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Inhaltsverzeichnis
Anfang November scheiterte die Regierungszusammenarbeit zwischen SPD, FDP und den Grünen offiziell an unüberwindbaren Differenzen. Der politische Bruch hat weitreichende Konsequenzen: Bundeskanzler Olaf Scholz plant, im Dezember die Vertrauensfrage zu stellen, was den Weg für Neuwahlen im Februar ebnet.
Besonders im Fokus stehen nun die Auswirkungen auf zentrale Reformvorhaben, insbesondere im Gesundheitswesen. Dieser Artikel beleuchtet, was das politische Chaos für die drängenden Reformen im Gesundheitswesen bedeutet und welche Konsequenzen der historische Bruch der Ampelkoalition nach sich zieht.
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Das Scheitern der Ampel und die aktuelle Situation
Geplante Reformen im Gesundheitswesen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte große Reformpläne für die laufende Legislaturperiode. Insgesamt ist der Ausgang über drei von vier Reformen im Moment ungeklärt. Wie stehen die Chancen, dass die Reformen noch umgesetzt werden und welche Konsequenzen hat ein Scheitern?
Weg der Gesetzgebung
Von der Idee eines Gesetzes bis zur Umsetzung ist es ein weiter Weg. In Deutschland beginnt der Gesetzgebungsprozess mit einer Gesetzesinitiative, die von der Bundesregierung, dem Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden kann.
Nach der Einbringung erfolgt die erste Lesung im Bundestag, gefolgt von Beratungen in den zuständigen Ausschüssen. Anschließend finden die zweite und dritte Lesung im Plenum statt, wobei am Ende die Schlussabstimmung steht. Nach der Verabschiedung durch den Bundestag wird das Gesetz dem Bundesrat zugeleitet, der je nach Art des Gesetzes zustimmen muss oder Einspruch einlegen kann.
Nach erfolgreicher Zustimmung oder Überwindung eines Einspruchs wird das Gesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet, womit es in Kraft tritt.
Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)
Im Rahmen des GSVG sollen die Leistungen der Hausarztpraxen entbudgetiert werden, um eine Niederlassung für Nachwuchsärzte attraktiver zu machen. Wesentliche Punkte des Entwurfs sind:
- Entbudgetierung der Hausarztleistungen: Hausärzte sollen nicht mehr durch mengenbegrenzende oder honorarmindernde Maßnahmen eingeschränkt werden, um mehr Patienten behandeln zu können.
- Pauschale für chronisch Kranke: Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen sollen eine quartalsübergreifende Versorgungspauschale erhalten, was unnötige Quartalsuntersuchungen und volle Wartezimmer erspart.
- Bagatellgrenze: Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen erst ab einer Grenze von 300 Euro greifen, um unnötige Bürokratie zu reduzieren.
Der Beschluss des Regierungsentwurfs wurde dieses Jahr, am 22. Mai 2024, bestätigt. Zu spät, finden die Bundesvorsitzenden des Hausärtzinnen- und Hausärtzeverbandes Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beler. Sie kritisieren die Zeitverschwendung mit “politischen Kleinkriegen” in den letzten Jahren. In dieser Zeit hätte man laut den Vorsitzenden das Gesetz mit inhaltlicher Arbeit längst umsetzen können. Sie befürchten beim Scheitern der Reform vermehrte Schließungen von Hausarztpraxen. Die wohnortnahe Versorgung der Menschen würde darunter stark leiden. Sie appellieren, dass die Maßnahmen im GSVG dringend Umsetzung finden müssen.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG)
Bereits am 17. Oktober beschloss der Bundestag das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Am 22. November, also nach dem Bruch der Ampel, billigte der Bundesrat nun die Reform. Hier scheint der Koalitionsbruch fördernd auf die Gesetzgebung gewirkt zu haben – die Länder standen vermutlich unter Zugzwang.
Ziel der Reform ist es, die Behandlungsqualität in Kliniken zu steigern und die flächendeckende Versorgung zu stärken. Kernpunkt des Gesetzes sind die sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (Level 1i-Krankenhäuser), die ambulante und stationäre Leistungen kombinieren und insbesondere in ländlichen Regionen Versorgungslücken schließen sollen.
Das Gesetz sorgt für eine grundlegende strukturelle Änderung der Finanzierung der stationären Versorgung. Durch eine Vorhaltevergütung beispielsweise verringert sich der ökonomische Druck auf Krankenhäuser. Ein weiteres Ziel ist es, die administrativen Aufgaben in Kliniken zu verringern und den Fokus auf die Patientenversorgung zu legen.
Bis Ende 2026 ist es nun Aufgabe der Bundesländer, den Kliniken in ihrem Gebiet Leistungsgruppen zuzuweisen. 2027 bis 2028 erfolgt die schrittweise Umstellung des Finanzsystems. 2029 sollte der Prozess abgeschlossen sein.
Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallG)
Das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung setzt sich zum Ziel, die Rettungsdienste und Notaufnahmen zu entlasten. Details zu den geplanten Änderungen gibt es in diesem Artikel von Medi-Karriere.
Zu den Kernpunkten gehören:
- Zentrale Akutleitstellen: Diese sollen Notfälle besser koordinieren und Rettungsdienste sowie Notaufnahmen entlasten.
- Integrierte Notfallzentren: Krankenhäuser sollen gemeinsam mit ärztlichen Notdiensten und Ersteinschätzungen arbeiten, um die Patientenversorgung zu verbessern.
- Stärkung des Rettungsdienstes: Der Rettungsdienst wird als eigenständiger Leistungsbereich definiert, mit klaren Standards und besserer Finanzierung.
Obwohl der Entwurf im Juli 2024 verabschiedet wurde, bleibt der weitere Gesetzgebungsprozess ungewiss. Angesichts der politischen Instabilität ist fraglich, ob diese dringend benötigte Reform rechtzeitig umgesetzt werden kann.
Rettungssanitäter/in Stellenangebote
Apotheken-Reformgesetz (ApoRG)
Der Gesetzesentwurf zielt auf die mittel- und langfristige Erhaltung eines flächendeckenden Apothekennetzes ab. Dieses schwebt besonders im ländlichen Bereich in Gefahr, da auch Apotheken unter dem Fachkräftemangel leiden.
Lauterbach plant die Betreibung von Filial- und Zweigapotheken ohne einen entsprechend ausgebildeten Apotheker. In dessen Fußstapfen sollen erfahrene Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTAs) oder Pharmazieingenieure treten, unter der Voraussetzung, dass ein Apotheker digital zu erreich ist.
Zweigapotheken unterscheiden sich von den herkömmlichen Apotheken, da bei diesen kürzere Öffnungszeiten möglich sind. Zusätzliche Änderungen durch die Reform sollen die Honorare bei der Abgabe von Arzneimitteln, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen fallen, betreffen, genauso wie die Zuschläge für Not- und Nachtdienste.
Die Reform war schon vor dem Koalitionsbruch hoch umstritten. Ohne eine Mehrheit bleibt unklar, ob sie verabschiedet werden kann. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnt vor einer dramatischen Verschlechterung der Versorgung, sollte es weiter zu Verzögerungen kommen.
Lauterbach plante deshalb die Herauslösung von Aspekten aus der Reform und die Integrierung dieser in die GSVG. Das betrifft insbesondere die Erlaubnis, dass Apotheker Impfungen gegen beispielsweise Diphterie oder Hepatitis B verabreichen dürfen. Ein weiterer Punkt ist die Durchführung von Schnelltests auf diverse Erkrankungen.
Fazit: Politischer Stillstand gefährdet Reformen
Der Bruch der Ampelkoalition stellt die Verwirklichung der geplanten Reformen im Gesundheitswesen massiv auf die Kippe. Ohne parlamentarische Mehrheit können SPD und Grüne zentrale Gesetze nicht mehr vorantreiben, obwohl viele davon dringend nötig sind, um die medizinische Versorgung in Deutschland zu sichern. Besonders die Entlastung von Hausärzten und die Reform der Notfallversorgung könnten auf unbestimmte Zeit verzögert werden – mit gravierenden Folgen für Patienten, medizinisches Personal und ländliche Regionen.
Die kommende Regierung, egal welcher politischen Zusammensetzung, steht vor der Aufgabe, diese Herausforderungen anzupacken und politische Blockaden zu überwinden. Ein weiteres Aufschieben der dringend benötigten Veränderungen wird die Probleme nur verschärfen. Die Verantwortung, hier schnell zu handeln, liegt bei allen Parteien.
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- Weg der Gesetzgebung, https://www.bundestag.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Statement der ABDA-Präsidentin zum Ampel-Aus, https://www.abda.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Regierung will hausärztliche Betreuung stärken, https://www.bundestag.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Pressestatement anlässlich des Bruchs der Ampel-Koalition, https://www.haev.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Bruch der Ampel-Koalition, https://www.tagesschau.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Vertrauensfrage und vorzeitige Neuwahlen, https://www.bundestag.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Krankenhausreform passiert den Bundestag, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)
- Entbudgetierung, https://www.deutschesarztportal.de/... , (Abrufdatum: 27.11.2024)