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Verliebt sein beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten. Unzählige Dramen, Romane, Filme und Lieder wurden über die Verliebtheit geschrieben – doch woher kommen diese Gefühle des ständigen Vermissens, die Sprachlosigkeit und das Herzrasen? Schuld daran ist, nicht wie oft vermittelt das Herz oder der Bauch, sondern das Gehirn.
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich eingehend mit den psychologischen und neurobiologischen Grundlagen des Verliebtseins.
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Verliebt sein – Was ist das?
Fragt man den Duden, ist Liebe ein “starkes Gefühl des Hingezogenseins”. Rein wissenschaftlich gesehen ist Verliebtsein ein biochemischer Vorgang, der auf Neurotransmittern und Hormonen basiert. Bereits 2005 untersuchten Forschende mittels MRT, welche Gehirnregionen bei Verliebten aktiv sind.
Fakt ist, dass das Gehirn einen Hormoncocktail produziert, bei dem Dopamin, Adrenalin und andere Transmitter die Hauptbestandteile sind. Es verwundert deshalb kaum, dass diese Flut an Stoffen starke Auswirkungen auf das Handeln und Denken des Menschen hat.
Verliebt sein ist ein Spektrum
Verliebtheit kann sich individuell ganz unterschiedlich ausprägen. Sie beginnt bei einem leichten "Crush" auf Personen des öffentlichen Lebens oder aus dem Alltag und geht über in tiefe und leidenschaftliche Zuneigung. Verliebt sein kann aber auch obsessiv werden, in Form eines Liebeswahns (Erotomanie). Dabei ist die betroffene Person fest davon überzeugt, von einem meist unerreichbaren Menschen geliebt zu werden. Argumente oder Beweise helfen nicht, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Verliebt sein – Symptome
Wie fühlt sich verliebt sein an? Durch die Hormone steht der Körper in einer Art Alarmbereitschaft, denn auch bei Angst und Stress sendet er zum Beispiel Adrenalin aus. Deswegen ähneln die Symptome denen einer körperlichen Stressreaktion.
Zu den Anzeichen zählen folgende Punkte:
- kardiovaskuläre Reaktivität: Das Herz schlägt schneller als normalerweise und pumpt mehr Blut, weshalb sich der Herzschlag stärker anfühlt.
- erhöhte Körpertemperatur und Schweißproduktion: Häufig “leiden” Verliebte unter einem hochroten Kopf und schwitzigen Händen.
- verringertes Schlafbedürfnis: Ängste und Ungewissheit stören die Nachtruhe. Allerdings wirkt sich die verringerte Schlafdauer kaum auf das Erhohlungsgefühl am nächsten Morgen aus.
- Euphorie, Freude, Unternehmungslust: Das sind Anzeichen einer Hypomanie, die auch bei Verliebten vorkommen.
- rosarote Brille: Die Hormone beeinflussen auch die Wahrnehmung der anderen Person. Negative Eigenschaften, die nicht in das Bild des Menschen passen, blenden Verliebte gerne aus.
Broken-Heart-Syndrome
Ein gebrochenes Herz kann zum Tod führen. Genau das passiert bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, auch als "broken-heart-syndrome" bekannt. Dabei handelt es sich um eine akute Fehlfunktion des linken Herzventrikels durch intensiven emotionalen oder physischen Stress. Betroffen sind in über 90 Prozent der Fälle ältere Frauen nach der Menopause. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts. Man nimmt an, dass bei der Krankheit eine Überfunktion des Sympathikus ursächlich ist.
Warum wir uns verlieben
Diverse Faktoren beeinflussen, warum und in wen Menschen sich verlieben. Ein wichtiger davon ist der Geruch. Jeder Mensch sezerniert einen individuellen Duft, den Pheromone produzieren. Sie befinden sich im Schweiß, auf der Haut und in anderen Körperflüssigkeiten. Studien haben herausgefunden, dass der Geruch sich auf die initiale Anziehung zu einer Person auswirkt. Man sollte sich also wortwörtlich riechen können, um sich zu verlieben.
Ein weiterer Faktor ist die Ähnlichkeit zu sich selbst. Menschen fühlen sich eher zu Personen hingezogen, die ähnliche Persönlichkeitsmerkmale aufweisen und gleiche Werte und Glaubenssätze vertreten.
Natürlich spielt das Aussehen auch eine Rolle, selbst wenn Serien wie “Love is Blind” oder “Hochzeit auf den ersten Blick” das Gegenteil beweisen wollen. Wen man attraktiv findet, hängt jedoch nicht von sozialen Schönheitsidealen ab, sondern ist beeinflusst durch individuelle Lebenserfahrungen. Hat man beispielsweise eine positive Beziehung zu einem Menschen in seinem Leben, fühlt man sich vielleicht eher zu Menschen mit ähnlichen Gesichtszügen hingezogen. Gleiches gilt für Charakteristiken, die man häufig im alltäglichen Umfeld wahrnimmt.
Das alles sind jedoch nur Beobachtungen. Sie können sich von Mensch zu Mensch unterscheiden und sind nicht auf molekularer Ebene bewiesen.
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Verliebt sein – Psychologische Effekte
Die Psychologie des Verliebtseins ist Bestandteil der Sozialpsychologie. Sie erforscht und beschäftigt sich mit den psychologischen Aspekten der Verliebtheit. Ein empirischer Nachweis erfolgte über das Brückenexperiment unter Dutton und Aron von 1974, bei dem man einen möglichen Zusammenhang zwischen Verliebtheit und Angst herstellen konnte. Verliebt sein könnte also auch zur Befriedigung von Verbundenheit und Kontrolle dienen.
Kognitive Verzerrung
Verliebtheit führt zu einer Einengung des Bewusstseins, welche zu Fehleinschätzungen der Person führen kann. Das Phänomen ist auch als die rosarote Brille bekannt, bei der Fehler entweder übersehen oder als positiv gewertet werden. Fehlende Informationen durch das beginnende Kennenlernen der Person und die eigenen Erwartungen bekräftigen dieses Phänomen der kognitiven Verzerrung.
Unter den Begriff fallen verschiedene Aspekte:
- Halo-Effekt: Er umfasst das vermehrte Zuschreiben von positiven Attributen an attraktive Menschen.
- Details, welche die eigenen Überzeugungen bestätigen, nimmt man vermehrt wahr.
- Aktuelle Denkweisen projiziert man auf Vergangenheit und Zukunft.
- “Wissen” über die Gedanken der anderen Person
- Wahrnehmung von Geschichten und Mustern trotz weniger Informationen
Limerenz
Im Jahr 1979 führte Dorothy Tennov, eine US-amerikanische Verhaltenspsychologin, den Begriff der Limerenz ein. Sie beschreibt damit einen gesteigerten, extremen Zustand der Verliebtheit, der mehr als das “Kribbeln im Bauch” umfasst.
Betroffene zeigen ein besessenes Denken an die geliebte Person, leiden unter ständiger Furcht vor Zurückweisung und hoffen dauerhaft auf erwiderte Gefühle. Sie blenden negative Eigenschaften aus und fokussieren sich auf Vorfälle, welche die Person betreffen. Gleichzeitig ist ihr Verhalten in der Nähe der Person von Unsicherheit geprägt.
Falls eine Beziehung zustande kommt, geht die Limerenz in Liebe über. Fehlt die Erwiderung, so klingt der Zustand von selbst nach Monaten bis Jahren ab.
Verliebt sein – Neurobiologische Effekte
Bisherige Forschungen konnten eine Veränderung im Hormonhaushalt feststellen, welche die Symptome der Verliebtheit begründen. Dabei spielen Neurotransmitter eine wichtige Rolle. Neurotransmitter sind biochemische Stoffe, die Reize zwischen Nervenzellen weitergeben oder sie verstärken. Hormone übernehmen die gleiche Aufgabe.
Dopamin
Dopamin, das Belohnungshormon, zählt zu den Monoaminen und kommt im Großhirn (Bulbus olfactorius), Zwischenhirn (Hypothalamus) und im Hirnstamm (Substantia nigra und Formatio reticularis) vor. Es zählt zu den Katecholaminen, die bei Stresssituationen ausgeschüttet werden. Seine Wirkung entfaltet der Neurotransmitter vor allem in den Basalganglien zur Steuerung der Motorik und im limbischen System für das Denken und die Wahrnehmung.
In MRT-Untersuchungen stellte sich heraus, dass besonders die Dopamin-produzierenden Areale aktiv sind. Es sorgt für die Euphorie und nimmt vermutlich Einfluss auf die kognitive Verzerrung.
Serotonin
Serotonin zählt ebenfalls zu den Monoaminen und wird in der Formatio reticularis des Hirnstamms produziert. Es regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus und nimmt Einfluss auf das limbische System sowie die Schmerzwahrnehmung.
Bei einem Mangel können Depressionen oder Ängste entstehen. Interessanterweise ist Verliebtheit mit einem niedrigen Spiegel an Serotonin assoziiert. Dieses Paradox lässt sich folgendermaßen erklären: Verliebte fixieren sich auf die Person, was einer Zwangsstörung ähnelt.
Bei dieser Erkrankungen wurde ebenfalls ein geringer Serotoninspiegel im Blut nachgewiesen. Der Gedanke legt nahe, dass leidenschaftliches Verliebtsein und zwanghaftes Verhalten nah aneinander liegen.
Oxytocin
Oxytocin ist ein Hormon, das in Kerngebieten des Hypothalamus produziert wird (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis). Seine Sekretion erfolgt bei Stimulation über die Neurohypophyse. Der Austausch von Zärtlichkeiten und ein Orgasmus führen unter anderem zur Ausschüttung des Hormons.
Es steigert die Entwicklung von engen zwischenmenschlichen Beziehungen, fördert Vertrauen und senkt die Hemmschwelle für soziale Interaktionen. Gleichzeitig ist es essentiell für den Geburtsvorgang und stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind.
Neurotrophin
Neurotrophine beschreiben kleine Signalproteine, die zu den Zytokinen zählen. Sie wirken als Neuromodulatoren, können aber auch den Zelluntergang (Apoptose) herbeiführen. Veränderungen der Konzentration stehen in Verbindung mit Depressionen, Suchterkrankungen und Schizophrenie.
Forschungen bestätigen, dass sich in der Phase des Verliebtseins die Konzentration an Neurotrophin erhöht. Man vermutet, dass sie für die Euphorie zu Beginn verantwortlich sind. Diese beeinflusst die Handlungsfähigkeit der Personen und senkt die Hemmschwelle.
Verliebtheit und Liebe – Unterschiede
Verliebt sein hält nicht für immer. Der Körper kann einen dauerhaften Alarmzustand nicht aufrecht erhalten, weshalb die Gefühle der anfänglichen Verliebtheit nach wenigen Jahren verschwinden. Was bleibt, ist Liebe – im Gegensatz zur Verliebtheit schützt sie vor Stress und kommt ohne das konstante Verlangen nach Nähe und Aufmerksamkeit aus.
Liebe ist ruhig und mitfühlend, während die stressige Euphorie nachlässt. Doch auch nach Jahrzehnten einer Beziehung kann die positive Aufregung bei einigen Paaren nachgewiesen werden. Gleichzeitig nehmen viele Menschen das Nachlassen der Stresshormone als ein “Entlieben” wahr, was häufig zu Trennungen führt.
Verliebtheit und sexuelles Verlangen – Unterschiede
Verliebt sein und sexuelles Verlangen können zusammen einhergehen, dürfen aber nicht synonym verwendet werden. Ist man verliebt, liegt der Fokus auf dem Lebensgefühl mit der anderen Person. Begierde hingegen baut auf der Attraktivität der Person auf und ist nicht auf ein romantisches Gefühl angewiesen. So sind Beziehungen, in denen sexuelles Verlangen die Hauptrolle spielt, durchaus möglich, ohne dass Gefühle der Verliebtheit auftreten. Genauso möglich ist eine romantische Beziehung ohne sexuelle Begierde.
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