten Pflegedienst gepflegt wird, werden diese Beratungssätze automatisch ein Mal im Halbjahr durchgeführt. Man steht also dann nicht selbst in der Pflicht, sich um diese Termine zu kümmern.
Es gibt außerdem die Möglichkeit, sich Mahlzeiten aus Senioreneinrichtungen, privaten Trägern oder Wohlfahrtsverbänden liefern zu lassen, sodass alle Mahlzeiten für die pflegebedürftige Person abgedeckt werden können.
Was passiert eigentlich, wenn ein Angehöriger ganz plötzlich pflegebedürftig wird und man seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann? Das fragen sich wahrscheinlich viele Menschen, aber auch dafür gibt es Regelungen durch das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, mit dem die Möglichkeit besteht, für eine bestimmte Zeit der Arbeit fernzubleiben. So kann sich um den Angehörigen gekümmert oder die Pflege organisiert werden. Darüber sollte man mit dem Arbeitgeber sprechen und klären, welche Art der Freistellung für die jeweilige Situation in Frage kommt.
Bei all der Pflege sollten Angehörige, die sich liebevoll kümmern, aber auch an sich denken. Die Pflege eines geliebten Menschen ist emotional und auch körperlich sehr belastend. Nebenbei haben viele noch eine eigene Familie und einen Job, sodass kaum Zeit für sich bleibt. Es ist daher wichtig, sich nicht im Haus zu isolieren, sondern weiterhin soziale Kontakte zu pflegen, sich auch mal eine Auszeit zu gönnen und anderweitige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur so können sie selbst gesund bleiben und sich gut um die Person kümmern, die gepflegt werden muss.
1. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das Neue Begutachtungsassessment (NBA), www.bundesgesundheitsministerium.de (Abrufdatum: 18.08.2020)
2. Pflegegrade, www.bundesgesundheitsministerium.de (Abrufdatum: 18.08.2020)
3. Pflegegrade, www.pflege-grad.org (Abrufdatum: 18.08.2020)