Sterbehilfe ist in Deutschland nach wie vor ein hoch umstrittenes Thema. Trotz eines wegweisenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 bleiben viele Fragen offen – zum Beispiel bezüglich des Zugangs von Sterbewilligen zu tödlich wirkenden Medikamenten. In einem aktuellen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster wird der Anspruch schwerkranker sterbewilliger Patienten auf ein todbringendes Medikament verneint.
Die Rechtslage zum selbstgewollten Sterben in Deutschland ist unübersichtlich. Die Selbsttötung – auch der Versuch – wird nicht bestraft. Anders sieht es mit der Tötung (durch einen Dritten) auf Verlangen aus. Sie stellt gemäß § 216 StGB eine strafbare Handlung dar. Die zur Tötung bestimmte Person muss mit sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Bereits der Tötungsversuch ist strafbar.
Beihilfe zur Selbsttötung nach BVerfG-Urteil faktisch legal
Davon zu unterscheiden ist die Förderung der Selbsttötung. Gemäß § 217 StGB bleiben Angehörige oder nahestehende Personen, die Beihilfe zur Selbsttötung leisten, straffrei, sofern sie dabei nicht geschäftsmäßig handeln. Geschäftsmäßige Sterbehilfe ist dagegen strafbar und kann mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings im Februar 2020 in einem viel beachteten Urteil die Strafvorschrift für geschäftsmäßige Suizidassistenz für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgegeben. Die steht noch aus, faktisch ist durch das Urteil gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung legalisiert worden. § 217 StGB ist nichtig.
Ob die Selbsttötung nun assistiert ist oder nicht, wichtig für die Durchführung des Vorhabens ist für Betroffene der Zugang zu Medikamenten, die den Tod sicher und möglichst schmerzfrei herbeiführen. Andere Formen der Selbsttötung sind zwar möglich, stehen aber Schwerkranken nicht zur Verfügung oder sind vielfach nicht gewollt. Obwohl das deutsche Recht selbstbestimmtes Sterben im Rahmen des verfassungsrechtlich verankerten Persönlichkeitsrechts erlaubt, ist damit nicht per se ein Anspruch auf Zugang zu tödlichen Medikamenten verbunden. Das zeigt der vor dem OVG Münster verhandelte Fall.
Selbstbestimmtes Sterben begründet keinen staatlichen Leistungsanspruch
Geklagt hatten zwei Männer und eine Frau, die an Krebs und Multipler Sklerose erkrankt sind. Sie hatten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter Hinweis auf ihr Grundrecht zum selbstbestimmten Sterben die Erlaubnis zum Kauf des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital beantragt. Die Behörde hatte die Erlaubnis aufgrund des im Betäubungsmittelgesetz verankerten Abgabeverbots verweigert (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG: Erlaubnisverbot bei Missbrauchsverdacht). Das OVG bestätigte diese Entscheidung – allerdings nicht ohne Bedenken.
Das Gericht hält es für durchaus möglich, dass das generelle Abgabeverbot laut Betäubungsmittelgesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es handele sich aber bei der Ablehnungsentscheidung nicht um einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.
Im Einzelnen begründen die Richter ihr Urteil wie folgt: die Ablehnung der Behörde schütze das legitime öffentliche Interesse an Suizidvorbeugung und diene der staatlichen Schutzpflicht für das Leben. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben bedeute keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat. Durch das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts seien die Möglichkeiten von Schwerkranken inzwischen wesentlich verbessert worden, den Wunsch zum selbstbestimmtem Sterben im Rahmen von Sterbehilfe zu verwirklichen.
Auch das ärztliche Berufsrecht stehe der Suizidbeihilfe nicht mehr grundsätzlich entgegen. Es gebe Ärztinnen und Ärzte, die tödliche Medikamente verschreiben und in anderer Weise bei der Selbsttötung Unterstützung leisteten. Von daher stünden den Klagenden ausreichend Alternativen zu ihrem konkreten Medikamentenwunsch zur Verfügung, um ihren Sterbewunsch zu verwirklichen, die auch zumutbar seien.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das OVG Münster bestätigt mit seinem Urteil (OVG Münster, Urteil v. 02.02.2022 – Az.: 9 A 146/21, 9 A 147/21, 9 A 148/21) einen früheren Richterspruch des Verwaltungsgerichts Köln. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls wurde eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
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1. Schwieriger Weg zur gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe, www.faz.net (Abrufdatum: 05.02.2022)
2. Aktive, passive und indirekte Sterbehilfe – was heißt das?, www.ndr.de (Abrufdatum: 05.02.2022)
3. Kein Recht auf Medikament zur Selbsttötung – OVG Münster lehnt Zugang zu tödlichem Medikament ab, www.kostenlose-urteile.de (Abrufdatum: 05.02.2022)