Wer die 112 im Notfall wählt, rechnet fest damit, dass Rettungsdienste schnell eintreffen. Nun aber zeigen Investigativ-Recherchen von report München und BR Data, dass gesetzlich vorgegebene Zeiten immer öfter nicht eingehalten werden. Gerade im ländlichen Raum kann das im Ernstfall, wo jede Minute über Leben und Tod entscheidet, zu einem gravierenden Problem werden. Das System ist nicht nur durch Personalmangel strapaziert: In vielen Fällen wäre es gar nicht notwendig, die 112 zu wählen. Auch viele Notfallambulanzen sind chronisch überlastet.
Rettungsdiente – Was die Überlastung konkret bedeutet
Ein Beispiel für die Überlastung der Rettungsdienste stammt aus Bayern: Rund um die Gemeinde Schöfweg ist ein Rettungswagen für drei Landkreise mit insgesamt ca. 80.000 Menschen zuständig. Die gesetzliche Zwölf-Minuten-Frist kann kaum eingehalten werden, wenn zwei Notrufe fast zeitgleich hereinkommen. Dann nämlich muss Unterstützung aus dem Nachbarbezirk angefordert werden, was wertvolle Zeit kostet. 2012 konnten noch 92 Prozent aller Rettungswagen die Zeitfrist bis zum Erreichen des Notfallortes einhalten. 2021 waren es nur noch 87 Prozent, Tendenz bundesweit sinkend.
Rettungsdienste in der Stadt und auf dem Land
Vor allem im ländlichen Raum sind Rettungskräfte immer öfter alleine aufgrund der weiteren Wege am Limit. In Großstädten schaffen laut Recherchen noch gut 95 Prozent aller Rettungsteams die vorgegebene Frist. Auf dem Land bzw. in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern/-innen sind es nur noch 76 Prozent. In Bayern ist es jetzt schon so, dass im ländlichen Raum ein Drittel der Rettungsdienste nach dem Notruf mehr als zwölf Minuten braucht.
Daten aus den Bundesländern lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen, da jedes eine andere einzuhaltende Frist für Rettungswagen definiert. Trotzdem zeigen die Daten, dass die Frist immer öfter nicht erfüllt wird und es so im Schnitt länger dauert, bis gerufene Rettungskräfte vor Ort sind. Im Einzelfall können wenige Minuten über Leben und Tod entscheiden.
Die Feuerwehr in Berlin ist ein mahnendes Beispiel für ganz Deutschland: Hier konnten im Jahr 2021 nur noch 49 Prozent der Rettungsteams die vorgegebene Zeit von zehn Minuten einhalten. Bereits 2017 waren es nur 60 Prozent. Diese Entwicklung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass viele Einsätze gar nicht notwendig sind. Erfahrene Rettungssanitäter/innen berichten von unnötigen Notfalleinsätzen wegen eines Schnittes mit dem Küchenmesser in den Finger. Hierfür sei der ärztliche Bereitschaftsdienst zuständig.
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Rettungsdienste – Berufsflucht und Personalmangel als Probleme
Die Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin hat eine Umfrage mit erschreckenden Ergebnissen durchgeführt: 99 Prozent aller 362 befragten Notfallkliniken gaben an, unter akutem Personalmangel zu leiden. Das kann dazu führen, dass Rettungswagen im Ernstfall weitere Wege zu einer aufnahmebereiten Klinik in Kauf nehmen müssen. Befragungen unter Rettungskräften selbst zeigen, dass sich mehr als 90 Prozent nicht vorstellen können, bis zur Rente ihren Beruf auszuüben. Auch diese Zahlen sind als Alarmsignale für eine vollkommene Überlastung der Rettungsdienste in Deutschland zu werten. 40 Prozent aller Rettungssanitäter/innen spielen mit dem Gedanken, ihren Beruf zu wechseln.
Gewalt als Problem
Neben fordernden und oftmals sehr stressigen Arbeitsbedingungen wird die Gewalt, die Rettungskräfte immer wieder bei Einsätzen erfahren, zunehmend zum Problem. Auch das schreckt Menschen, die an einem Job im Rettungsdienst interessiert sind, bei der Berufswahl ab.
Rettungsdienste – Weitere gesellschaftliche Probleme
Die Schlagzeile “Rettungskräfte arbeiten am Limit” ist nicht die einzige, die die mediale Berichterstattung in den letzten Monaten prägt. Gerade rund um Silvester ist es in Berlin zu gezielten Angriffen auf Rettungsdienste gekommen. Vorher schon gab es immer wieder Vorfälle, bei denen Rettungsdienste im Straßenverkehr behindert wurden und so wertvolle Zeit verstrichen ist. Mangelnder Respekt und unkooperatives Verhalten sind ein weiteres Problem, dass Rettungsdiensten bei ihrer täglichen Arbeit zusetzt. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass Gaffen am Unfallort mittlerweile strafbar ist.
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Fazit: Mehr Aufklärung als Lösung?
Die aktuelle Bestandsaufnahme kann nur zu dem Schluss führen, dass Rettungsdienste in Deutschland zu wenig Zeit für echte Notfälle haben. Und auch für diese sind die verfügbaren Personalressourcen längst am Limit: Akuter Personalmangel in Kliniken und bei Rettungsdiensten selbst wird das Problem in Zukunft weiter verschärfen, wenn sich nichts ändert. Brancheninsider bemängeln fehlende Aufklärung als eine der Hauptursachen für die gegenwärtige Entwicklung: Viele Menschen wüssten gar nicht mehr, wann die 112 und wann die 116 117 zu wählen sind. Immer weniger Menschen wissen, was der ärztliche Bereitschaftsdienst ist und wo sie ihn in ihrer Stadt jenseits von Sprechzeiten beim/bei der Hausarzt/-ärztin nutzen können.
Auch in Notfallambulanzen zeichnet sich ein ähnliches Bild mit vielen unnötigen Fällen ab, die dringend notwendige Kapazitäten kosten. Robert Pohl von der Feuerwehrgewerkschaft hält es für notwendig, das gesamte Gesundheitssystem besser und zukunftsorientierter aufstellen zu müssen. Wer nur beim Rettungsdienst nachjustiere, verlagere das Probleme ohne tiefgreifende Lösung nur an eine andere Stelle.
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- Rettungsdienste am Limit, https://www.tagesschau.de/... (Abrufdatum 17.3.2023)
- Notruf gewählt und keiner kommt?, https://www.zdf.de/... (Abrufdatum 17.3.2023)
- Der Ausnahmezustand ist zum Normalzustand geworden, https://www.welt.de/... (Abrufdatum 17.3.2023).