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Die Anstellung über Zeitarbeit verspricht viele Vorteile: Mehr Geld, alltagsdienliche Arbeitszeiten, mehr freie Wochenenden. Besonders durch die Corona-Pandemie ab 2020 stieg die Zahl der Leiharbeiter in der Pflege stark, wodurch die Auswirkungen des Pflegekräftemangels kurzfristig reduziert werden konnten.
Dennoch sinkt laut aktuellen Statistiken die Zahl der Zeitarbeitskräfte in der Pflege. Woran liegt das und wie kann man diese Entwicklung einordnen? Die Antworten auf diese Fragen bietet dieser Artikel.
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Bisherige Entwicklung und Bestimmungen der Zeitarbeit
Mitarbeiter der Pflege machen einen großen Teil der Leiharbeiter im Gesamten aus. Im Jahresdurchschnitt 2023 waren 45.000 Zeitarbeitskräfte in der Pflege beschäftigt, womit sie einen Anteil von fast sechs Prozent der Leiharbeiter insgesamt ausmachten. Von diesen 45.000 Beschäftigten sind etwa drei Viertel, genauer gesagt 32.368 Pflegekräfte, in Zeitarbeitsfirmen angestellt. Der der Rest entfällt auf Unternehmen mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt im Gesundheitswesen.
Über alle Branchen verteilt arbeiteten etwa 796.000 Zeitarbeitskräfte in Deutschland. Diese Zahl geht seit Jahren teilweise sehr stark zurück und fielen 2022 und 2023 sogar unter das Vorjahresniveau. Diese Feststellung ergibt eine Analyse der Bundesagentur für Arbeit, die im Juli 2024 veröffentlicht wurde.Leiharbeit in allen Branchen
Bisher stellte der Pflegesektor das Gegenteil des Trends der sinkenden Leiharbeit dar: Die Zahl der Zeitarbeiter stieg über die Jahre. Das lag vermutlich vor allem an den besseren Konditionen und der höheren Flexibilität, die mit Zeitarbeit versprochen wird.
Von den sozialversicherungspflichtigen Pflegekräften waren 2023 etwa drei Prozent als Zeitarbeitskräfte angestellt. Ursache für die vergleichsweise hohe Anzahl lag in der Pandemiesituation und der gestiegenen Nachfrage an Pflegepersonal. Die Arbeit im Gesundheitswesen reagiert kaum auf die Konjunktur, was zur Stabilität der Zeitarbeit in den Pandemiejahren im Vergleich zu anderen Branchen beitrug. Aus dem Boom der Corona-Zeit entwickelte sich die Zeitarbeit im Verlauf vermehrt als Branchenstandard.
Doch zunehmend sinkt die Zahl der Leiharbeiter anteilig in der Pflege. Da immer mehr Menschen in der Pflege beschäftigt sind – Ende 2023 etwa 1,8 Millionen Arbeitskräfte – machen die Leiharbeiter, die über eine Zeitarbeitsfirma angestellt sind, nur noch 1,8 Prozent der Pflegekräfte aus. Das entspricht etwa einer von 55 Pflegekräften, die in der Zeitarbeit tätig ist.
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Politische Änderungen
Die Politik sagt der Zeitarbeit seit einiger Zeit den Kampf an. Anfang des Jahres forderte Bayern eine Begrenzung der Leiharbeit in der Pflege. Der Bundesrat schließt sich dieser Forderung an und appelliert an die Bundesregierung, dies umzusetzen und den Pflegeberuf im gleichen Atemzug attraktiver zu machen. Es soll unter anderem ein Vergütungsdeckel überprüft werden, um überzogene Löhne von Zeitarbeitern zu verhindern. Eine andere Überlegung ist die Einführung einer Maximalquote von Leiharbeitern. Leiharbeit solle die Ausnahme sein und nicht zum Standard werden.
Vor- und Nachteile von Zeitarbeitskräften
Schon seit geraumer Zeit diskutiert man die Zeitarbeit in der Pflege sehr kontrovers. Ein Befürworter der Zeitarbeit ist Christian Baumann, Präsident des Gesamtverbandes der Personaldiensleister (GVP). Er hatte eine Sonderauswertung der Zeitarbeit in der Pflege über die Bundesagentur für Arbeit in Auftrag gegeben.
Baumann warnt ausdrücklich vor einer weiteren Einschränkung der Zeitarbeit, wie der Bundesrat es fordert, und sieht die Leiharbeit viel mehr als ein “unverzichtbares Flexibilitätsinstrument, um kurzfristige Personalengpässe zu überbrücken”. Dieser Punkt ist auch einer der größten Vorteile der Zeitarbeit: Fällt kurzfristig Stammpersonal durch Krankheit, Schwangerschaft oder Urlaub aus, können Zeitarbeiter die Lücke überbrücken. Auch bei Besetzungsschwierigkeiten hilft die Zeitarbeit: Eine Stelle für eine examinierte Altenpflegekraft bleibt im Bundesdurchschnitt 246 Tage unbesetzt.
Für Zeitarbeiter selbst birgt die Anstellung in einer Zeitarbeitsfirma diverse Vorteile. Im Durchschnitt verdienen Zeitarbeitskräfte mehr als ihre Kollegen mit Festanstellung in einer Einrichtung. Zudem ist die Arbeit weitaus flexibler, da sich Leiharbeiter ihre Schichten besser auswählen und somit ihre Zeit freier gestalten können. Besonders der Punkt des Gehalts entflammt die Debatte immer wieder aufs Neue. Leiharbeiter verdienen in Krankenhäusern etwa 3,7 Prozent mehr als die Stammbelegschaft, in der Altenpflege sind es 3,5 Prozent.
Doch auch wenn es einheitliche Standards in der Pflege gibt, unterscheiden sich an jedem Arbeitsort die individuellen Abläufe, die im Regelfall einer ausführlichen Einarbeitung bedürfen. Diese kann bei häufig wechselnden Zeitarbeitern nicht gewährleistet werden, was den Tagesablauf und die Zusammenarbeit im Team teilweise drastisch beeinträchtigt. Im Endeffekt resultiert dieser Zustand in einer Mehrbelastung der Stammbelegschaft, die es wieder ausgleichen muss. Das erzeugt Unmut beim Stammpersonal und verschlechtert die Qualität der Pflege.
Außerdem wollen Leiharbeitsfirmen natürlich Gewinn machen. Dieser stammt aber aus den Steuern und den Sozialversicherungsbeiträgen, die eigentlich zur Verbesserung der Pflege gedacht sind und nicht der Gewinnmaximierung dienen sollen. Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes (AGVP), stellt ebenfalls fest, dass “Leiharbeitsunternehmen ihre Monopolstellung ausnutzen.”
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Kosten von Zeitarbeitskräften steigen
Ein Grund für den Rückgang der Zeitarbeitskräfte liegt wohl in den gestiegenen Kosten, die Pflegeeinrichtungen für sie aufbringen müssen. Die können viele nicht mehr tragen, weshalb alternative Methoden zur Personalrekrutierung erkundet werden. Seit 2020 dürfen die Kranken- und Pflegekassen die Kosten von Leiharbeitern nur noch bis zum Niveau des Tariflohns vom Stammpersonal refinanzieren.
Die Vermittlungsentgelte für Leiharbeiter dürfen auch nicht mehr aus dem Pflegebudget getilgt werden, was die Kosten für Einrichtungen zusätzlich in die Höhe treibt. Gleichzeitig bedeutet diese Regelung, dass die Kosten für Zeitarbeiter nicht zu Lasten von Krankenkassen und Beitragszahlern geht.
Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks müssen Häuser versuchen, zu sparen, wo es möglich ist. Die Zeitarbeit fällt dem ebenfalls zum Opfer. Der GVP-Präsident äußert dafür durchaus sein Verständnis, erinnert aber gleichzeitig an die Priorität der “Versorgungssicherheit von Patientinnen und Patienten.”
Auswirkungen von weniger Zeitarbeit
Die Regulierung der Zeitarbeit soll zur Stärkung von Stammpersonal führen. Fraglich ist aber, ob das letztendlich der Fall sein wird. Eine Befragung von Zeitarbeitskräften durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat gezeigt, dass etwa 66 Prozent der Pflegekräfte in Zeitarbeit bei Einschränkungen ihre Arbeit aufgeben und die Pflege endgültig verlassen würden. Weiterhin führt der GVP an, dass attraktive Arbeitsbedingungen für Stammpersonal keine Begründung für Einschränkungen der Leiharbeit sein dürfen.
Außerdem darf man die Personalvorgaben und Quoten nicht vergessen. Fallen die Zeitarbeiter weg, kann das schlussendlich zu einem Abbau von Betten und der Schließung von Stationen führen. Wenn die von der Regierung vorgegebenen Personalschlüssel nicht erreicht werden, sind die Einrichtungen zu solchen Maßnahmen gezwungen.
Forderungen und Zukunft der Pflege
Fest steht, dass die Zeitarbeit nicht die goldene Lösung für den Personalmangel in der Pflege ist, auch wenn sie laut GVP das Problem nicht weiter verschärft. Es muss sich also etwas ändern, nur was?
AGVP-Geschäftsführer Halletz schlägt vor, dass die Politik “die starren Personalvorgaben und Quoten” abschaffen muss, um “dem Pflegepersonal die nötige Handlungssouveränität und Motivation für die Tätigkeit zurückzugeben.” Das soll der Schließung von Einrichtungen und dem Abbau der Betten vorbeugen.
Auch interne Lösungen werden verstärkt diskutiert. Immer wieder kommt der Gedanke von Springer- und Poollösungen auf, wobei Mitarbeiter einer Einrichtung flexibel in anderen Stationen oder Abteilungen eingesetzt werden können. Fakt ist, dass Pflegeeinrichtungen ihre Personalstrategien anpassen müssen und dabei auf innovative Ansätze angewiesen sind, die eine qualitative, aber auch bezahlbare Pflege vereinen.
Unter einem Springerpool versteht man ein flexibleres Arbeitsmodell, wobei das Pflegepersonal nicht an eine Station oder Abteilung gebunden ist, sondern dort einspringt, wo sie gerade benötigt wird. Auch diese Bereitschaft wird teilweise höher bezahlt als beim Stammpersonal und bringt weitere Vorteile wie die flexiblen Arbeitszeiten und vielfältige Erfahrungen mit sich.Springer- und Poollösungen
Gleichzeitig sind Springerkräfte immer noch günstiger als Zeitarbeitskräfte und die Einarbeitung läuft schneller ab. Aber auch Nachteile zeigen sich bei diesem System, mit der richtigen Umsetzung kann es aber bei kurzfristigen Ausfällen von Stammpersonal die Pflege entlasten und gleichzeitig die Qualität aufrecht erhalten.
Stellenangebote in der Pflege
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- Entwicklungen in der Zeitarbeit, https://statistik.arbeitsagentur.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich, https://statistik.arbeitsagentur.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Warum sinkt die Zahl der Zeitarbeitskräfte im Gesundheitsbereich?, https://www.handelsblatt.com/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Länderkammer will Leiharbeit in der Pflege begrenzen, https://www.aerzteblatt.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Leiharbeit in der Pflege, https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Zeitarbeit in der Pflegebranche, https://personaldienstleister.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)
- Zeitarbeit in der Pflege ist nun Sache der Regierung, https://www.kma-online.de/... , (Abrufdatum: 30.08.2024)