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Die telefonische Krankschreibung hat sich seit ihrer Einführung als pragmatische Lösung in Zeiten der Pandemie etabliert, stößt jedoch mittlerweile auf kontroverse Diskussionen. Befürworter loben die Entlastung von Arztpraxen und die Reduzierung von Infektionsrisiken, während Kritiker Bedenken hinsichtlich Missbrauch und fehlender ärztlicher Kontrolle äußern. Dieser Artikel beleuchtet die Vor- und Nachteile der telefonischen Krankschreibung und hinterfragt ihre langfristige Sinnhaftigkeit im Gesundheitssystem.
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Hintergründe der telefonischen Krankschreibung
Die telefonische Krankschreibung wurde in Deutschland erstmals während der COVID-19-Pandemie eingeführt, um Arztpraxen zu entlasten und das Infektionsrisiko in Wartezimmern zu reduzieren. Diese Maßnahme ermöglichte es Patientinnen und Patienten mit leichten Erkrankungen, nach telefonischer Anamnese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, ohne persönlich in der Praxis erscheinen zu müssen. Am 7. Dezember 2023 wurde diese Regelung durch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz dauerhaft etabliert, um Bürokratie abzubauen und unnötige Arztbesuche zu vermeiden.
Die telefonische Krankschreibung ist umstritten, da sie ohne persönliche Untersuchung erfolgt, was das Risiko erhöht, schwerwiegende Erkrankungen zu übersehen oder Fehldiagnosen zu stellen. Gleichzeitig wird befürchtet, dass die niedrigere Hemmschwelle für eine Krankschreibung zu einem Anstieg der Krankenstände und möglichem Missbrauch führt.
Aktuelle Zahlen verdeutlichen die Brisanz des Themas: Laut der Techniker Krankenkasse (TK) waren in den ersten neun Monaten dieses Jahres 5,7 Millionen ihrer Versicherten krankgeschrieben. Zudem fehlten deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2022 durchschnittlich an 24,9 Tagen pro Jahr, wie eine Statistik von ThePioneer zeigt. Angesichts dieser Zahlen wird die telefonische Krankschreibung von einigen als Beitrag zur steigenden Zahl an Fehltagen gesehen, während andere die Maßnahme als notwendige Entlastung für Patienten und das Gesundheitssystem betrachten.
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Telefonische Krankschreibung – Ablauf und Regulationen
Der Ablauf beginnt mit der telefonischen Kontaktaufnahme des Patienten bei der Hausarztpraxis. Diese Regelung gilt lediglich für Personen, die bereits in der Praxis bekannt sind, da der behandelnde Arzt oder die Medizinischen Fachangestellten auf vorhandene Patientenakten und Krankheitsverläufe zurückgreifen können. Während des Gesprächs schildert der Patient die Symptome und beantwortet gegebenenfalls Nachfragen, um eine möglichst umfassende Anamnese zu gewährleisten.
Basierend auf den geschilderten Beschwerden beurteilt der Arzt, ob eine Krankschreibung ohne persönlichen Kontakt gerechtfertigt ist. Voraussetzung ist, dass die Symptome leicht und eindeutig zuzuordnen sind, wie etwa bei einem grippalen Infekt oder einer leichten Erkältung. Wenn der Arzt die Notwendigkeit einer Krankschreibung bestätigt, wird diese für einen Zeitraum von maximal fünf Kalendertagen ausgestellt. Eine Verlängerung der Krankschreibung über diesen Zeitraum hinaus ist nur nach persönlichem Erscheinen in der Praxis möglich.
Arbeitgeber erhalten die Bescheinigung über das elektronische Arbeitsunfähigkeitsverfahren (eAU), sofern der Arbeitnehmer gesetzlich versichert ist. Patienten müssen jedoch weiterhin eigenständig ihren Arbeitgeber über ihre Arbeitsunfähigkeit informieren. Privatversicherte Patienten müssen weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Praxis abholen oder abholen lassen.
Krankschreibung für Kinder
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schloss mit dem GKV-Spitzenverband Mitte Dezember 2023 die Vereinbarung, dass auch Kinder unter zwölf Jahren telefonisch krankgeschrieben werden können. Grundsätzlich gelten hierfür die gleichen Kriterien wie für Erwachsene. Eltern haben hierbei jedoch keinen Anspruch auf eine telefonische Krankschreibung. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Arztes oder der Ärztin.
Telefonische Krankschreibung – Was spricht dafür?
Besonders die Bundesärztekammer sowie die KBV sieht die Etablierung der telefonischen Krankschreibung positiv. Aus medizinischer Sicht lassen sich einige Vorteile feststellen.
Eine große Rolle spielt das reduzierte Infektionsrisiko. Patienten mit leichten Symptomen können eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) erhalten, ohne die Praxis aufzusuchen, wodurch die Ansteckungsgefahr für andere Patienten und das Praxispersonal, etwa die Medizinischen Fachangestellten, verringert wird.
Ein weiterer Vorteil ist die Entlastung der Arztpraxen. Durch die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung werden Arztpraxen insbesondere während Erkältungs- und Grippewellen entlastet, was zu einer effizienteren Patientenversorgung führt. Das fördert die Unterbrechung der Infektionswelle, die hausärztliche Praxen sonst überschwemmen würde. Außerdem stehen so mehr Ressourcen für Patienten zur Verfügung, die dringendere Erkrankungen haben als eine leichte Erkältung.
Nicht zuletzt sollte man die Zeit- und Kostenersparnis ins Auge fassen. Patienten sparen Zeit und Aufwand, da sie nicht für jede Krankschreibung persönlich erscheinen müssen. Dies reduziert auch die Kosten für das Gesundheitssystem.
Die Regelung bietet klare Vorteile: Sie reduziert das Infektionsrisiko in Arztpraxen, vermeidet unnötige Wege und entlastet sowohl Patientinnen und Patienten als auch das medizinische Personal.
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Telefonische Krankschreibung – Kritikpunkte
Trotz der offensichtlichen Vorteile werden Stimmen gegen die telefonische Krankschreibung immer lauter. Unter anderem Christian Linder (FPD), ehemaliger Finanzminister, behauptete, dass eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand und der Einführung der Maßnahme bestehe.
Im Fokus der Kritik steht vor allem die Missbrauchsgefahr. Einige Arbeitgeberverbände befürchten, dass die telefonische Krankschreibung zu einem Anstieg der Krankenstände führen könnte, da die Hemmschwelle für eine Krankschreibung sinkt. Der Arbeitgeberverband macht die telefonische Krankschreibung für den rekordhohen Krankenstand verantwortlich, der die Arbeitgeber etwa 77 Milliarden Euro letztes Jahr gekostet hat. Bestätigung dieser Ansicht finden Kritiker im Fehlzeiten-Reports der AOK.
Woher kommen die hohen Krankenstände?
Der hohe Krankenstand in Deutschland lässt sich nicht primär auf die telefonische Krankschreibung zurückführen. Laut dem AOK-Fehlzeiten-Report wurde die Möglichkeit der Telefon-AU während der Pandemie verantwortungsvoll genutzt und führte damals nicht zu einem Anstieg der Fehlzeiten. Stattdessen wird ein großer Teil des aktuellen Anstiegs auf die Einführung der eAU zurückgeführt. Diese sorgt dafür, dass Krankmeldungen direkt und vollständig von den Arztpraxen an Arbeitgeber und Krankenkassen übermittelt werden, was früher oft unvollständig blieb.
Weitere Faktoren sind eine alternde Bevölkerung, der Fachkräftemangel, der die Arbeitsbelastung für Beschäftigte erhöht, und ein verändertes Bewusstsein nach der Pandemie. Viele Menschen achten stärker auf ihre Gesundheit und bleiben bei Krankheit eher zu Hause, um die eigene Genesung und den Schutz anderer zu gewährleisten.
Zudem bemängeln einige die eingeschränkte Diagnosestellung. Ohne persönliche Untersuchung könnten Symptome fehldiagnostiziert oder ernsthafte Erkrankungen übersehen werden, was die Qualität der medizinischen Versorgung beeinträchtigen könnte. Auch die fehlende persönliche Interaktion wird als negativ betrachtet. Der direkte Kontakt zwischen Arzt und Patient ist für eine umfassende Anamnese und Vertrauensbildung wichtig. Die telefonische Krankschreibung könnte diese Beziehung schwächen.
Telefonische Krankschreibung – Fazit
Die telefonische Krankschreibung hat sich als flexible und pragmatische Lösung etabliert, insbesondere während der COVID-19-Pandemie. Sie bietet klare Vorteile, wie die Reduzierung des Infektionsrisikos in Arztpraxen, die Entlastung des Gesundheitssystems und eine Zeitersparnis für Patienten und Ärzte. Insbesondere bei leichten Symptomen ermöglicht sie eine schnelle und unkomplizierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass Patienten dafür ihre Wohnung verlassen müssen.
Trotz dieser Vorteile gibt es berechtigte Bedenken. Kritiker sehen in der fehlenden ärztlichen Untersuchung das Risiko von Fehldiagnosen und übersehenen schwerwiegenden Erkrankungen. Zudem wird befürchtet, dass die Hemmschwelle für eine Krankschreibung sinkt, was zu steigenden Krankenständen führen könnte.
Das Konzept der telefonischen Krankschreibung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung und Effizienz im Gesundheitssystem. Allerdings bedarf es klarer Regularien und einer begleitenden Evaluation, um Missbrauch zu verhindern und die medizinische Versorgung auf einem hohen Qualitätsniveau zu halten. So kann die Maßnahme langfristig einen sinnvollen Beitrag zur Patientenversorgung leisten.
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- Telefonische Krankschreibung möglich, https://www.bundesregierung.de/... , (Abrufdatum: 03.12.2024)
- Telefonische Krankschreibung, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... , (Abrufdatum: 03.12.2024)
- Fehlzeiten-Report 2024, https://www.aok.de/... , (Abrufdatum: 03.12.2024)
- Telefonische Krankschreibung eines Kindes, https://www.kbv.de/... , (Abrufdatum: 03.12.2024)
- Telefonische Krankschreibung dauerhaft möglich, https://www.kbv.de/... , (Abrufdatum: 03.12.2024)