Inhaltsverzeichnis
Überstunden und Mehrarbeit sind vor allem in der mangelbesetzten Pflegebranche keine Seltenheit. Was versteht man unter den Begriffen Überstunden und Mehrarbeit? Worin liegen die Unterschiede? Wissenswertes zum Thema Überstunden und Mehrarbeit und den geltenden Regelungen im folgenden Beitrag.
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Überstunden – Definition
Unter dem Begriff „Überstunden“ versteht man die Arbeitszeit, die die vertraglich vereinbarte oder tarifrechtliche regelmäßige Arbeitszeit überschreitet. Überstunden können von dem/-r Vorgesetzten sowohl angeordnet als auch geduldet werden, müssen aber nur dann geleistet werden, wenn diese vorher vereinbart worden sind. Eine Klausel im Arbeitsvertrag zum Leisten von Überstunden ist zulässig.
Unterschiede zur Mehrarbeit
Eine verbindliche gesetzliche Definition für die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit existiert derweilen nicht, insbesondere nicht im Arbeitszeitgesetz (ArbzG). Auch die gesetzliche Terminologie ist nicht einheitlich – beispielsweise ist in § 4 Abs. 1a S. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes sowie in § 11 des Bundesurlaubsgesetzes von „Überstunden“ zu lesen während in § 4 Mutterschutzgesetz oder § 21 Abs. 2 Jugendarbeitsschutzgesetz der Begriff „Mehrarbeit“ verwendet wird. Fest steht: Beiden Begriffen ist das „Mehr“ an Arbeit gemeinsam.
Der Begriff Mehrarbeit beschreibt die Überschreitung der tariflichen oder gesetzlichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden täglich, die innerhalb von 24 Wochen ausgeglichen werden muss, wohingegen Überstunden das Überschreiten der arbeitsvertraglich geltenden Arbeitszeiten des/der Arbeitnehmer/-in bedeuten.
Nicht selten führen die Begriffe „Mehrarbeit“ und „Überstunden“ zur Verwirrung und werden gleichbedeutend verwendet. Für den Bundesrat ist die Terminologie allerdings entscheidend, weshalb zum Beispiel in einer Betriebsvereinbarung die Begrifflichkeiten klar definiert werden sollten und hervorgehen sollte, ob Überstunden und Mehrarbeit unterschiedlich oder gleichbedeutend sind. Denn: In Tarifverträgen werden die Begriffe gerade nicht gleichbedeutend verwendet.
Überstunden und Mehrarbeit – Rechtliche Grundlagen
Aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in §3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer geht hervor:
„Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Diese Regelung gilt ebenfalls für die Nachtarbeit – der Abbau von Überstunden muss allerdings in einem kürzeren Intervall stattfinden. In §6 Nacht- und Schichtarbeit des Arbeitszeitgesetzes in Abs. 2 steht: „[…] Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
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Mitbestimmung des Betriebsrats
Bei der Anordnung bzw. Duldung von Überstunden und/oder Mehrarbeit hat der Betriebsrat in vollem Umfang mitzubestimmen. Dies geht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) hervor: „Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: „[…] 3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit“.
Darüber hinaus unterliegt der Mitbestimmung:
- die Verteilung der Mehrarbeitszeit/Überstunden auf die einzelnen Wochentage (BAG, 09.05.1984, 5 AZR 412/81)
- die Überstundenzuschläge ( 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG)
Sofern es unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts durch den/die Arbeitgeber/-in zur Anordnung von Überstunden kommt, kann der Betriebsrat gerichtlich vorgehen, da nach § 23 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) der Anspruch auf Unterlassung besteht.
Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit
Die Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit ist zulässig, sofern diese im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Das bedeutet: Der/die Arbeitgeber/-in darf Überstunden bzw. Mehrarbeit verlangen und auf Grundlage des Arbeitsvertrags Gebrauch von dieser Anordnung machen. Zur Anordnung von Überstunden muss immer der Betriebsrat informiert werden.
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zählt zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“.
Die Überwachung dient dazu, dass gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) nicht verstoßen werden. Die drei wichtigsten Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) aufgelistet im Überblick sind:
- Arbeitnehmer/-innen dürfen nicht länger als acht Stunden täglich arbeiten ( 3 ArbZG).
- Die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ist auf bis zu zehn Stunden erlaubt, sofern der Acht-Stunden-Tag innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen durchschnittlich wieder eingehalten wird.
- Eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden muss nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit regelmäßig eingehalten werden.
Sonderregelungen für Jugendliche
Für Jugendliche gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz, weshalb sie im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nicht berücksichtigt werden. Jugendliche dürfen keine Mehrarbeit leisten. Sofern eine Leistung von Mehrarbeit dennoch erfolgt, ist innerhalb von drei Wochen ein Ausgleich in Form von Verkürzungen der Arbeitszeit obligat.
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Überstunden – Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
Bei Anordnung von Überstunden muss immer dem Betriebsrat Auskunft gegeben werden, da es sich um eine zwingende Mitbestimmung handelt und der/die Arbeitnehmer/-in dahingehend einverstanden sein muss.
Wissenswerte Fakten hierüber im Folgenden:
Das Mitbestimmungsrecht gilt in jedem Einzelfall, in welchem Arbeitnehmer/-innen vorübergehend länger arbeiten sollen – die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/-innen ist nicht entscheidend. Es gibt keine Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts: Durch beispielsweise Rahmenbedingungen und/oder Gleitregelungen können Arbeitgeber/in und Bundesrat im Voraus über Regelungen bzgl. der Anordnung von Überstunden informieren, damit Arbeitnehmer/-innen der Vereinbarung zustimmen können.
Es gibt Ausnahmen zur einseitigen Anordnung von Überstunden durch den/die Arbeitgeber/-in: In Notfällen ist die Anordnung von Überstunden zulässig. Die Zustimmung des Betriebsrates muss in dem Fall unverzüglich nachgeholt werden.
Vergütung von Überstunden
Die Vergütung von Überstunden wird im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag geregelt und ist nicht Inhalt des Arbeitszeitgesetzes. Im Arbeitszeitgesetz sind arbeitsmedizinische und sozialpolitische Schutzvorschriften enthalten. Hier werden unter anderem Pausen, Ruhezeit und maximale Arbeitszeit definiert.
Überstunden sind zusätzlich zum normalen Gehalt zu vergüten. Diese müssen allerdings nicht höher vergütet werden, es sei denn es ist im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag festgelegt.
Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, einen Freizeitausgleich zu gewähren, anstatt Überstunden zu bezahlen. Hierfür muss der/die Arbeitnehmer/-in das Einverständnis geben. Die Möglichkeit des Überstundenabbaus in Form von Freizeitausgleich muss ebenfalls im Arbeitsvertrag festgehalten sein, denn grundsätzlich gilt, dass ein Freizeitausgleich nicht erzwungen werden darf.
In der mangelbesetzen Pflegebranche sind Überstunden keine Seltenheit. Die Problematik: Viele Pflegefachkräfte haben so viele Überstunden gesammelt, dass gewiss ist, dass sie diese nicht vollumfänglich als Freizeitausgleich abbauen können. Auch die Vergütung der gesammelten Überstunden ist weniger attraktiv, da sich der zusätzliche Verdienst aufgrund der anfallenden Steuern kaum lohnt.
Nachtarbeit
Wenn Arbeitsstunden während der Nachtzeit geleistet werden, müssen diese durch den/die Arbeitgeber/-in berücksichtigt werden. In § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind folgende Möglichkeiten zum Ausgleich von Nachtarbeit definiert:
„Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. “
Vergütung von Wegezeit
Die sogenannte Wegezeit ist die Zeit, welche der/die Arbeitnehmer/in für den Weg vom Zuhause zum Betrieb braucht. Diese wird allerdings nicht bezahlt. Das gilt für eine/n Beschäftigte/n, welche/r die Arbeitsleistung regulär an einem festen Arbeitsort erbringt.
Sonn- und Feiertagsdienste
An Sonn- und gesetzlichen Feiertagen gilt für Arbeitnehmer/-innen ein Beschäftigungsverbot von 0 bis 24 Uhr. Es gibt allerdings Grenzen und Ausnahmen von diesem Beschäftigungsverbot, die in § 9, 10 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbZG) geregelt sind.
Abweichend von §9 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbZG) dürfen Arbeitnehmer/-innen an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, wenn sie beispielsweise in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen angestellt sind. Dies trifft unter anderem für die Pflegebranche zu. In diesem Fall besteht kein gesetzlicher Anspruch auf einen Lohnzuschlag, es sei denn, es wurde Nacharbeit an Sonn- und Feiertagen geleistet. Das Gewähren von Zuschlägen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen kann allerdings bei entsprechender Vereinbarung ermöglicht werden.
Überstunden – Ansprüche geltend machen
Im Hinblick auf die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen ist die dreijährige Verjährungsfrist zu beachten. In Tarifverträgen gelten oftmals kürzere Fristen. Für eine schnellere Rechtssicherheit dienen arbeitsvertraglich vereinbarte Verfall- und Ausschlussfristen.
Es wird empfohlen, sich als Arbeitnehmer/-in die geleisteten Überstunden immer zu notieren, um bei schriftlichen Formulierungen von Geltendmachungen, diese genau nennen zu können und die Aufzeichnungen über geleistete Arbeitszeiten nachweisen zu können.
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Häufige Fragen
- Was sind Überstunden?
- Was versteht man unter Mehrarbeit?
- Wann lohnt es sich, Überstunden auszahlen zu lassen?
- Darf der Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit anordnen?
Der Begriff Überstunden beschreibt die Arbeitszeit, in der über eine festgesetzte Zeit hinaus gearbeitet wird, das heißt, wenn die arbeitsvertraglich geltenden Arbeitszeiten überschritten werden. Die Anordnung von Überstunden muss schriftlich, zum Beispiel im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt sein und darf nicht ohne Einverständnis des/der Arbeitnehmer/-in, mit Aufnahme von Notfällen, alleinig durch den/die Arbeitgeber/-in angeordnet werden.
Unter Mehrarbeit wird die Überschreitung der tariflichen oder gesetzlichen Höchstarbeitszeit verstanden. Eine Leistung von Mehrarbeit ist bei Jugendlichen unzulässig.
Es kann sich lohnen, eine kleine Zahl von Überstunden auszahlen zu lassen, wohingegen eine größere Anzahl aufgrund der anfallenden Steuern weniger lukrativ erscheint. Wenn im Arbeitsvertrag nicht von einer Vergütung der Überstunden in Form eines Freizeitausgleichs erwähnt ist, müssen Überstunden immer ausgezahlt werden.
Eine alleinige Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit durch den/die Arbeitgeber/-in ist nur in Notfällen zulässig. Ansonsten gilt das Mitbestimmungsrecht. Der/Die Arbeitnehmer/-in muss einverstanden sein, Überstunden oder Mehrarbeit zu leisten. Darüber hinaus muss auch dem Betriebsrat Auskunft gegeben werden. Bei Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit hat auch der Betriebsrat mitzubestimmen.
- Arbeitszeitgesetz, https://www.gesetze-im-internet.de/... (Abrufdatum: 03.01.2023)
- Überstunden und ihre Geltendmachung, https://www.anwalt.de/... (Abrufdatum: 03.01.2023)