Die Personaldecke in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist dünn. Wenig Personal führt zu einer höheren Belastung für jede einzelne Pflegekraft. Sind Pflegekräfte überlastet, gefährdet das nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch das Wohlergehen der Patienten. Der Überlastungsanzeige in der Pflege kommt daher eine große Bedeutung zu. Mit diesem Dokument machen Pflegende ihre Vorgesetzten auf die belastende Situation am Arbeitsplatz aufmerksam. Dazu sind sie unter gewissen Bedingungen sogar verpflichtet. Was gilt es bei der Erstellung einer Überlastungsanzeige zu beachten? Welche Inhalte gehören hinein und in welcher Form hat die Anzeige zu erfolgen? Hier gibt es Tipps.
Was ist eine Überlastungsanzeige?
Der Personalmangel an deutschen Kliniken, Pflegeheimen und anderen stationären Einrichtungen führt dazu, dass die Pflegequalität leidet. Kommen noch krankheitsbedingte Fehlzeiten hinzu oder befinden sich Kollegen im Urlaub, steigt die Arbeitsbelastung für die einzelnen Pflegekräfte weiter. Darunter leidet zum einen die Gesundheit der Arbeitnehmer, zum anderen kann die Überlastung zu Situationen führen, in denen Patienten gefährdet werden. Das hat haftungs- und eventuell sogar strafrechtliche Konsequenzen für das verantwortliche Pflegepersonal.
Die Überlastungsanzeige in der Pflege, auch Entlastungsanzeige oder Gefährdungsanzeige genannt, hat nun den Zweck, den Vorgesetzten oder Arbeitgeber darüber zu informieren, dass die Qualitätsstandards in der Pflege unter den gegebenen Umständen nicht mehr eingehalten werden können. Das Ziel ist es, den Arbeitgeber zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu veranlassen.
Überlastungsanzeige in der Pflege: Rechtliche Grundlage
Grundsätzlich können alle Beschäftigten eine Überlastungsanzeige stellen, auch Führungskräfte wie etwa die Pflegedienstleitung. Das ist nicht nur dringend angeraten, sondern für Arbeitnehmer sogar verpflichtend.
Diese Pflicht ergibt sich aus §§ 611a und 242 BGB. Demnach müssen Beschäftige ihren Arbeitgeber über potenziell eintretende Schäden informieren und vor absehbaren Schäden warnen. Ebenso müssen sie auf organisatorische Mängel hinweisen.
Gemäß §§ 15,16 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind Beschäftigte außerdem dazu verpflichtet, für ihre eigene Gesundheit und Sicherheit Sorge zu tragen. Das gilt weiterhin für die Personen, die von ihrer Arbeit betroffen sind. Ist also abzusehen, dass die hohe Arbeitsbelastung in der Pflege zu Gefährdungen der Patienten führen kann, ist eine Überlastungsanzeige zu stellen.
Auch aus haftungsrechtlicher Sicht ist die Überlastungsanzeige in der Pflege dringend erforderlich. Meldet die Pflegekraft ihre Überlastung nicht und ein Patient erleidet dadurch einen Schaden, steht das Pflegepersonal in der Haftung. Durch eine Überlastungsanzeige kann sich das Pflegepersonal dagegen aus der Organisationshaftung befreien. Allerdings bleibt die Verpflichtung bestehen, der eigenen Arbeit mit größtmöglicher Sorgfalt nachzukommen. Strafbare Handlungen werden durch eine Überlastungsanzeige nicht entschuldigt.
Arbeitgeber stehen gemäß § 618 BGB, §§ 3 und 4 ArbSchG ihrerseits in der Pflicht, mit einer geeigneten Organisation für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten Sorge zu tragen. Dazu gehört auch, arbeitsbedingte psychische Belastungen zu vermeiden, soweit diese zur Gefährdung der Pflegekräfte oder der Patienten führen können. Nach Eingang einer Überlastungsanzeige muss die Gefährdungslage geprüft werden. Nach Möglichkeit sind Maßnahmen zu ergreifen, die das Gefährdungsrisiko minimieren. Um welche Maßnahmen es sich dabei handelt, ob etwa mehr Personal eingestellt oder der Schichtplan verändert wird, liegt im Ermessen des Arbeitgebers.
Überlastungsanzeige schreiben: So geht es richtig
Fühlen sich Pflegekräfte überlastet, sollten sie möglichst früh das Gespräch mit der Pflegedienstleitung suchen. Treten keine Veränderungen in Kraft und es besteht das Risiko der Patientengefährdung, empfiehlt es sich schon allein zugunsten der eigenen Gesundheit, aber auch aus haftungsrechtlicher Sicht, eine Überlastungsanzeige zu stellen. Empfänger ist entweder die Pflegedienstleitung oder direkt der Arbeitgeber. Es gibt dabei keine vorgeschriebene Form, in der eine Überlastungsanzeige in der Pflege einzureichen ist. Vorgesetzte kann man sowohl schriftlich als auch mündlich informieren. Aus Gründen der Beweislast empfiehlt es sich allerdings, die Überlastungsanzeige schriftlich zu stellen. Dabei kann sie entweder an die Pflegedienstleitung oder direkt an den Arbeitgeber übergeben werden.
Am besten ist es, zwei Durchschläge der Überlastungsanzeige anzufertigen. Eine Kopie wird an den Arbeitgeber oder Vorgesetzten übergeben. Auf dem anderen Durchschlag lassen sich die Beschäftigten die Übergabe per Unterschrift bestätigen und bewahren dieses Exemplar sicher in den eigenen Unterlagen auf.
Welche Inhalte gehören in eine Überlastungsanzeige?
Aus dem Inhalt der Überlastungsanzeige sollten Art und Grund der Überlastung, wie zum Beispiel eine Arbeitsüberlastung, deutlich hervorgehen. Der Arbeitgeber muss nachvollziehen können, durch welche Maßnahmen Abhilfe möglich ist. Dafür ist eine möglichst objektive Schilderung des Sachverhalts notwendig.
Folgende Punkte sollte eine Überlastungsanzeige in der Pflege unbedingt beinhalten:
- Ort und Datum
- Name des Beschäftigten
- Station und Arbeitsbereich
- genaue Beschreibung der Art der Überlastung: wie lange besteht die Situation bereits, wie viele Pflegekräfte sind betroffen, welche Auswirkungen hat die Situation auf den Pflegealltag?
- Folgen für Pflegekräfte und Patienten benennen
- Darstellung der Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden, um einen bestehenden Personalmangel auszugleichen (wenn die Überlastungsanzeige von einer Führungskraft gestellt wird)
- Aufforderung an den Vorgesetzten oder Arbeitgeber, Abhilfe zu schaffen
Welche Fehler sollten unbedingt vermieden werden?
Eine Überlastungsanzeige sollte man so sachlich wie möglich formulieren. Am besten lässt man den Text vor der Übergabe von einer unbeteiligten Person gegenlesen. So fallen unsachliche oder unverständliche Formulierungen auf.
Idealer Weise übergibt man die Überlastungsanzeige persönlich. Durch ein Gespräch im Vorfeld lässt sich ein eventueller Konflikt mit dem Arbeitgeber bereits abfedern. Alternativ kann man die Anzeige auch per Einschreiben mit Rückschein versenden. Ein Versenden als E-Mail ist nicht empfehlenswert.
Was tun, wenn der Arbeitgeber nach der Überlastungsanzeige Druck macht?
Nicht jeder Arbeitgeber reagiert verständnisvoll auf eine Überlastungsanzeige. Im Jahr 2018 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen zum Beispiel über einen Fall entschieden, in dem eine Krankenpflegerin aufgrund ihrer Gefährdungsanzeige von ihrem Arbeitgeber abgemahnt wurde. Die Krankenpflegerin empfand die personelle Situation auf ihrer Station als unzureichend, da sie dort zusammen mit zwei Auszubildenden eingesetzt wurde, obwohl mindestens noch eine weitere examinierte Fachkraft vor Ort hätte sein müssen. Das LAG urteilte im Berufungsverfahren, dass die dafür erteilte Abmahnung nicht rechtmäßig sei und aus der Personalakte der Krankenpflegerin zu entfernen ist.
Reagiert der Arbeitgeber auf eine Überlastungsanzeige in der Pflege nicht oder setzt er Beschäftigte unter Druck, haben Pflegekräfte die Möglichkeit sich an die Heimaufsicht zu wenden. Diese Option besteht auch, wenn am Arbeitsplatz gravierende Missstände bestehen, die zur Gefährdung von Patienten führen. In den Bundesländern NRW, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gibt es auch Pflegekammern, die entsprechende Beschwerden der Pflegekräfte entgegennehmen.