Sexuelle Belästigung ist ein Thema, das auch Medizinische Fachangestellte (MFA) immer wieder erleben. Nach einem solchen Vorfall sind die Betroffenen meist verunsichert. Sie fragen sich, wie sie hätten reagieren können oder sie empfinden Scham und trauen sich deshalb nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Doch es gibt Möglichkeiten, um sich Hilfe zu suchen. Wie man in so einer Situation am besten reagiert und was Arbeitgeber darüber hinaus tun können, behandelt dieser Beitrag.
Sexuelle Belästigung erkennen
Sexuelle Belästigung ist im Beruf einer Medizinischen Fachangestellten, in dem man viel in Körperkontakt zu anderen Menschen kommt, für die Betroffenen nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. So ist sich eine MFA vielleicht unsicher, ob sich der ältere Patient gerade nur an ihrer Hüfte festgehalten hat, um aufstehen zu können, oder ob er sie dort bewusst berührt hat. Ganz allgemein ist aber festzuhalten: Bei sexueller Belästigung gibt es keine festen Bestimmungskriterien. Sie beginnt in dem Moment, in dem sich eine Person durch eine Berührung, eine Geste oder durch verbale Aussagen des Gegenübers unwohl fühlt.
Auch, wenn man jemanden beispielsweise dazu auffordert, Berührungen zu unterlassen und die Persona daraufhin nicht aufhört, handelt es sich um sexuelle Belästigung.
Wer trotzdem unsicher ist, kann sich einmal ganz sachlich überlegen, wo beispielsweise bei einer Behandlung die Hand eines Patienten sein sollte. Wenn die Person etwa Angst vor Spritzen bei einer Impfung hat, ist es nicht verwerflich, wenn sie oder er darum bitten sollte, kurz die Hand der MFA halten zu dürfen. Sollte sich diese Hand aber plötzlich auf dem Oberschenkel befinden, ist sie dort mit Sicherheit falsch platziert. Auch unter Kollegen/-innen gilt, dass alles, was über ein freundschaftliches Schulterklopfen hinausgeht, unangemessen ist – sollte es nicht explizit erwünscht sein.
Besondere Faktoren im MFA-Beruf
Da es die Tätigkeit von Medizinischen Fachangestellten immer wieder erfordert, vermehrt engeren Körperkontakt mit Patientinnen und Patienten zu haben, geschehen unerwünschte Berührungen manchmal wie zufällig. Das heißt allerdings nicht, dass das auch tatsächlich so ist. Dadurch, dass für kurze Zeit Körperkontakt besteht, sinkt möglicherweise auch die Hemmschwelle mancher Patienten/-innen. Trotzdem ist das kein Grund, dass MFA sich ein solches Verhalten gefallen lassen müssen, wenn es ihnen unangenehm ist.
Wann eine Grenze überschritten wird, merken daher MFA schnell am eigenen Empfinden. Niemand muss Handlungen, die ein negatives Gefühl auslösen, dulden. Somit sollte sich ein/e MFA also nicht einreden, es habe sich lediglich um harmloses Ereignis gehandelt, das nicht bedeutend genug ist, um es jemandem anzuvertrauen. Alles, was Unwohlsein auslöst und aufwühlt, darf ohne schlechtes Gewissen mit einer Vertrauensperson besprochen werden.
Sexuelle Belästigung – Rechtliche Lage
Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist definiert, dass sexuelle Belästigung jede sexuell motivierte Handlung mit einschließt, die die Würde eines Menschen herabsetzt, sei es durch unerwünschte körperliche Annäherungen, aber auch durch sexistische Gesten oder Kommentare. Auch eine unerwünschte Aufforderung zu sexuellen Handlungen sowie das ungefragte Zeigen von pornographischen Darstellungen werden als sexuelle Belästigungen gewertet.
Arbeitgeber/innen sind dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter/innen zu vor solchem Verhalten zu schützen und können Patienten/-innen abmahnen oder ihnen sogar die weitere Behandlung in ihrer Praxis verweigern. Sexuelle Belästigung kann natürlich auch von einem Kollegen oder einer Kollegin ausgehen. In diesem Fall können Arbeitgeber/innen auch eine Kündigung aussprechen.
Sexuelle Belästigung wird außerdem als Arbeitsunfall eingestuft. Sollten sich im Anschluss also Kosten für eine ärztliche oder psychologische Behandlung ergeben, haben Betroffene Anspruch auf die Übernahme der Kosten.
Sexuelle Belästigung – Was Betroffene tun können
Betroffene sind nach Fällen von sexueller Belästigung nicht gezwungen, alleine mit ihren Erlebnissen fertigzuwerden. Im Gegenteil – um mit solchen Erlebnissen umgehen zu können und um zukünftig angemessen auf solches Verhalten zu reagieren, gibt es verschiedene Wege.
Grenzen aufzeigen
Ein erster wichtiger Schritt ist, Grenzen aufzuzeigen. Sollte sich ein/e Patient/in, ein/e Kollege/in oder ein/e Vorgesetzte/r übergriffig verhalten, sollten MFA ihnen sofort deutlich zu verstehen geben, dass dies nicht erwünscht ist. “Hören Sie auf damit”, oder “Nein, ich möchte das nicht”, können dies beispielsweise klar zum Ausdruck bringen. Unterlässt man es, den eigenen Standpunkt klarzustellen, kann es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass die Person das Verhalten beim nächsten Mal sogar noch steigert.
Belästigung dokumentieren
Um sich rechtlich abzusichern, sollte man Vorfälle sexueller Belästigung mit Datum, Uhrzeit und einer kurzen Beschreibung des Hergangs dokumentieren. So ist auch sichergestellt, dass Details später nicht unscharf werden oder von dem/der Beschuldigten verdreht werden können.
Sich an Vorgesetzten wenden
Als weiteren Schritt sollten sich Medizinische Fachangestellte direkt an ein/e Vorgesetzte/n wenden, dem oder der sie vertrauen. Diese/r kann dann weitere Schritte einleiten und zum Beispiel selbst noch einmal mit der belästigenden Person reden oder diese gleich abmahnen. Wichtig ist, dass klar wird, dass sexuell übergriffiges Verhalten Konsequenzen hat und kein Kavaliersdelikt ist. Ein solcher Vorfall ist außerdem kein Grund zu Scham. Auch sollten Medizinische Fachangestellte darauf bestehen, ernst genommen zu werden und ihr Erlebnis nicht nachträglich klein reden.
Behandlung verweigern
Sollte sich ein/e Patient/in nicht einsichtig zeigen, besteht zudem die Möglichkeit, dass MFA der Person die Behandlung zukünftig verweigern. In dramatischen Fällen kann der/die Patient/in auch der Praxis verwiesen werden. Allerdings gilt es dabei, die Gesetzeslage zu beachten, sodass gesichert ist, dass die Person trotzdem anderswo einen Zugang zu medizinischer Versorgung erhält.
Weitere Möglichkeiten
Betroffene können neben dem Gespräch mit Kollegen/-innen oder Vorgesetzen auch den Rat von Familienmitgliedern suchen. Das kann dabei helfen, sich verstanden zu fühlen und dadurch ein wenig Distanz zu der Situation zu gewinnen. Bei anhaltender Belastung ersetzt das natürlich nicht die Unterstützung von professionellen Helfern/-innen.
Auch können MFA in letzter Konsequenz den rechtlichen Weg wählen und die Person, die sie belästigt hat, anzeigen.
Sexuelle Belästigung – Was Vorgesetzte tun können
Vorgesetzte sind gesetzlich dazu verpflichtet, Schaden durch sexuelle Belästigung von ihren Mitarbeiter/innen abzuwenden. Um die richtige Unterstützung in solch einer Situation zu leisten, sollten verschiedene Schritte eingehalten werden.
Mitarbeiter/innen ernst nehmen
In Fällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sollten Vorgesetze ihre Mitarbeiter/innen als allererstes ernst nehmen und ihnen aufmerksam zuhören. Wenn MFA das Gefühl haben, dass ihre Probleme für ihre/n Vorgesetze/n nicht wichtig sind, leidet darunter das Vertrauensverhältnis und künftige Vorfälle könnten verschwiegen werden. Das kann zu ernsten Schwierigkeiten führen – sowohl für die Psyche der Mitarbeiter/innen als auch für das Arbeitsklima.
Mit Patienten sprechen
Ein nächster Schritt ist es, mit dem/der belästigenden Patienten/-in oder dem/der belästigenden Mitarbeiter/in zu sprechen. So können gezielt Grenzen abgesteckt und auch Verwarnungen ausgesprochen werden. So erkennt die Person, dass ihre Handlungen nicht ohne Konsequenzen bleiben und zeigt eventuell sogar Einsicht. Sollten sich die Vorfälle danach trotzdem wiederholen, können Vorgesetze über weitere Schritte nachdenken.
Ein Protokoll entwickeln
Ebenso nützlich ist es, gemeinsam mit allen Mitarbeiter/innen ein Protokoll zu entwickeln, welches einen Handlungsleitfaden vorgibt, wie im Fall von sexuellen Belästigungen gehandelt werden sollte. Das schafft Vertrauen und stärkt das Teamgefühl. Außerdem kann solch ein “Fahrplan” bereits im Vorfeld dazu dienen, Ängste zu mildern und das Selbstvertrauen der Mitarbeiter/innen fördern.
Auch für Vorgesetze selbst ist es hilfreich, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie in solchen Fällen handeln können und diese schriftlich Schritt für Schritt festzuhalten.
Personal schulen
Zusätzlich zum Entwickeln eines Protokolls können Vorgesetzte Schulungen für ihre Mitarbeiter/innen anbieten. Diese tragen ebenfalls dazu bei, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu verstärken und sind gut für das Teamgefühl.
Auswirkungen von sexueller Belästigung
Die Auswirkungen von sexueller Belästigung können vielfältig sein und sind nicht zu unterschätzen. Häufige Folgen sind beispielsweise Angstzustände, psychosomatische Beschwerden, Depressionen sowie emotionale Erschöpfung. Bei diesen Warnzeichen sollten sich Betroffene daher schnell Hilfe suchen und versuchen, das Erlebte aufzuarbeiten. Dadurch können Folgeerscheinungen gemildert oder sogar wieder gänzlich aufgehoben werden. Ignoriert man die Symptome aber, besteht die Gefahr, dass sie sich verfestigen. Das macht die Aufarbeitung weit schwieriger.
Sexuelle Belästigung – Professionelle Hilfe suchen
Sollten sich psychische Folgen aus einer sexuellen Belästigung ergeben, wie beispielsweise Depressionen oder Angstzustände, sollten sich Betroffene professionelle Hilfe suchen. Dabei können bereits verschiedene Seiten im Internet weiterhelfen, wie beispielsweise www.frauen-gewalt.de. Auch der Gang zur Sprechstunde einem/-r Psychotherapeuten/-in ist ein guter Weg, um die traumatische Erfahrung zu verarbeiten.
Passende Stellenangebote für Medizinische Fachangestellte
Wer aktuell noch nach einer Stelle im medizinischen Bereich sucht, findet bei uns zahlreiche Angebote, darunter auch viele Jobs für Medizinische Fachangestellte (MFA), aber auch Stellenangebote für Zahnmedizinische Fachangestellte oder Pflegefachkraft Jobs.
1. So stoppen Sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, www.pkv-institut.de (Abrufdatum: 01.03.2022)
2. www.info-praxisteam.de/2021/04/03_news_4.php (Abrufdatum: 01.03.2022)
3. mfa.medi-verbund.de/2018/02/sexuelle-belaestigung/ (Abrufdatum: 01.03.2022)
4. Clips: Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Was tun?, www.frauen-gegen-gewalt.de (Abrufdatum: 01.03.2022)